Wenn ein junger Mensch sich für einen Beruf entscheidet, sollte man ihm vielleicht die Liste der Berufskrankheiten zeigen, die er theoretisch bekommen könnte.
Chemikanten, Garten- und Landschaftsbauer, Schädlingsbekämpfer, Metallbauer & Co.? Da winken sämtliche Vergiftungen durch Metalle und Metalloide wie Blei, Quecksilber oder Phosphor, die Hornhaut im Auge kann beschädigt werden, auch Krebs ist möglich.
Wer täglich an der Rüttelplatte steht, mit Druckluft hantiert oder immer schwer tragen muss, kann sich die Sehnenscheiden ruinieren, den Meniskus kaputt machen, Nerven, Wirbeln und Bandscheiben können leiden.
Entsprechend sind unter den gefährlichsten Berufen Deutschlands, also all denen, bei denen die Mehrheit nicht bis zur Rente durchhält, keine Bürojobs.
Diese Berufe machen krank
Gemäß dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse fallen Gärtner und Floristen durchschnittlich 20,3 Tage im Jahr krankheitsbedingt aus. Schuld daran ist die ungesunde Arbeitshaltung, die diese Berufsgruppen größtenteils einnehmen müssen. Wer den ganzen Tag kniet oder hockt, tut seinen Knien und seinem Rücken nichts Gutes. Laut Statistischem Bundesamt müssen Floristen und Gärtner ihren Beruf besonders häufig aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.
Im Schnitt fallen Metallbauer pro Jahr 20,7 Tage krankheitsbedingt aus. Und je älter, desto schlimmer wird es. Besonders häufig krank sind die 50- bis 64-Jährigen.
Patienten heben, waschen, tragen: Das geht auf Bandscheiben und Gelenke. Dementsprechend fallen Gesundheits- und Krankenpfleger an durchschnittlich 21,2 Tagen im Jahr aus. Krankenpfleger gehen auch häufig vorzeitig in den Ruhestand - und geben bei ihrem Renteneintritt meistens gesundheitliche Gründe an.
Am häufigsten krank sind Führer von Fahrzeugen und Transportgeräten mit 26,9 sowie Bus- und Straßenbahnfahrer mit 28 Krankentagen im Jahr. Meistens gehen sie aus gesundheitlichen Gründen früher in den Ruhestand.
Trauriger Spitzenreiter sind die Gerüstbauer: 52,18 Prozent von ihnen scheiden vor dem eigentlichen Renteneintrittsalter aus dem Berufsleben aus und bekommen eine Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente. Auch 50 Prozent der Bergleute und 38 Prozent der Maurer müssen vorher aufhören.
Meist, weil sie sich eine Berufskrankheit zugelegt haben: der Rücken ist krumm, die Atemwege versaut. Psychische Erschöpfungszustände wie Burnout, psychische Störungen oder psychiatrische Erkrankungen zählen dafür nicht zu den Berufskrankheiten – obwohl sie jedes Jahr zu den häufigsten Erkrankungen bei Arbeitnehmern zählen: Wer zu Hause bleibt, tut das in der Regel wegen Schnupfen, Rückenschmerzen – oder Seele.
Burnout, das betrifft häufiger Menschen, die mit dem Kopf arbeiten, als mit den Händen.
Wer praktisch arbeitet, tut sich dagegen eher körperlich weh. Geht man davon aus, dass Jobs in der Industrie zunehmend automatisiert werden, Maschinen körperlich anstrengende Arbeiten übernehmen, dass der Arbeitsschutz und das betriebliche Gesundheitsmanagement immer besser werden, müsste die Zahl derer, die sich eine typische Berufskrankheit zuziehen, eigentlich sinken.
Kosten und Fallzahlen steigen
Dem ist aber nicht so, wie das Bundessozialministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag mitteilte. Demnach erkannten die gesetzlichen Unfallversicherungen beziehungsweise Berufsgenossenschaften im vergangenen Jahr in 20.539 Fällen eine Berufskrankheit an. Zum Vergleich: Im Jahr 2002 waren es 17.722 Fälle. Entsprechend steigen auch die jährlichen Ausgaben der gesetzlichen Unfallversicherung, die im Falle einer Berufskrankheit zahlen muss. In den vergangenen 15 Jahren seien die Kosten von 1,25 Milliarden Euro (2002) auf 1,57 Milliarden Euro (2016) gestiegen.
In acht Schritten zum Burn-Out
Es beginnt alles mit dem Wunsch, sich zu beweisen. Dieser aber treibt einen in den Zwang, sich noch mehr anzustrengen, noch mehr zu leisten bzw. es allen recht zu machen. Man nimmt jeden Auftrag an, sagt immer seltener Nein. Jettet von Termin zu Termin. Und nimmt abends Arbeit mit nach Hause.
(Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Man nimmt seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahr. Schläft zu wenig, isst hastig oder gar nichts. Sagt den Kinobesuch mit Freunden ab.
Man missachtet die Warnsignale des Körpers, wie Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen, hoher Blutdruck, flaches Atmen, Konzentrationsschwäche.
Um wieder funktionieren zu können, greifen manche zu Drogen wie Schmerzmitteln, Schlaftabletten, Alkohol, Aufputschern.
Das eigene Wertesystem verändert sich. Die Freunde sind langweilig, der Besuch mit dem Kollegen im Café verschwendete Zeit. Die Probleme mit dem Partner oder Familie nimmt man einfach nicht mehr wahr. Man zieht sich zurück aus gesellschaftlichen Kontakten. Und endet oft in völliger Isolation.
Die Persönlichkeit verändert sich. Alles dreht sich nur noch darum, zu funktionieren, zu arbeiten. Gefühle und Emotionen werden verdrängt. Man verliert den Humor, reagiert mit Schärfe und Sarkasmus, empfindet Verachtung für Menschen, die das Faulsein genießen. Man verhärtet.
Man verliert das Gefühl für die eigene Persönlichkeit. Spürt nur noch Gereiztheit, Schmerzen, Erschöpfung, Überlastung, Angst vor einem Zusammenbruch. Und sonst nichts mehr. Keine Freude, keine Fröhlichkeit, keine Neugierde. Der Mensch funktioniert wie eine Maschine. Die Seele erstarrt.
Die wachsende innere Leere, genährt von dem Gedanken "Wenn ich nicht arbeite, was bin ich dann?", führt zur Depression, zur völligen Erschöpfung, zum Zusammenbruch, zum Ausgebranntsein.
Die Bundesregierung sieht als Grund für den Anstieg der Betroffenen unter anderem die Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten, hieß es. Seit dem August dieses Jahres gehören zur Liste der Berufskrankheiten auch
- Leukämie durch 1,3-Butadien, wie sie in der Kunstkautschuk- und Gummiindustrie vorkommen
- Harnblasen- und Kehlkopfkrebs, der durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe verursacht wurde, die oft in der Aluminium- und Gießereiindustrie oder an Hochöfen vorkommen
- Fokale Dystonie bei Orchestermusikern oder Musiklehrern
- Eierstockkrebs bei Frauen, die früher in asbestverarbeitenden Betrieben tätig waren.
Vielfach fällt den Angestellten, den Versicherern und letztlich auch den Unternehmen also heute auf die Füße, dass der Arbeitsschutz früher ein anderer war. So reagierten Unternehmen und Arbeitsmediziner erst flächendeckend 1972 auf die Gefahren für ihre Mitarbeiter durch Asbest. Ende 2012 waren trotzdem immer noch fast 89.000 Beschäftigte in Deutschland mit Asbestprodukten in Kontakt, wie es in einem Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Thema Asbest heißt. Wenn man davon ausgeht, dass die Latenzzeit zwischen erhöhter Asbestbelastung und einer Krebserkrankung durchschnittlich mehr als 30 Jahre beträgt, wird die deutsche Wirtschaft berufsbedingte Krebserkrankungen so schnell wohl nicht los.