Bei seinen Kommilitonen war Jan Schomaker früher „der Mann mit den Hühnern“. Als Student an der Fachhochschule Vechta arbeitete er bei Big Dutchman: Weltmarktführer für Tierkäfige, Erfinder der Legebatterie, Lieferant der Massentierhaltung. Trotz des zweifelhaften Rufs hatte sich Schomaker bewusst bei dem niedersächsischen Unternehmen für ein duales Studium beworben – er wollte in der Landwirtschaft arbeiten, aber bei einem Großkonzern.
Der 24-Jährige kommt aus dem Oldenburger Münsterland, Deutschlands Schweine- und Geflügelregion. Schon als Kind half er im Legebetrieb seines Onkels mit und hielt selbst Hühner. Sein privates Umfeld weiß viel über die industrielle Haltung von Tieren – also auch über Hühnerkäfige mit mehreren Etagen, Ställe ohne Tageslicht oder Kastenstände, die so eng sind, dass sich Schweine weder drehen noch legen können.
Top-10-Ranking Wirtschaftswissenschaften
BMW Group
Eine ausführlichere Auflistung der Top-20-Arbeitgeber der Wirtschaftswissenschaftler finden Sie hier.
Audi
Porsche
Daimler/Mercedes-Benz
Volkswagen
Deutsche Lufthansa
Siemens
adidas group
McKinsey & Company
An der Hochschule jedoch musste sich Schomaker rechtfertigen. Geärgert habe ihn das nicht. Er wunderte sich bloß, wie wenig viele Studenten über die tatsächliche Situation in den Ställen wussten. Er ist überzeugt: Auch wenn es erschreckende Ausnahmen gibt, liegt den meisten Bauern das Wohl der Tiere am Herzen. Und ohne Intensivhaltung sei die hohe Nachfrage nach tierischen Produkten nun mal nicht zu bedienen.
Arbeitgeber mit schlechtem Image brauchen eine gute Personalstrategie
Mittlerweile ist Schomaker internationaler Gebietsverkaufsleiter bei Big Dutchman – obwohl er sein Masterstudium erst im kommenden Jahr abschließt. Die kritischen Fragen seiner Kommilitonen hätten ihm in seiner Karriere geholfen, sagt Schomaker heute: „Ich weiß jetzt sehr viel genauer, warum ich hier arbeite und was meine Verantwortung ist.“
Unternehmen wie Big Dutchman brauchen tatsächlich eine kluge Personalstrategie, wenn sie junge Talente finden und binden wollen. Denn viele Absolventen lassen sich vom öffentlichen Image abschrecken – das betrifft die Tierzucht genauso wie die Rüstungsindustrie, Pharmakonzerne, Chemiefabrikanten oder Tabak- und Spirituosenhersteller. Entsprechend selten landen Vertreter dieser Branchen in den Beliebtheitsrankings der Absolventen. Kaum ein Student denkt bei der Karriereplanung an Tierversuche, Munition, Pestizide oder Zigaretten.
Manager in Branchen mit schlechtem Ruf verdienen besser
Linus Gemmeke von der Personalberatung Rochus Mummert unterstützt Unternehmen mit Negativimage bei der Suche nach Fach- und Führungskräften. Helfen könne nur die offene Aussprache. Denn die Argumente der Kritiker sind im Internet ohnehin jederzeit verfügbar. „Dem müssen sich die Unternehmen stellen“, sagt Gemmeke, „genauso wie die Bewerber.“
Interessierte Absolventen sollten vorab genau prüfen, ob die Beschäftigung das Richtige ist. Finanziell werden sie dafür zweifelsohne belohnt – Manager der Tabak-, Alkohol- und Glücksspielbranche verdienen einer britischen Studie zufolge bis zu 30 Prozent mehr. Auch würde jeder dritte deutsche Wirtschaftsstudent bei einem Unternehmen mit schlechtem Image arbeiten. Doch das Gros lässt sich eben nicht von Geld allein locken. Gerade die aktuelle Absolventengeneration stellt hehre moralische Ansprüche an ihren künftigen Arbeitgeber: Er möge nachhaltig wirtschaften, fair beschäftigen und sich sozial engagieren. Daher ignorieren viele High Potentials die stigmatisierten Unternehmen, und das erschwert die Personalsuche.
Rüstungskonzerne müssen Stellenanzeigen anonymisieren
Diageo, Hersteller hochprozentiger Alkoholika, wurde in der Vergangenheit sogar von Absolventenmessen ausgeladen, Rüstungshersteller Diehl Defence erging es ähnlich. Die Bundeswehr muss mitunter die Teilnahme an solchen Veranstaltungen absagen, weil Studenten Proteste ankündigen.
Entsprechend schwierig ist die Ansprache junger Talente. Anonymisierte Stellenanzeigen sind immer noch verbreitet – hinter dem Traineeprogramm eines „großen deutschen Fahrzeugherstellers“ steckt gerne mal ein Rüstungskonzern.
Die beliebtesten Arbeitgeber von Managern
Die Unternehmensberatung Baumann hat 300 deutsche Führungskräfte befragt, bei welchem Unternehmen sie am liebsten arbeiten wollen und warum. Daimler wurde am häufigsten genannt: Und zwar wegen des attraktiven Gehalt und Sozialleistungen sowie dem sicheren Arbeitsplatz.
BMW belegt den zweiten Platz. Dem Autobauer attestieren die Manager einen großen wirtschaftlichen Erfolg und sichere Arbeitsplätze.
Volkswagen belegt den dritten Platz. Auch bei VW sind ein attraktives Gehalt und Sozialleistungen sowie der wirtschaftliche Erfolg die Kriterien, die die Manager überzeugen.
Für Siemens sprechen für die Befragten die langjährige Unternehmenstradition und die interessanter Aufgabenstellung. Insgesamt belegt der Konzern Rang vier.
Mit Audi auf dem fünften Platz geht die Liste der Autobauer weiter: Auch hier sind die Hauptgründe, die das Unternehmen für Manager attraktiv machen, ein sicherer Arbeitsplatz sowie ein attraktives Gehalt und Sozialleistungen.
Apple belegt Platz sechs. Für den Konzern sprechen, dass er ein Global Player ist und attraktive Produkte bietet.
BASF kommt wegen seines wirtschaftlichen Erfolgs und der Aussicht auf ein attraktives Gehalt und Sozialleistungen auf Platz sieben der beliebtesten Arbeitgeber für Manager.
Bosch reizt die Befragten wegen der Aufstiegschancen und der interessanten Aufgabenstellung, die sie von dem Unternehmen erwarten.
Porsche - wie auch die anderen Autobauer - lockt die Manager mit einem attraktiven Gehalt und Sozialleistungen sowie seinem wirtschaftlichen Erfolg.
Google ist bei Berufseinsteigern und Studenten der Wunscharbeitgeber schlechthin. Bei den Managern landet der Konzern dagegen nur auf Platz zehn. Für Google spricht aus Sicht der Befragten der wirtschaftliche Erfolg des Konzerns und dass er ein Globaler Player ist.
Bei Lufthansa wollen die Manager wegen der interessanten Aufgabenstellung und dem attraktiven Gehalt sowie Sozialleistungen arbeiten.
Für Microsoft (Platz zwölf) sprechen der wirtschaftliche Erfolg sowie die Vergütung und die Sozialleistungen.
SAP lockt die Manager mit einem attraktiven Gehalt und Sozialleistungen sowie der langjährigen Unternehmenstradition.
Auch Headhunter Gemmeke nennt die Namen seiner Auftraggeber meist erst beim direkten Treffen mit den Kandidaten. Dann aber diskutiert er offen, auch über ethische Fragen: Sind Waffen per se schlecht? Ist die wachsende Weltbevölkerung ohne gentechnisch verändertes Saatgut zu ernähren? Sind Tierversuche vertretbar, wenn es um die Herstellung von potenziell lebensrettenden Medikamenten geht? „Ich muss auf beiden Seiten werben“, sagt der Personalexperte. „Die Talente müssen sich neuen Sichtweisen öffnen. Und die Unternehmen müssen zulassen, dass auch über die Schattenseiten ihrer Branche geredet wird.“
Die Waffenindustrie wird beliebter
Das fällt beiden Seiten immer noch schwer. Auch gegenüber der WirtschaftsWoche reagieren viele Konzerne schmallippig. Die Personalerin eines Zulieferbetriebs der Rüstungsindustrie zum Beispiel würde gerne über ihre Erfahrungen berichten. Doch die Pressesprecher untersagen das Gespräch.
Tatsächlich gelingt es aber gerade der Waffenindustrie, viele Absolventen zu faszinieren: Sie punktet mit guter Bezahlung und einer Tätigkeit im Hightechbereich. Konzerne wie Rheinmetall – Hersteller von Automobiltechnik, aber auch von Panzern, Waffen und Munition – klettern deshalb seit Jahren in den Beliebtheitsrankings nach oben. Die Beratungsgesellschaft Universum etwa listet das Unternehmen bei den Studenten der Ingenieurwissenschaften bereits auf Platz 55 – binnen drei Jahren ein Sprung um zehn Plätze. Bei den Berufserfahrenen erringt Rheinmetall sogar Rang 29.
Vor zwei Jahren hat Rheinmetall Defence seine Strategie im Personalmarketing überarbeitet und ist seitdem offener, auch gegenüber den Bedenken der Interessenten. „Wir wollen keine Waffennarren beschäftigen“, sagt Unternehmenssprecher Oliver Hoffmann, „genauso wenig wie Mitarbeiter, die sich als reine Techniker sehen, die also an unseren Produkten herumschrauben, ohne sich zu fragen, welche Verantwortung sie tragen.“
Auch Buchhalter tragen moralische Verantwortung
Auf Jobmessen diskutieren die Personaler seit der Öffnung viel mit Absolventen. Die interessiert vor allem, in welche Länder Rheinmetall Defence exportiert, aber auch, welche persönliche Einstellung die Mitarbeiter am Infostand zur Rüstung haben. Gleichzeitig stehen Ingenieure bereit, die Absolventen für die technischen Aspekte des Jobs faszinieren wollen oder sie zu Probefahrten in Spezialfahrzeugen und einem Training im Simulator einladen.
Rheinmetall suche gezielt Absolventen, die sich bewusst mit dem Thema Rüstung auseinandersetzen, so Hoffmann. „Sie sollten prüfen, ob sie die Arbeit für sich verantworten und auch damit umgehen können, dass manche Menschen die Branche kritisch sehen.“ Das sei wichtig, damit die Mitarbeiter das Unternehmen auch nach außen vertreten können. „Wer sich da unsicher fühlt, deckt vielleicht im Freundeskreis den Mantel des Schweigens über seinen Job – damit wird niemand glücklich.“
Auch Nichtraucher dürfen bei Zigarettenkonzernen arbeiten
Schattenseiten offen ansprechen – diese Strategie hält Erik Bethkenhagen für unvermeidlich. „Im Netz findet sich ohnehin jede Greenpeace-Aktion, jeder Protest vor der Firmenzentrale noch nach Jahren“, sagt der Kommunikationschef des Beratungshauses Kienbaum. Seiner Meinung nach hätten heutige Absolventen nicht unbedingt höhere moralische Ansprüche, das belegten auch Studien aus seinem Haus. „Sie verlangen aber größere Transparenz.“
Entsprechen offensiv gehen manche Unternehmen mit ihren Imageproblemen um. Der Zigarettenkonzern Philip Morris etwa spricht die Vorbehalte mancher Interessenten offen an – auf der Karrierewebsite ebenso wie auf Recruitment-Verantstaltungen. Auch um falschen Gerüchten entgegenzutreten. Etwa dem, dass nur Raucher eine Stelle ergattern. Interessenten werden deutlich darauf hingewiesen, dass das Unternehmen Produkte herstellt, die schwerwiegende Erkrankungen hervorrufen können. Danach herrsche oft Staunen über so viel Transparenz, sagt Andrea Trautmann, zuständig für die Talentakquise von Philip Morris Deutschland. Nach diesen Gesprächen gingen besonders viele Bewerbungen ein. Der offene Umgang wirke wohl „durchaus als Motivation“.
Bewerber sollten sich schon vorab mit Ihrem Gewissen auseinandersetzen
Die Frage, ob es überhaupt vertretbar sei, bei einem Tabakunternehmen zu arbeiten, hält Trautmann für „absolut berechtigt“. Fast alle Mitarbeiter hätte sie anfangs beschäftigt. Deshalb fragt der Konzern mittlerweile in jedem Bewerbungsgespräch, wie umfassend sich der Kandidat informiert und eine Meinung gebildet hat. „Wir möchten herausfinden, inwieweit die Kandidaten mögliche Konsequenzen durchdacht haben“, erklärt Trautmann. Wie reagiert mein privates Umfeld? Kann ich selbst glaubwürdig für die Produkte eintreten – und will ich das überhaupt? Danach besteht das Unternehmen auf einer Bedenkzeit für die Bewerber. Sie sollen sorgfältig überlegen, ob sie für den Tabakkonzern arbeiten möchten, und zwar unabhängig von fachlichen Aspekten.
Zweifel sollen nicht erst auftauchen, wenn die Angestellten längst im Job ist. Headhunter Gemmeke kennt die negativen Beispiele aus eigener Erfahrung. Etwa den Mitarbeiter eines Rüstungsunternehmens, der sich auf der kaufmännischen Seite des Unternehmens in moralischer Sicherheit wägte. Doch nach wenigen Monaten setzten ihm schon die Kantinengespräche zu: War am Nachbartisch von geglückten Testläufen und zerstörten Attrappen die Rede, bekam er Bauchschmerzen. Erst jetzt wurde ihm – dem Wehrdienstverweigerer – klar, in welchem Dilemma er steckte.
Gemmeke bittet seine Kandidaten, auch den Partner in die Entscheidung mit einzubeziehen. Denn der müsse sich im Zweifelsfall genauso den kritischen Nachfragen von Freunden und Verwandten stellen. Ein Kandidat habe deshalb zum Beispiel ein Angebot von Big Dutchman ablehnen müssen: Er selbst hatte zwar kein Problem mit den Produkten des Käfigbauers. Seine Frau aber sei Veganerin – und der tägliche Ehekrach damit programmiert. Das Unternehmen selbst demonstriert dagegen Gelassenheit, sagt Big-Dutchman-Personalleiter Olaf Strick: „Wir beschäftigen auch Vegetarier.“