Büro der Zukunft Arbeiten aus der Hängematte

Unternehmer und Experten sind sich einig: In den nächsten zehn Jahren wird sich die Arbeitswelt revolutionieren. Das Gehalt wird sich nach den konkreten Erfolgen richten, Angestellte arbeiten wann und wo sie wollen.

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Mann vor einem Schreibtisch Quelle: gms

Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Diese Frage beschäftigte Alison Maitland, Journalistin und Gastprofessorin an der Londoner Cass Business School und Peter Thompson, Leiter des Future Work Forum am Henley Management College. Sie befragten 366 Manager weltweit, wie diese sich die Zukunft der Arbeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsplatzes vorstellen. Die Mehrheit erwartet eine regelrechte Revolution: Angestellte sollen selbst entscheiden, wann und wo sie arbeiten, Büros werden zu Treffpunkten für Besprechungen, gezahlt wird für Produktivität und nicht für abgesessene Stunden. Und diese Vision bereitet den Unternehmern keine schlaflosen Nächte: Etwa 90 Prozent glauben, dass ihre Mitarbeiter produktiver sind, wenn sie ihre Arbeit selbst organisieren können. Und mehr als 80 Prozent glauben, dass sich neue Arbeitsformen positiv auf ihr Unternehmen auswirken würden.

"Das wird nicht überall gelten und auch nicht auf einmal passieren. Aber natürlich gibt es bereits jetzt viele Unternehmen, die ihre Einstellung zu Arbeit und auch deren Organisation verändern", sagt Maitland, Co-Autorin des Buches "Future Work". Die darin propagierte These besagt, dass mehr Flexibilität den Unternehmen mehr Produktivität, motivierte Mitarbeiter und geringere Kosten beschert. Es gibt diverse Beispiele großer Unternehmen, die das beweisen. "Wenn man über Best-Practice-Beispiele spricht, darf man nicht vergessen, dass diese Unternehmen noch nicht am Ziel sind - sie sind auf einem guten Weg dahin", sagt Maitland.

Arbeiten im Park und Chillout-Bereich
Ein Testflug in einem zum Labor umgebauten Flugzeug Quelle: dpa
Ein Blick in eine Fabrikhalle von Stryker Quelle: Presse
Der Kid's Corner in einer Deutsche Bank Filiale Quelle: Presse
Ein Kreativ-Raum in einer Schweizer Google-Zweigstelle Quelle: Presse
Ein mann geht an einem IBM-Logo vorbei Quelle: AP
Ein Konzert bei einem BMW-Mitarbeiterfest Quelle: Presse
Telekomlogo an einer Scheibe Quelle: Reuters

Dennoch gibt es - auch in Deutschland - viele Unternehmen aus verschiedenen Branchen, bei denen der 9 bis 17 Uhr-Job nicht mehr oder nur noch selten existiert. So hatten beispielsweise bei der Deutschen Telekom bereits 2001 rund 15.000 Vertriebsmitarbeiter keinen Schreibtisch mehr im Konzern. Weil es schlicht nicht nötig war. "Viele Arbeiten können zuhause oder in speziellen Smart-work-Zentren wesentlich produktiver erledigt werden", bekräftigt Maitland. In letztere könne man sich zurückziehen oder diese auch mieten, wenn das heimische Umfeld einem nicht die nötige Ruhe gibt. "Es gibt so viele verschiedene Orte, an denen man arbeiten kann - insofern die Arbeit überall und zu jeder Zeit erledigt werden kann."

Büros werden zu Treffpunkten

Microsoft in Issy-les-Moulineaux Quelle: Reuters

Auch bei Microsoft in Amsterdam gibt es weder feste Arbeitszeiten noch Arbeitsplätze. Im Gebäude nahe des Flughafens Shipol gibt es ein paar Kreativräume und einige Sitzungszimmer. Die Microsoftmitarbeiter arbeiten wann und wo es ihnen passt. Das spart auch dem Arbeitnehmer einiges: IBM beispielsweise berichtet, dass das Unternehmen dank flexibler Strukturen pro Jahr rund 100 Millionen Dollar an Bürokosten spart. Außerdem, so erzählt Maitland, hat eine Studie von IBM ergeben, dass Menschen, die von zuhause aus arbeiten, 19 Stunden pro Woche mehr arbeiten können, ohne das Gefühl zu haben, ihr Privatleben leide darunter.

So plant auch der Konsumgüterkonzern Unilever, bis zum Jahr 2015 30 Prozent der Jobs unabhängig von einer konkreten Umgebung zu machen. "Das ist sehr schnell. Aber andere Unternehmen werden das langfristig nachmachen", ist sich Maitland sicher. Dabei gehe es nicht darum, dass der Arbeitnehmer der Zukunft mit Smartphone und Laptop bewaffnet im stillen Kämmerlein sitzt und seine Kollegen nur aus den wöchentlichen Videokonferenzen kennt. Die Bedeutung von Büros werde sich verändern. Arbeitsplätze sollen zu Treffpunkten werden, wo sich Angestellte für Teambesprechungen treffen oder sich mit ihren Kunden beraten.

Daran werde sich nichts verändern. "Menschen brauchen diesen Kontakt, um nicht sozial isoliert zu sein", sagt Maitland. Physische Arbeitsplätze, wo Leute zusammen arbeiten oder sensible Gespräche führen, seien auch in Zukunft wichtig. Nur werde nicht mehr entscheidend sein, wie lange jemand an seinem Schreibtisch sitzt, sondern was er dort leistet. Und wenn er bessere Leistungen erbringt, wenn er im Park sitzt, dann soll er dort arbeiten dürfen.

Familiengründung und die Generation Y treiben die Entwicklung

Bei Google werden Ingenieure bereits nach Leistung beurteilt und können frei über ihre Arbeitszeit bestimmen. Die Voraussetzung: Sie müssen sich mit ihren Kollegen absprechen und die vereinbarte Leistung erbringen. Wer dennoch ins Unternehmen kommt, findet moderne Arbeitsoasen vor: Büros mit Hängematten anstatt Stühlen, Lounges, Gratissnacks und Getränke. Die Kinder können - wie auch bei der Deutschen Bank - in der unternehmenseigenen Kita betreut werden.

Kinder sind ein starker Motor dieser Veränderungen. Zu diesem Schluss kommen auch die Autoren des Buches. Wenn beide Eltern arbeiten gehen, sind starre Arbeitszeitmodelle einfach nicht möglich. Väter und Mütter brauchen Flexibilität - und wenn die Arbeitgeber nicht auf gute Leute verzichten wollen, müssen sie mehr bieten als den täglichen 9-Stunden-Job. Ein gutes Beispiel sei die britische Firma Metal Industries, sagt Maitland.

Der Hersteller von Automobilzubehör hat rund 100 Mitarbeiter und fast 50 verschiedene Arbeitsmodelle. Einem ihrer Ingenieure habe das Unternehmen von sich aus flexible Arbeitszeiten angeboten, als seine Frau das erste gemeinsame Kind erwartete. "Die Firma hat über seine Bedürfnisse nachgedacht und wie die sich durch die Vaterschaft ändern werden. Und der Grund, warum sie das machten, war, dass sie ihn nicht an eine andere Firma verlieren wollten, die ihm eher entgegen kommt", sagt Maitland.
Und natürlich spielen auch die 20- bis 30-jährigen, die derzeit auf den Arbeitsmarkt drängen, eine große Rolle. Diese sogenannte Generation Y sei es gewohnt, immer und überall an Informationen zu gelangen, einkaufen zu können, wann immer sie will - und dann soll arbeiten nur zu fixen Zeiten an einem speziellen Ort möglich sein?

Auch der Fließbandarbeiter soll selbstbestimmen

Der Schreibtisch im Wandel der Zeit
Die 70er-JahreAkten, Stempel, Telefon mit Wählscheibe: ein typischer Schreibtisch aus den 1970er Jahren. Rauchen am Arbeitsplatz war kein Problem, auch ein Gläschen Alkohol war nicht tabu.
Die 1980er-JahreTaschenrechner und Digitaluhren halten in den 1980er-Jahren Einzug ins Büro. Das Telefon bekommt Tasten - geschrieben wird aber noch weitgehend auf der Schreibmaschine.
Die 1990er-JahreIn den 1990er-Jahren löst der Computer die Schreibmaschine ab. Briefe werden am eigenen Arbeitsplatz ausgedruckt und per Fax verschickt, die Daten auf kleinen Disketten gespeichert.
Die 00er-JahreNotebooks lösen stationäre Computer ab. Das Faxgerät kann nun auch drucken, kopieren und scannen. Der Kaffee kommt nicht mehr aus der Büroküche, sondern vom Coffeeshop um die Ecke.
Die 10er-JahreDer eigene Schreibtisch wird zur Ausnahme, die Arbeitsfläche kleiner, gearbeitet wird auch mal im Stehen. Daten werden elektronisch archiviert, der Bildschirm wird größer, die Tastatur schrumpft.

Dieses Arbeitsmodell des von oben bestimmten Jobs stamme aus der industriellen Zeit, sagt Maitland. Der, der am längsten im Büro bleibt, bekommt die meiste Anerkennung, gilt als besonders ehrgeizig oder fleißig. Das sorge dafür, dass Leute im Büro sitzen, weil es von ihnen erwartet wird - ob sie etwas zu tun haben, oder nicht. "Ich habe von einer Anwältin erfahren, deren Chef von ihr erwartet, dass sie jeden Samstag ins Büro kommt, auch wenn es nichts zu tun gibt“, erzählt Maitland. "Das muss nicht sein, wenn die Technik uns Informationen jederzeit überall hinliefert. Gerade jetzt, wo wir auch Cloud Computing haben, macht es keinen Sinn."


Die Leute ins Büro zu beordern, garantiere schließlich nicht, dass dort auch Werte geschaffen werde. "Es ist eine Illusion zu glauben, dass Manager überprüfen können, dass die Leute produktiv arbeiten, nur weil sie sie an ihren Computern sehen." Deshalb, so Maitland, sollten Angestellte nach ihren Ergebnissen bewertet und belohnt werden und nicht nach der Zeit, die sie im Büro verbringen.Und wer ergebnisorientiert bezahlt wird, arbeitet – so die theorie – schneller und effektive, als derjenige, der sein Geld so oder so bekommt, weil er der Anwesenheitspflichtgenüge getan hat.
Alison Maitland sagt dazu: "Ich glaube, es spielt in vielen Jobs keine Rolle, ob die Menschen Mittwochmittag um drei Tennis spielen oder Donnerstagmorgen einkaufen gehen oder Zeit mit ihren Kindern verbringen - so lange sie ihre Arbeit erledigen." Außerdem gebe es viele Studien, die belegen, dass Leute wesentlich produktiver sind, wenn sie zuhause arbeiten.
Natürlich ist ein solches Arbeitsmodell nicht auf alle Berufe anwendbar: Eine Krankenschwester, ein Dachdecker oder Polizist können sich Arbeitsplatz – und auch die Zeit – nur schwer aussuchen. Und auch der Schlosser kann seine Maschine schlecht mit nach Hause nehmen. "Dieses immer und überall arbeiten können, gilt hauptsächlich für Leute, die mit dem Kopf arbeiten. Die ihr Wissen im Laptop herumtragen oder Cloud Computing nutzen können", sagt Maitland.

Angestellten mehr Autonomie zugestehen

Dennoch könne die Art, Arbeit zu organisieren, auch hier mehr in die Verantwortung derer fallen, die sie auch verrichten. "Die Krankenschwester kann ihren Bericht genauso gut zu hause oder im Café schreiben, wie auf Station", sagt Maitland. Und warum sollte der Fließbandarbeiter seine Schichten nicht selber aussuchen können? "Manager müssen Arbeit als Handlung mit vielen verschiedenen Aufgaben verstehen. Und nicht alle Aufgaben müssen zu fixen Zeiten an fixen Orten erledigt werden." Nur die Bereiche der Arbeit sollten eingeschränkt werden, bei denen es auch nötig ist.
So haben sich beispielsweise im britischen Gesundheitssystem Strukturen gebildet, wo Krankenschwestern und -pfleger ihre Schichten selbst organisieren. Und trotzdem sind die Patienten rund um die Uhr versorgt. Maitland erwähnt außerdem das Beispiel einer Londoner Bäckereikette, die darauf reagieren mussten, dass die Kunden nicht mehr nur morgens frisches Brot wollten, sondern auch mittags und abends. Die Geschäftsführung habe ihre Angestellten gefragt, wie sie auf das veränderte Einkaufsverhalten reagieren würden: "Die kamen zurück mit neuen Schichtplänen, die Arbeit und Privatleben der Angestellten vereinfachen.“ Das Management setzte die Ideen in die Tat um, die Verkaufszahlen stiegen und die Angestellten fühlten sich wohler als mit ihren fixen, nächtlichen Arbeitszeiten.

"Sie müssen den Leuten mehr Autorität zugestehen und sie als Erwachsene behandeln“, sagt Maitland. Unabhängig vom Beruf haben die Angestellten vielleicht die beste Erfahrung damit, wie die Dinge funktionieren – schließlich stehen sie an vorderster Front.

Das Buch:

Maitland/Thompson - Future Work: How Businesses Can Adapt and Thrive in the New World of Work (Palgrave Macmillan Verlag)

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