Es gibt Sätze, die erwartet man nicht aus dem Mund eines Londoner Unternehmensberaters. Schon gar nicht, wenn es um das Miteinander im Kollegenkreis geht. „Wir sind hier alle Freunde“, ist so ein Satz. Die Managementforscherin Jana Costas hörte ihn vor ein paar Jahren von einem Berater der ZOI Consulting.
Das Unternehmen heißt eigentlich anders und gehört zu den Großen der Branche, Costas anonymisierte es für eine Fallstudie. So wie Primatenforscher durch den ivorischen Dschungel pirschen, um das komplexe Sozialverhalten von Schimpansen zu studieren, hatte sich Costas in die Bürowildnis hinausgewagt, um über vier Monate hinweg die Unternehmenskultur in der Beratungsfirma zu untersuchen. Ihre Aufzeichnungen lesen sich verblüffend.
Bei ZOI Consulting fand Costas zunächst eine „Kultur der Freundschaft, die großen Wert auf individuelle Wahlmöglichkeiten, Offenheit, Gleichheit und Vielfalt legt“. Keine Spur von übertriebenem Ehrgeiz, Machtspielchen und immensem Druck. Alle kannten sich, mochten sich, redeten miteinander. Zu den regelmäßigen Veranstaltungen gehörten sogar gemeinsame Abende im Pub, an denen vom Analysten bis zum Direktor die ganze Abteilung teilnahm. Klingt verlockend. Oder etwa nicht?
Tipps für den gelungenen Smalltalk
Zum Smalltalk gehört auch eine entsprechende Körperhaltung: Es geht um eine nette, harmlose Plauderei, also beginnen Sie diese mit einem netten Lächeln. Und verschränken Sie die Arme nicht vor der Brust und verstecken Sie Ihre Hände nicht hinter dem Rücken oder in den Hosentaschen.
Smalltalk betreiben wir meist mit Menschen, die wir nicht besonders gut kennen. Deshalb ist es wichtig, einen angenehmen Gesprächsabstand einzuhalten. Wer seinem Gegenüber zu dicht auf die Pelle rückt, darf sich nicht wundern, wenn er sich unbeliebt macht.
Am liebsten smalltalken die Deutschen über ihren Urlaub, Ärger mit Handwerkern, ihre Hobbies, Berufliches oder die Gesundheit.
Vermeiden Sie die Themen Politik, Religion, Geld und private Probleme: Solche Themen sind nur für den Freundes- oder Verwandtenkreis bestimmt. Für eine unverbindliche Plauderei mit Fremden eignen sie sich nicht.
Auch wenn es sich um Ihren absoluten Lieblingswitz handelt, beginnen Sie ein Gespräch bitte nicht mit: „Kennen Sie den?...“ Niemand hat etwas gegen humorvolle Bemerkungen und Schlagfertigkeit, aber Sprücheklopfer und Witzbolde kommen einfach nicht gut an.
Bringen Sie Ihr Gegenüber dazu, etwas zu erzählen. Wer geschlossene Fragen stellt, auf die der Gesprächspartner nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann, schafft keine angenehme Gesprächsatmosphäre. Versuchen Sie es lieber mit einer Frage wie „Woher kennen Sie den Gastgeber?“
Achten Sie darauf, neutrale Fragen zu stellen und freundlich zu bleiben. Wer fragt: „Finden Sie Fußball auch so doof?“ wird es sich mit einem eingefleischten Fan verscherzen. Dann lieber fragen, was das Gegenüber beruflich macht. Zur Not reden Sie über das Wetter, das geht immer.
Damit sich wirklich ein nettes Gespräch ergibt, müssen Sie natürlich nicht nur Fragen stellen, sondern auch zuhören. Schenken Sie Ihrem Gegenüber also die volle Aufmerksamkeit, auch wenn Sie sich über belanglose Themen unterhalten. Sonst verliert er schnell die Lust am Gespräch mit Ihnen.
Auch wenn Lästern im Freundeskreis Spaß macht, beim Smalltalk sollten Sie es sich sparen. Es fällt nur negativ auf Sie zurück. Zuhörer übertragen jene Eigenschaften, die Person A einer Person B andichtet, unbewusst und automatisch auf Person A. Ebenfalls verzichten sollten Sie auf prahlerische Redebeiträge nach dem Motto „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht“.
Wenn man schon täglich mindestens acht Stunden mit seinen Kollegen im gleichen Raum verbringen muss, sollte man doch eigentlich froh sein, wenn man sich dabei auch noch gut versteht. Tatsächlich bestätigen einige arbeitspsychologische Studien diese Ansicht.
Patricia Sias zum Beispiel, Forscherin an der Universität von Arizona, untersucht seit vielen Jahren soziale Beziehungen in Unternehmen. Freundschaften hätten größtenteils positive Effekte, sowohl auf Mitarbeiter als auch auf die ganze Organisation.
Kein Wunder, einerseits. Freunde im Büro unterstützen sich emotional, weisen einander auf Fehler hin, teilen wichtige Informationen miteinander. Sie erleichtern Karriereschritte und schützen gleichzeitig vor Angriffen von Kollegen oder Druck von Vorgesetzten.
Was man seinen Kollegen geben kann
Oft mühen sich Menschen mit Aufgaben, die nicht ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechen. Helfen Sie anderen, an Projekten zu arbeiten, die ihnen mehr Entwicklungsmöglichkeiten bieten.
Viele Mitarbeiter weigern sich, Zeit und Wissen mit Kollegen zu teilen. Belohnen Sie Leute, die ihre Zeit und Informationen auch anderen zukommen lassen.
Stellen Sie Personen aus Ihrem Netzwerk mit ungewöhnlichen Gemeinsamkeiten einander vor. Suchen Sie einmal im Monat eine Person, mit der Sie lang nicht gesprochen haben. Finden Sie heraus, woran sie arbeitet, und fragen Sie, ob Sie helfen können.
Werden Sie vom Antworter zum Fragesteller: Oft erzielt man eine größere Wirkung, wenn man weiß, was man fragen muss, als zu wissen, was man sagen will.
Helfen Sie großzügig und ohne Hintergedanken. Aber bitten Sie auch um das, was Sie benötigen. Geber freuen sich, ihre Werte zu demonstrieren und sich anerkannt zu fühlen.
Es muss nicht immer die große Geste sein: Suchen Sie Möglichkeiten, anderen mit minimalem persönlichem Aufwand zu helfen.
Außerdem ist erwiesen, dass Freundschaften zwischen Mitarbeitern die Kreativität erhöhen. Gute Beziehungen steigern das individuelle Sicherheitsgefühl, deshalb trauen Mitarbeiter sich eher, Neues auszuprobieren. Außerdem können Freundschaften im Job das Wohlbefinden verbessern und die Kündigungen verringern.
Eines der ungewöhnlichsten Freundschaftspärchen der deutschen Wirtschaft bildeten der einstige Telekom-CEO René Obermann und sein heutiger Nachfolger und damaliger Finanzvorstand Timotheus Höttges. Bis zu Obermanns Scheidung von seiner ersten Frau waren die beiden Nachbarn und gingen morgens gemeinsam am Rhein joggen.
Kollegen zu Freunden machen?
Müssen wir also nur alle Kollegen zu Freunden machen, „Frollegen“ werden, und alles wird gut? Für rund ein Drittel aller deutschen Arbeitnehmer, die nach einer Studie des Beratungsunternehmens Gallup einen sehr guten Freund innerhalb der Firma haben, wären das gute Nachrichten. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn Freundschaften im Büro haben auch Nachteile.
Einige fand Jana Costas in ihrer Beraterstudie. Nach dem ersten Pub-Abend mit den Bürofreunden von ZOI Consulting führte sie mehr als 40 Interviews in der Firma. Die Ergebnisse enttarnen das Kumpel-Gerede als mehr oder minder hohle Fassade. Fazit: Die offene, freundschaftliche Atmosphäre wird vor allem deshalb vom Management geduldet und weiter kultiviert, weil sie eine perfide, aber effiziente Form der Kontrolle schafft.
Hierarchiefreie Kumpanei mit Vorgesetzten sei nur an der Oberfläche wirklich gleichberechtigt. Als ungeschriebene Regel gelte trotzdem, dass Autorität zu respektieren ist. Schlimmer noch: Soziale Kontakte außerhalb des Unternehmens würden verdrängt durch Kontakte mit Kollegen, damit die Mitarbeiter auch wirklich jede wache Minute der Firma widmen. Freundschaft am Arbeitsplatz, schreibt Costas, sollte deshalb nicht romantisiert werden.
Die Chef-Checkliste zur sozialen Kompetenz
Können Sie sich im "Hier und Jetzt" spürbar auf Ihre Führungsaufgabe einlassen? Sind Sie offen und ansprechbar? Hören Sie aktiv dazu?
Hören Sie sich alle Meinungen an und würdigen Sie die verschiedenen Sichtweisen, bevor Sie sich (vorschnell) ein Urteil bilden?
Stehen Sie hinter dem, was Sie sagen? Können Sie diese Haltung gegenüber dem Team ebenso wie nach außen vertreten?
Bleiben Sie auch in schwierigen Situationen standfest, um Ihr Gegenüber von Ihrem Standpunkt zu überzeugen?
Unterschiedliche Ziel- und Wertvorstellungen führen zwangsläufig zu Konflikten. Erkennen und bewältigen Sie diese Konflikte? Erreichen Sie in Mitarbeitergesprächen konstruktive Lösungen?
Sind Sie in der Lage, Mitarbeiter und Kollegen schnell einzuschätzen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen zu erkennen?
Besitzen Sie das notwendige Einfühlungsvermögen, um Ihre Mitarbeiter zu verstehen und in der Folge leichter von einer Sache zu überzeugen?
Wenn es nicht "rund" läuft: Sprechen Sie das Problem offen an? Stehen Sie hinter ihren Leuten, auch wenn sie Fehler machen?
Verhalten Sie sich integer und folgen Sie im Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen den Regeln des Fair Play?
Sind Sie in der Lage, Interaktionen und gruppendynamische Prozesse in Teams aktiv zu gestalten und effizient in und mit Teams zu kooperieren?
Doch kann man dieses von oben verordnete Zusammenrücken unter Kollegen überhaupt als Freundschaft bezeichnen? So vielschichtig und abstrakt der Begriff erscheint, gibt es unter Forschern doch Einigkeit über eine Sache, die einer echten Freundschaft immer zugrunde liegen muss: Vertrauen. Das hat auch Chad McBride in seinen Studien festgestellt. Der Psychologe der Creighton-Universität im amerikanischen Omaha erforscht gerade eine besonders tiefe Form der Arbeitsfreundschaft, die er „Work Spouse“, also Arbeitsehepartner getauft hat. Was diese Beziehung ausmacht? Tiefes Vertrauen, über längere Zeit aufgebaut. Außerdem seien sich die Arbeitseheleute in Ansichten und Einstellungen ähnlich.
Das ist nur zum Teil scherzhaft gemeint. Oftmals verbringe man mit seinem „Work Spouse“ mehr Zeit als mit dem echten Partner. Diese innige Beziehung kann im Job Vorteile bringen. Doch was passiert, wenn einer der Arbeitseheleute plötzlich die Arbeitsscheidung einreicht? Oder der eine endlich eine ordentliche Gehaltserhöhung erhält, während der andere leer ausgeht?
Um solchen Konflikten vorzubeugen, sollte man vor allem unangebrachte Vertraulichkeit vermeiden – denn die schadet der Arbeit genauso wie der persönlichen Beziehung. Faustregel: Je größer die Konkurrenz
zwischen ebenbürtigen Kollegen oder je stärker die berufliche Abhängigkeit voneinander, desto heikler ist eine Freundschaft im Job.
Knigge für das Großraumbüro
Im Großraumbüro sitzen die Menschen selten freiwillig zusammen oder weil sie sich besonders sympathisch sind – sondern, weil sie es müssen. Deshalb ist es wichtig, den Abstand zur Intimsphäre der Kollegen zu wahren. Der beträgt rund 80 Zentimeter. Absolut tabu: Sich auf den Schreibtisch des Kollegen zu setzen.
Ob Windhund oder Mops: Rein rechtlich liegt es in der Hand des Arbeitgebers, ob ein Hund im Büro erlaubt ist oder nicht. Studien belegen, dass die Anwesenheit von Hunden das kollegiale Klima befördert und das Wohlbefinden der Mitarbeiter fördert. Einerseits. Doch Hunde haben nicht nur weiches Fell und lassen sich ohne Unterlass streicheln – sie bellen schon mal und riechen auch nicht immer angenehm. Wen das stört oder wer gar unter Hundehaarallergie leidet, sollte den Kollegen darauf aufmerksam machen. Und zur Not auch den Chef mit ins Boot holen.
In fast jedem sozialen Gefüge gibt es besondere Charaktere, die einen besonderen Umgang erfordern – zum Beispiel Choleriker. Das Tückische: Der Ausbruch kommt oft völlig unerwartet. Ist es dann so weit, sollte man nicht noch Feuer ins Öl gießen. „Spielen Sie den Anlass nicht herunter, aber geben Sie auch nicht zu stark Kontra“, rät Knigge-Experte Horst Hanisch. Etwa indem man dem unreifen Schreihals zumindest in einigen Punkten recht gibt.
Einmal akzeptiert, gibt es keinen Weg zurück: Wer sich aufs Duzen einlässt, kann es nur sehr schwer rückgängig machen. Deshalb sollte man sich genau überlegen, wie nah man Kollegen verbal kommt. Wer deutlich macht, lieber erst mal beim Sie bleiben zu wollen, begeht keinen Fauxpas. Eine vorläufige Absage impliziert nämlich auch, dass sich das künftig noch ändern kann.
Ob Döner mit Knoblauchsoße, Schnitzel mit Pommes oder eine Stulle mit Leberwurst: Nahrungsmittel haben am Arbeitsplatz grundsätzlich nichts zu suchen. Und das nicht nur aus hygienischen Gründen: Das Mittagessen am Schreibtisch einzunehmen ist schlicht ungesund.
Wegen eines lockeren Spruchs sollte das Bürogefüge nicht gleich ins Wanken geraten. Aber nicht jeder Kollege kann mit flapsigen Bemerkungen umgehen. Also lieber eine Pointe zu wenig als eine zu viel.
Egal, ob der Kollege nebenan viel und laut telefoniert oder die Kollegin hinten links einen penetranten Klingelton eingestellt hat: Der Geräuschpegel ist Dauerstreitpunkt im Großraumbüro. Kleiner Trick, große Wirkung: Bitten Sie die Kollegen Bescheid zu sagen, wenn ein langes Telefonat ansteht – und kündigen an, das Büro während dieser Zeit zu verlassen. Dann sollte er merken, dass es Sie stört.
Jeder Mitarbeiter sollte seinen Arbeitsplatz sauber halten – abgekaute Apfelreste oder eine Sammlung leerer Pfandflaschen sind im Büro tabu.
Sprechen Sie Kritik immer als Ich-Botschaft aus: „Ich bin gegen Kälte sehr empfindlich – vielleicht könntest du das Fenster wieder schließen?“ So fühlt sich der Kollege nicht persönlich angegriffen.
Dieses Thema führt häufig zu Konflikten – Väter und Mütter schulpflichtiger Kinder wollen meist gleichzeitig frei nehmen, kinderlose Kollegen müssen die Stellung halten. Da empfiehlt sich frühzeitige Planung – am besten hängen Sie einen großen Plan sichtbar im Büro auf, dann sind alle auf dem gleichen Stand.
Karneval, Oktoberfest oder Halloween: Ob zu solchen Anlässen gefeiert werden soll, lässt sich in größeren Büros selten einstimmig lösen. Wenn jemand verkleidet im Büro erscheint, ist das meist in Ordnung. Wer aber auf laute Karnevals- oder Blasmusik und das Fässchen Bier nicht verzichten mag, eckt schon mal an. Am besten vorher erkundigen, wie die Kollegen das in der Vergangenheit gehandhabt haben.
Auch wenn es nur eine Büroklammer ist: Sich etwas ungefragt vom Tisch des Kollegen zu leihen ist tabu. Auch schlecht: Sich munter am Kaffee zu bedienen, ohne sich finanziell zu beteiligen.
Ob kurzes Röckchen, knielange Shorts oder schulterfreies Oberteil: Wer sich vom Anblick nackter Haut gestört fühlt, sollte das ansprechen. Weisen Sie den Kollegen einfach höflich auf den Büro-Dresscode hin.
Ein Großraumbüro ist nichts anderes als eine große, sozial sensible Zone – da muss jeder Mitarbeiter auch mal schlucken, was ihn nervt. „Stört aber etwas so penetrant, dass die eigene Arbeit davon beeinträchtigt wird, muss es natürlich angesprochen werden“, sagt Knigge-Experte Horst Hanisch.
Kollegen, die immer alles besser wissen, gibt es in jeder Bürogemeinschaft. Wenn es Ihnen zu viel wird, müssen Sie den Kollegen ansprechen. Weisen Sie höflich darauf hin, dass Sie seinen Rat sehr zu schätzen wissen, aber ihre Arbeit machen müssen.
Sie haben den Kollegen schon gefühlte 20 Mal auf seine nervigen Privattelefonate angesprochen und trotzdem beschallt er das Büro täglich mit seinen Problemen? Suchen Sie den Kollegen erneut auf und machen Sie deutlich, dass Sie sich ja nicht beim Chef beschweren wollen, aber langsam wisse man einfach nicht weiter. Passiert wieder nichts, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten.
Ein kurzes Gespräch mit dem Kollegen ist auch im Großraumbüro erlaubt – sollte es allerdings länger als ein paar Minuten dauern, ist es höflicher sich in die Küche oder einen Besprechungsraum zurückzuziehen.
Vom Rosenblüten-Raumspray bis zum Pausenbrot mit altem Gouda: Gerüche können so nerven wie die Lautstärke – jeder Kollege ist an anderer Stelle sensibel. Grundsätzlich sollten Sie auf Extreme verzichten – was den einen erfrischt, könnte der Büronachbar als unangenehm empfinden.
Jegliche Art von Bildern oder Sprüche mit sexistischen, politischen oder religiösen Motiven haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen.
Frischluftfanatiker versus Heizkörperhocker – dieser Konflikt ist vermutlich genauso alt wie das Großraumbüro selbst. Da gibt’s nur eines: Miteinander reden und einen Kompromiss schließen.
Geben Sie ihren Kollegen immer erst die Chance, ihr Verhalten zu ändern. Direkt mit dem Gang zum Chef zu drohen schießt über das Ziel hinaus und wirkt auf Dauer unglaubwürdig.
Ob Einzelkemenate oder Massenbüro: Kranke Mitarbeiter sollten grundsätzlich zu Hause bleiben. Aber gerade im Großraumbüro kann ein mit Viren verseuchter Kollege verheerenden Schaden anrichten.
„Sprechen Sie Konflikte nicht im Eifer des Gefechtes an, sondern atmen Sie erst einmal tief durch und lassen Sie etwas Zeit vergehen“, sagt Knigge-Experte Hanisch. Suchen Sie das Gespräch an einem neutralen Ort, wie etwa der Kaffeeküche und nicht vor den anderen Kollegen.
Xenophobie – also die feindliche Einstellung gegenüber Fremden – hat im Großraum wirklich keinen Platz. Diese Kollegen sollten sich schleunigst ein Einzelbüro suchen.
Wenn der Kollege vor seinem Bildschirm regelmäßig einen Lachanfall bekommt oder das Video gar ohne Kopfhörer anschaut, sollten Sie das Gespräch suchen – am Arbeitsplatz hat das nichts verloren.
Der Schreibtisch sollte in erster Linie Arbeitsplatz sein und kein Ausstellungsort für Souvenirs, Porzellanpuppen oder andere Sammelleidenschaften. Grundsätzlich ist es positiv, wenn sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, aber auch hier gilt: Die eigene Freiheit endet dort, wo die des Kollegen beginnt.
Heißt konkret: Verzichten Sie im Zweifelsfall auf alle Informationen, die das Gegenüber belasten könnten. Und wägen Sie ab, wie weit Sie im Vertrauen Persönliches preisgeben, das eines Tages gegen Sie verwendet werden könnte – zum Beispiel heikle Themen wie Krankheiten oder Beziehungsprobleme. Sie können zwischenmenschliche Probleme potenzieren: „Konflikte sind unter Büro-Freunden zwar eher selten“, sagt die Psychologin Sabine Hommelhoff vom Lehrstuhl für Psychologie im Arbeitsleben an der Universität Erlangen-Nürnberg, „dafür aber umso schmerzhafter.“
Der Grund: Es werden gleich zwei Beziehungen belastet, die kollegiale und die freundschaftliche. Die häufigste Ursache dafür liegt in einem Grundwiderspruch der Büro-Buddys. Der Arbeitsplatz ist ein Ort, an dem gemeinhin Transaktionsnormen gelten: Man erwartet für seine eigene Handlung eine Gegenleistung. In einer Freundschaft aber soll es um das Wohl des anderen gehen, ohne dass man selbst etwas dafür erwartet. „Das passt oft nicht zusammen und führt zu Konflikten“, sagt Hommelhoff.
Wenn einer befördert wird, der andere aber nicht
Kompliziert werde es, wenn eine Freundin befördert wird, die andere aber nicht. „Eine Studienteilnehmerin hat mir erzählt, dass sie eine Beförderung abgelehnt hat, aus Angst, die Freundschaftsbeziehung könnte leiden“, so Hommelhoff. Keine Frage, hinter einem solchen Akt der Selbstsabotage steckt falsch verstandene Loyalität – und die macht am Ende beide Freunde unglücklich.
Ein Patentrezept für richtiges Handeln gibt es nicht, die angemessenen Reaktion hängt vom Einzelfall ab. Klar ist: Missgunst hilft nie. Nicht unter Kollegen, schon gar nicht unter Freunden. Ehrlichkeit dagegen schon. Wenn sich ein Freund ungerecht behandelt fühlt, sollte er das sagen. Doch gerade in persönlichen Beziehungen sollte Kritik immer sachlich bleiben. Private und professionelle Konflikte sollte man keinesfalls vermischen.
In einem freundschaftlichen Unternehmen gibt es aber längst nicht nur Probleme auf der individuellen Ebene, wie Sabine Hommelhoff herausfand. In einem Experiment bemerkte sie, dass darunter schlimmstenfalls die ganze Organisation leidet. Dazu manipulierte sie Stellenanzeigen so, dass diese das inserierende Unternehmen entweder als freundschaftlichen oder als gewinnorientierten Arbeitsplatz darstellten. Im Anschluss befragte sie die Bewerber, welche Erwartungen sie an das Leistungsniveau im Unternehmen hatten.
Das Ergebnis: Freundschaftlich formulierte Stellenanzeigen führen zu sinkenden Leistungserwartungen. Hommelhoff warnt Unternehmen daher davor, die kollegiale Kuschelatmosphäre allzu sehr zu betonen: „Man denkt automatisch, wenn wir alle Freunde sind, dann kommt’s ja wohl nicht darauf an, wie viel ich hier leiste, sondern darauf, dass wir uns gut verstehen.“ Und das hat letztendlich noch keinem Unternehmen genutzt.
Es gibt also auch ein Zuviel an Freundschaft. Die Psychologen Rachel Morrison und Terry Nolan sehen Freundschaften zwischen Kollegen daher als Gratwanderung zwischen Loyalität und Leistungsbereitschaft. Ob sie funktioniert, hänge auch davon ab, wie man mit diesen Widersprüchen umgeht, schreiben die Forscher der Universität von Auckland in einem Forschungspapier.
Das Problem: Objektive Beurteilung der Arbeitsleistung einerseits und gleichzeitig bedingungslose emotionale Unterstützung andererseits sind nur schwer zu vereinbaren. Freundschaften könnten deshalb von der eigentlichen Arbeit ablenken, was dem Unternehmen ebenfalls schadet. „Menschen bewerten im Zweifel ihre Freundschaft höher als das Wohl der Organisation“, schreiben Morrison und Nolan. Sie schlagen deshalb einen Kompromiss vor. „Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Freundschaften und einer freundschaftlichen Atmosphäre“, so die Psychologen. Während Ersteres für manche wichtig sein kann, aber auch viel Aufwand verlangt und große Risiken birgt, sei Zweiteres oft die bessere Lösung.
Ein gutes Gefühl könnten aber auch Beziehungen vermitteln, die nicht ganz so tief gehen. „High-Quality Connections“ nennt die Psychologin Jane Dutton diese kurzen, aber intensiven positiven Momente, die man in vielen Arbeitssituationen herstellen kann. Wichtig sei dabei nicht, ob die Interaktion besonders lang oder besonders häufig auftritt – sondern dass man seinem Gegenüber aufmerksam und anerkennend begegne. Egal, ob das der Kaffeeverkäufer im Bistro oder die Kollegin aus der Buchhaltung ist.
Duttons Ansatz passt perfekt in eine Arbeitswelt, in der persönliche Kontakte im Unternehmen ohnehin schon kürzer und seltener werden. Befristungen sind Standard, Jobwechsel häufig, Telearbeit gehört zum Alltag. Die Vorteile, so die Forscherin, seien eindeutig: Nach einer solchen Begegnung fühlten sich Menschen lebendiger, stärker wertgeschätzt und weniger gestresst. Ohne den Überbau der Freundschaft – und ohne dass das Büro zur emotionalen Kältekammer verkommt.