Büro-Freundschaften Lass uns lieber Kollegen bleiben

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Wenn einer befördert wird, der andere aber nicht

Kompliziert werde es, wenn eine Freundin befördert wird, die andere aber nicht. „Eine Studienteilnehmerin hat mir erzählt, dass sie eine Beförderung abgelehnt hat, aus Angst, die Freundschaftsbeziehung könnte leiden“, so Hommelhoff. Keine Frage, hinter einem solchen Akt der Selbstsabotage steckt falsch verstandene Loyalität – und die macht am Ende beide Freunde unglücklich.

Ein Patentrezept für richtiges Handeln gibt es nicht, die angemessenen Reaktion hängt vom Einzelfall ab. Klar ist: Missgunst hilft nie. Nicht unter Kollegen, schon gar nicht unter Freunden. Ehrlichkeit dagegen schon. Wenn sich ein Freund ungerecht behandelt fühlt, sollte er das sagen. Doch gerade in persönlichen Beziehungen sollte Kritik immer sachlich bleiben. Private und professionelle Konflikte sollte man keinesfalls vermischen.

In einem freundschaftlichen Unternehmen gibt es aber längst nicht nur Probleme auf der individuellen Ebene, wie Sabine Hommelhoff herausfand. In einem Experiment bemerkte sie, dass darunter schlimmstenfalls die ganze Organisation leidet. Dazu manipulierte sie Stellenanzeigen so, dass diese das inserierende Unternehmen entweder als freundschaftlichen oder als gewinnorientierten Arbeitsplatz darstellten. Im Anschluss befragte sie die Bewerber, welche Erwartungen sie an das Leistungsniveau im Unternehmen hatten.

Das Ergebnis: Freundschaftlich formulierte Stellenanzeigen führen zu sinkenden Leistungserwartungen. Hommelhoff warnt Unternehmen daher davor, die kollegiale Kuschelatmosphäre allzu sehr zu betonen: „Man denkt automatisch, wenn wir alle Freunde sind, dann kommt’s ja wohl nicht darauf an, wie viel ich hier leiste, sondern darauf, dass wir uns gut verstehen.“ Und das hat letztendlich noch keinem Unternehmen genutzt.

Es gibt also auch ein Zuviel an Freundschaft. Die Psychologen Rachel Morrison und Terry Nolan sehen Freundschaften zwischen Kollegen daher als Gratwanderung zwischen Loyalität und Leistungsbereitschaft. Ob sie funktioniert, hänge auch davon ab, wie man mit diesen Widersprüchen umgeht, schreiben die Forscher der Universität von Auckland in einem Forschungspapier.

Das Problem: Objektive Beurteilung der Arbeitsleistung einerseits und gleichzeitig bedingungslose emotionale Unterstützung andererseits sind nur schwer zu vereinbaren. Freundschaften könnten deshalb von der eigentlichen Arbeit ablenken, was dem Unternehmen ebenfalls schadet. „Menschen bewerten im Zweifel ihre Freundschaft höher als das Wohl der Organisation“, schreiben Morrison und Nolan. Sie schlagen deshalb einen Kompromiss vor. „Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Freundschaften und einer freundschaftlichen Atmosphäre“, so die Psychologen. Während Ersteres für manche wichtig sein kann, aber auch viel Aufwand verlangt und große Risiken birgt, sei Zweiteres oft die bessere Lösung.

Ein gutes Gefühl könnten aber auch Beziehungen vermitteln, die nicht ganz so tief gehen. „High-Quality Connections“ nennt die Psychologin Jane Dutton diese kurzen, aber intensiven positiven Momente, die man in vielen Arbeitssituationen herstellen kann. Wichtig sei dabei nicht, ob die Interaktion besonders lang oder besonders häufig auftritt – sondern dass man seinem Gegenüber aufmerksam und anerkennend begegne. Egal, ob das der Kaffeeverkäufer im Bistro oder die Kollegin aus der Buchhaltung ist.

Duttons Ansatz passt perfekt in eine Arbeitswelt, in der persönliche Kontakte im Unternehmen ohnehin schon kürzer und seltener werden. Befristungen sind Standard, Jobwechsel häufig, Telearbeit gehört zum Alltag. Die Vorteile, so die Forscherin, seien eindeutig: Nach einer solchen Begegnung fühlten sich Menschen lebendiger, stärker wertgeschätzt und weniger gestresst. Ohne den Überbau der Freundschaft – und ohne dass das Büro zur emotionalen Kältekammer verkommt.

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