Burnout Schlechte Chefs lassen ihre Leute ausbrennen

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Fehlende Freiheit macht krank

Von diesen Arbeitgebern sollten Sie sich fern halten
Unseriöse ÜbertreibungenNatürlich macht jeder Betrieb in einer Stellenanzeige Werbung für sich selbst. Ganz so, wie es der Bewerber auch in seinem Anschreiben tut. Aber: je voller die jeweilige Seite den Mund nimmt, desto verdächtiger macht sie sich. Kein Unternehmen zahlt ihren Angestellten für das Zusammenschrauben von Kugelschreibern in Heimarbeit 5000 Euro und mehr im Monat und auch die Häufung von Superlativen sollte Bewerber stutzig machen. Quelle: dpa
Ungerechtfertigter Einsatz von HeadhunternGroße Unternehmen greifen gerne auf Headhunter zurück. Allerdings nur, wenn sie Topleute suchen: einen neuen CEO, neue Mitglieder für den Aufsichtsrat oder zumindest für die obere Managementabteilung. Nach einem Pförtner oder einer neuen Sekretärin suchen Betriebe im Normalfall aber auf dem Standardweg, nämlich per Ausschreibung. Sollte ein Headhunter auf Sie zukommen, um Sie als Spülkraft anzuwerben, stimmt irgendetwas nicht. Dann sollten Sie zumindest rausfinden, warum die Belegschaft offensichtlich nichts von der vakanten Stelle erfahren soll. Quelle: Fotolia
Unübersehbare PräsenzDas Gegenteil der heimlichen Suche ist die Omnipräsenz der Stellenanzeige: Sie taucht in regelmäßigen Abständen überall auf. Sie sollten sich in diesem Fall überlegen, warum die Stelle auch über einen langen Zeitraum nicht besetzt wird - oder warum sie alle zwei Monate neu ausgeschrieben ist. Quelle: Fotolia
Unpassendes AnzeigenformatDas Format der Stellenanzeige muss kein Anzeichen dafür sein, ob sich ein Unternehmen als Irrenhaus entpuppt oder nicht, dennoch sollten sich Bewerber bei folgenden Fällen Gedanken machen:1.) Die kleine 3-Mann-Agentur, die sich erst vor wenigen Wochen gegründet hat, schaltet eine doppelseitige Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung, am Besten noch in Farbe und mit Leuchtschrift.2.) Das international agierende Großunternehmen (von dem Sie noch nie etwas gehört haben) schaltet eine 2x2 Zentimeter große Anzeige in der kostenlosen Mittwochszeitung, direkt neben der Rubrik "gesucht und gefunden". Quelle: Fotolia
Unangenehme Nicht-KommunikationSie haben sich auf eine Stelle beworben und es kommt - nichts. Wochenlang bekommen Sie weder eine E-Mail noch sonst irgendeine Rückmeldung, dass Ihre Bewerbung eingegangen ist. Sollten Sie dennoch nach sechs, acht, zehn, zwölf oder noch mehr Wochen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, sollten Sie genauer hinschauen: War nur der entsprechende Mitarbeiter in der Personalabteilung krank oder gehören Unhöflichkeit und schlechte Kommunikation zum normalen Umgang mit Mitarbeitern? Quelle: Fotolia
Unangebrachte SparsamkeitLaut Bürgerlichem Gesetzbuch müssen Unternehmen ihren Bewerbern die Anreisekosten zum Vorstellungsgespräch erstatten. Wenn schon in der Ausschreibung oder in der Einladung zum Gespräch steht, dass Sie diese Kosten selbst zu tragen haben, erwarten Sie zumindest kein besonders attraktives Gehalt oder angenehme Gehaltsverhandlungen. Quelle: Fotolia
Untrügliche ArbeitsatmosphäreSie haben es zum Gespräch geschafft, der Personaler und der potentielle neue Chef behandeln Sie mit ausgesuchter Freundlichkeit. Nur auf den Fluren herrscht eine eisige Stimmung, und die Sekretärin hat vor Ihnen weinend das Zimmer verlassen? Dann denken Sie da mal drüber nach. Quelle: Fotolia

Das bekannteste Modell zur Erklärung von Arbeitsstress und dadurch bedingten psychischen Störungen stammt von dem Soziologen Robert Karasek: Die Gefahr liegt nicht allein in hohen Arbeitsanforderungen und auch nicht nur im fehlendem Handlungsspielraum, sondern sie steigt bei einer Kombination von beidem.

Andreas Seidler, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin an der Technischen Universität Dresden, hat in einem internationalen Kooperationsprojekt über 4000 Studien zu seelischen Krankheiten und Arbeitsbedingungen gesichtet: "Die Ergebnisse unserer systematischen Auswertung zeigen eine klaren Zusammenhang zwischen den psychosozialen Arbeitsbedingungen und dem Ausbruch von Burnout, depressiven Beschwerden bis hin zu einer schweren Depression."

Was die Deutschen bei der Arbeit krank macht
Die Liste prominenter Namen ist lang: Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck, Schauspielerin Renée Zellweger, Fernsehkoch Tim Mälzer, Skispringer Sven Hannawald, Profifußballer Sebastian Deisler und auch die Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel. Ihre Gemeinsamkeit: Wegen völliger Erschöpfung zogen sie die Reißleine. Aber es trifft nicht nur Prominente. Psychische Erkrankungen sind der Grund Nummer eins, warum Arbeitnehmer eine Auszeit brauchen - oder sogar in Frührente gehen. Ganze 41 Prozent der Frühverrentungen haben psychische Erkrankungen als Ursache. Diese nahmen laut Krankenkasse DAK-Gesundheit 2012 um vier Prozent zu, rückten erstmals auf Platz zwei aller Krankschreibungen hinter Muskel- und Skeletterkrankungen. Und die Ursachen für diese Krankheiten der Seele liegen oft im Job. Quelle: Fotolia
Die globalisierte Arbeitswelt, die internationalen Verflechtungen der Konzerne, der Konkurrenzdruck: All das zusammen erhöht die Anforderungen an die Beschäftigten. Ihre Arbeitstage werden immer länger, auch an den Wochenenden sitzen sie im Büro oder zu Hause am Schreibtisch, überrollt von einer Lawine von E-Mails. In dieser Tretmühle sind viele dann ausgelaugt, überfordert, verzweifelt, kraftlos. Der Akku ist - salopp gesprochen - leer. Quelle: Fotolia
Die Arbeitsbelastung führe zudem auch immer öfter zu Krankheiten, heißt es weiter. Klagten 2006 noch 43 Prozent über Rückenschmerzen waren es im vergangenen Jahr bereits 47 Prozent. Während 2006 nur 30 Prozent unter stressbedingten Kopfschmerzen litten, waren es 2012 bereits 35 Prozent. Die Anzahl der von nächtlichen Schlafstörungen geplagten Arbeitnehmern stieg von 20 auf 27 Prozent. Quelle: Fotolia
Am häufigsten belastet fühlen sich die Beschäftigten - 58 Prozent - nach dem neuen "Stressreport Deutschland 2012 " der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durch Multitasking, also das Sich-Kümmern-Müssen um mehrere Aufgaben gleichzeitig. Quelle: Fotolia
Jeder zweite der rund 18000 Befragten (52 Prozent) arbeitet unter starkem Termin- und Leistungsdruck. Laut BAuA hat sich der Anteil der von diesen Stressfaktoren betroffenen Beschäftigten auf dem relativ hohen Niveau des vergangenen Jahrzehnts stabilisiert. Jeder vierte (26 Prozent) lässt sogar die nötigen Ruhepausen ausfallen, weil er zu viel zu tun hat oder die Mittagspause schlicht nicht in den Arbeitsablauf passt. Quelle: Fotolia
Immerhin 43 Prozent klagen aber über wachsenden Stress innerhalb der vergangenen zwei Jahre. Außerdem wird fast jeder Zweite (44 Prozent) bei der Arbeit etwa durch Telefonate und E-Mails unterbrochen, was den Stress noch erhöht. Quelle: Fotolia
Insgesamt 64 Prozent der Deutschen arbeiten auch samstags, 38 Prozent an Sonn- und Feiertagen. So kommt rund die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten auf mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche, rund ein Sechstel arbeitet sogar mehr als 48 Stunden. Und das ist nicht gesund: Seit Längerem weisen Wissenschaftler auf einen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, psychischer Belastung und gesundheitlichen Beschwerden hin: Je mehr Wochenarbeitsstunden, desto anfälliger. Bei Menschen, die 48 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, ist die Gefahr für physische und psychische Erkrankungen am höchsten. Quelle: Fotolia

Und es zeigte sich, dass entsprechend dem Karasek-Modell insbesondere die Kombination von hohen Arbeitsanforderungen und niedrigem Tätigkeitsspielraum die mentale Gesundheit gefährdet. Aber Seidler und Kollegen konnten in der Meta-Analyse auch einen statistischen Zusammenhang für beide Komponenten finden, getrennt voneinander. "Ich würde also nicht sagen, dass die Anforderungen unendlich hoch sein können, ohne dass das zu psychischen Erkrankungen führt, wenn nur genug Handlungsspielraum vorhanden ist", sagt Seidler. "Wir haben festgestellt, dass hohe Arbeitsanforderungen ebenso wie geringer Tätigkeitsspielraum das Risiko einer Depression um jeweils 20 Prozent oder mehr steigern.“

Die Psychologin Beate Schulze, Leiterin "Kernkompetenz Stressmanagement" an der Universität Zürich und Vizepräsidentin des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout, hat in eigenen Studien ähnliches festgestellt. Wenn die Balance zwischen Arbeitsbelastung, Gestaltungsspielraum und Belohnungen nicht stimmt, ist die mentale Gesundheit der Arbeitnehmer gefährdet. Wenn dieser so genannte Person-Environment-Fit nicht stimmt, also die Menschen sich bei ihrer Arbeit fehl am Platz fühlen, leiden sie eher an psychischen Störungen.

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