Mehr als 250 Euro kostet jeder Tag Plackerei die Schüler der Akademie, doch damit erwerben sie gleichzeitig die Eintrittskarte in ein Milieu, in dem Luxus selbstverständlich ist. „Butler arbeiten überall dort, wo reiche Menschen sind. Die meisten Jobs gibt es derzeit in den USA und im arabischen Raum“, sagt Paul Huizinga, der die hauseigene Vermittlungsagentur der Schule leitet. „Doch vor allem China und Indien sind Wachstumsmärkte.“ Der Grund ist simpel: Noch nie gab es weltweit so viele reiche Menschen. Und da enormer Wohlstand meist einhergeht mit einer hohen Termindichte und wenig Freizeit, gönnen sich viele der oberen Eintausend einen Diener.
Die Regeln für diese Welt lernen Florian Lange und die anderen Schüler im täglichen Theorieunterricht mit Melchior van der Meulen. Der Lehrer hat graue Haare, trägt einen Siegelring und unter dem dunklen Anzug eine gelbe, akkurat gebundene Krawatte. Heute will er ein heikles Thema besprechen.
"James" aus Dinner for One ist ein schlechtes Beispiel
Die Schüler sitzen im Seminarraum an u-förmig angeordneten Tischen und blicken erwartungsvoll auf die Wand, auf der van der Meulen ein YouTube-Video startet. Die zwei Deutschen im Raum kichern wissend, die anderen runzeln die Stirn, als sie den Butler James sehen, wie er sich in „Dinner for One“ als Diener von Miss Sophie hemmungslos betrinkt. Als der Filmsketch endet, steht der Lehrer auf und fragt auf Englisch mit feinstem britischem Akzent: „Was meint ihr: Wenn der Hausherr mich auffordert, am Tisch mitzuessen – soll ich mich dazusetzen?“
Florian Lange meldet sich: „Ich lehne ab, denn es ist unangemessen für einen Butler, am selben Tisch zu speisen.“ Der Dozent widerspricht: „Wenn du ablehnst, denkt er, du würdest ihn nicht mögen und seine Befehle ignorieren.“ Eine junge Chinesin wirft ein: „Also setzen wir uns dazu?“ „Auf gar keinen Fall, du musst doch die Grenze bewahren!“, antwortet van der Meulen.
Kunst, Mode und Lifestyle statt politischer Themen
Als er gerade anfangen will, das korrekte Verhalten zu erklären, erblickt er auf dem Tisch eines Studenten ein englisches Nachrichtenmagazin. Abrupt bleibt er stehen und schnippt mit dem Finger: „Apropos! Was sind die heutigen Nachrichten? Stellt euch vor, ihr sitzt mit eurem Lord im Auto, und er möchte die Schlagzeilen hören!“ Ein Student trägt stolz die aktuellen Themen vor: Kampfjets in Syrien, Flüchtlinge in Deutschland. Nach einigen Sätzen unterbricht ihn der Lehrer: „Und wie finden Sie das?“ Als der Italiener zu sprechen beginnt, hebt der Lehrer seine flache Hand vor seine Brust: „Stop! Niemals mit dem Chef über Politik sprechen. Die einzigen Themen, die okay sind: Kunst, Autos, Mode, Restaurants, Essen und Trinken.“
Tipps für den gelungenen Smalltalk
Zum Smalltalk gehört auch eine entsprechende Körperhaltung: Es geht um eine nette, harmlose Plauderei, also beginnen Sie diese mit einem netten Lächeln. Und verschränken Sie die Arme nicht vor der Brust und verstecken Sie Ihre Hände nicht hinter dem Rücken oder in den Hosentaschen.
Smalltalk betreiben wir meist mit Menschen, die wir nicht besonders gut kennen. Deshalb ist es wichtig, einen angenehmen Gesprächsabstand einzuhalten. Wer seinem Gegenüber zu dicht auf die Pelle rückt, darf sich nicht wundern, wenn er sich unbeliebt macht.
Am liebsten smalltalken die Deutschen über ihren Urlaub, Ärger mit Handwerkern, ihre Hobbies, Berufliches oder die Gesundheit.
Vermeiden Sie die Themen Politik, Religion, Geld und private Probleme: Solche Themen sind nur für den Freundes- oder Verwandtenkreis bestimmt. Für eine unverbindliche Plauderei mit Fremden eignen sie sich nicht.
Auch wenn es sich um Ihren absoluten Lieblingswitz handelt, beginnen Sie ein Gespräch bitte nicht mit: „Kennen Sie den?...“ Niemand hat etwas gegen humorvolle Bemerkungen und Schlagfertigkeit, aber Sprücheklopfer und Witzbolde kommen einfach nicht gut an.
Bringen Sie Ihr Gegenüber dazu, etwas zu erzählen. Wer geschlossene Fragen stellt, auf die der Gesprächspartner nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann, schafft keine angenehme Gesprächsatmosphäre. Versuchen Sie es lieber mit einer Frage wie „Woher kennen Sie den Gastgeber?“
Achten Sie darauf, neutrale Fragen zu stellen und freundlich zu bleiben. Wer fragt: „Finden Sie Fußball auch so doof?“ wird es sich mit einem eingefleischten Fan verscherzen. Dann lieber fragen, was das Gegenüber beruflich macht. Zur Not reden Sie über das Wetter, das geht immer.
Damit sich wirklich ein nettes Gespräch ergibt, müssen Sie natürlich nicht nur Fragen stellen, sondern auch zuhören. Schenken Sie Ihrem Gegenüber also die volle Aufmerksamkeit, auch wenn Sie sich über belanglose Themen unterhalten. Sonst verliert er schnell die Lust am Gespräch mit Ihnen.
Auch wenn Lästern im Freundeskreis Spaß macht, beim Smalltalk sollten Sie es sich sparen. Es fällt nur negativ auf Sie zurück. Zuhörer übertragen jene Eigenschaften, die Person A einer Person B andichtet, unbewusst und automatisch auf Person A. Ebenfalls verzichten sollten Sie auf prahlerische Redebeiträge nach dem Motto „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht“.
Mit akkurater Schreibschrift schreibt Florian Lange mit. Jemand erinnert den Lehrer an das ungelöste Tischproblem. Lange schlägt vor, sich zu entschuldigen und zu sagen „dass ich ein anderes Mal gerne dabeisitzen werde, doch heute noch etwas in der Küche zu tun habe“. Van der Meulen bleibt vor seinem Tisch stehen: „Korrekt. Es wird dieses nächste Mal nie geben, doch Sie haben trotzdem die Grenze bewahrt.“ Er schaut auf Langes Namensschild. Das könnte Punkte geben.