Sie war die erste Frau im Zentralvorstand des mehr als 160 Jahre alten Konzerns, kam auf einen Posten, den der Vorstandschef eigens für sie geschaffen hatte, verantwortete einen Etat von mehr als 40 Milliarden Euro. Und verdiente mit knapp vier Millionen Euro mehr mancher Vorstandskollege: Als Barbara Kux am 17. November 2008 ihren Posten als Einkaufsvorstand bei Siemens antrat, schrieb sie Wirtschaftsgeschichte.
Kux’ doppelte Mission: den Einkauf zentralisieren und den Konzern zum grünen Unternehmen umbauen. Sie spart laut eigener Rechnung einen höheren einstelligen Milliardenbetrag ein, reduziert die Zahl der Zulieferer um 20 Prozent, erhöht das grüne Portfolio von 19 auf 33 Milliarden Euro und damit auf 42 Prozent des Konzernumsatzes. Ihr Fazit nach fünf Jahren: Auftrag erfüllt.
Offenbar nicht gut genug: "Die Crux mit der Kux" – ein Kreuz sei es, mit der 59-Jährigen zusammenzuarbeiten, heißt es intern gern, wenn die Sprache auf die Schweizerin kommt. Ihre Strategie habe sie schlecht umgesetzt, mit ihrer spröden, zurückhaltenden Art sei sie angeeckt, ihren wichtigsten Einkäufer habe sie an ThyssenKrupp verloren. Der Konzern kaufe nach wie vor zu teuer ein, das Ökogeschäft stagniere.
Unterdurchschnittliche Leistungen
Die Folge: Kux’ Vertrag wurde nicht verlängert, ihr Posten ersatzlos gestrichen – Kux scheidet im November 2013 aus. Und das, obwohl Siemens-Vorstandschef Löscher schon das nächste Mammutsparprogramm angekündigt hat: Mit "Siemens 2014" soll der Konzern weitere sechs Milliarden Euro sparen, die Hälfte des Volumens der Einkauf beisteuern. Eine Aufgabe, die Löscher Kux offenbar nicht mehr zugetraut hat.
Gerade noch hochgelobt, jetzt abgewatscht: So wie Kux ging es in den vergangenen Monaten vielen hochrangigen Managerinnen. Erst mit großem Tamtam öffentlichkeitswirksam in höchste Führungspositionen gehoben, wurde das Amt zur Bürde, die Leistung bei Lichte betrachtet unterdurchschnittlich. Und der Abschied von der gerade errungenen Macht absehbar.
Ohne Zweifel: Es gibt jede Menge Frauen, die in jüngster Vergangenheit auf einem Vorstands- oder Aufsichtsratsstuhl gelandet sind und ihren Job professionell und geräuschlos erledigen – darunter etwa Henkels Personalchefin Kathrin Menges, Hauke Stars, IT-Vorstand der Deutschen Börse. Oder Lufthansa-Finanzvorstand Simone Menne, die nach 23 Jahren in verschiedenen Positionen bei Lufthansa seit Juli 2012 die Finanzen des Konzerns im Vorstand verantwortet.
Nur wenige positive Beispiele
Auch der gute Ruf von BASF-Personalchefin Margret Sukale hat mit exzellenter Vorbereitung zu tun: Bevor die frühere Personalchefin der Deutschen Bahn 2011 in gleicher Funktion in den Vorstand des Chemiekonzerns aufrückte, hatte sie als Senior Vice President rund zwei Jahre lang die Gelegenheit, sich eine Führungsebene darunter mit allen für den Konzern weltweit wichtigen Personalthemen vertraut zu machen. Dass ihre Kompetenz auch außerhalb von BASF geschätzt wird, beweist der nächste Karriereschritt der 56-Jährigen: Anfang Juni soll sie den Bundesarbeitgeberverband Chemie leiten – als erste Frau überhaupt.
Trotz dieser positiven Beispiele aber scheint die Phase, in der Managerinnen eine Art Freifahrtschein in Spitzenpositionen lösen konnten, erst einmal gestoppt. Viele Frauen müssen nun feststellen: Nachdem die öffentliche Debatte der vergangenen Jahre den Eindruck entstehen lassen konnte, dass ihnen aufgrund ihres Geschlechts alle Hindernisse auf dem Weg nach oben schon selbstverständlich aus dem Weg geräumt würden, dämmert es nun auch den Karrierefrauen – das Leben ist kein Wunschkonzert, die Wirklichkeit kein Ponyhof.
Gebremste Blitzkarriere
Tina Müller etwa, die dank großer Erfolge mit der Wiederbelebung der Marke Schwarzkopf oder der Kreation der Marke Syoss jahrelang als Henkels Vorzeigemanagerin firmierte. Sie hatte sich darauf verlassen, dass die demonstrativ zur Schau gestellte Frauenfreundlichkeit von Henkel-Vorstandschef Kaspar Rorsted auch dann noch gilt, wenn eine Henkel-Frau zum Erzrivalen Beiersdorf wechselt. Doch im Kampf der Konzerne zählen nur Marktanteile, nicht Frauenförderpläne. Müllers Blitzkarriere ist damit erst einmal gebremst und wird vor Arbeitsgerichten entschieden.
Dass Regine Stachelhaus im Juni aus dem E.On-Vorstand abtritt, ist wohl nicht nur der schweren Erkrankung ihres Mannes geschuldet, wie der Energiekonzern offiziell verkündet. Hinzu kommt: Überfordert sei die frühere Deutschland-Chefin von Hewlett-Packard und Ex-Unicef-Deutschland-Geschäftsführerin mit ihrem riesigen Ressort für Personal, Recht und Compliance, Konzerneinkauf, Immobilienmanagement, IT und Beratung gewesen, sagen Kenner der Causa hinter den Kulissen. Gestehen aber auch zu: An diesem Mammutjob wäre auch jede(r) andere gescheitert.
Mangelnde Praxisnähe
Auch Beatrice Weder di Mauro findet sich gerade unverhofft zwischen den Stühlen: Als Professorin für Volkswirtschaft und Mitglied des deutschen Sachverständigenrats hatte sich die Schweizerin einen glänzenden Ruf als Theoretikerin erarbeitet. Nach ihrem Wechsel in den Verwaltungsrat der Schweizer Großbank UBS halten ihr Kritiker mangelnde Kenntnis des täglichen Bankengeschäfts vor. Ein sachlich umstrittenes, taktisch aber probates Mittel, um sie als enge Vertraute des früheren Bundesbank-Chefs Axel Weber zu diskreditieren. Der Ex-Chef der Deutschen Bundesbank war im Mai 2012 zum Präsidenten des UBS-Verwaltungsrats berufen worden und hatte Weder di Mauro kurz danach ins Gremium geholt. Damit könnte die brillante Ökonomin in einem Machtkampf zerrieben werden, der in Konzernen zum Alltagsgeschäft gehört.
"Geschlecht ist keine Qualifikation", sagt Headhunter Heiner Thorborg. "Wenn wir Frauen weiterhin auf Teufel komm raus vor allem deshalb Top-Jobs geben, weil sie Frauen sind, machen wir uns lächerlich – und tun auch den Frauen selbst auf Dauer keinen Gefallen".
Regierung liebäugelt weiter mit der Frauenquote
Ob sich an der Situation so bald etwas ändert, ist allerdings fraglich. Denn selbst die Abgeordneten der Unions-Bundestagsfraktion liebäugeln mit einer verpflichtenden 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte ab 2020. In jüngster Vergangenheit verging kaum eine Woche, in der Unternehmen nicht mit großem Aplomb verkündeten, wieder eine Frau an Bord genommen zu haben – vor wenigen Tagen etwa meldete die Deutsche Bank die Amerikanerin Dina Dublon, Ex-Finanzvorstand der Investmentbank JP Morgan, als neues Mitglied ihres Aufsichtsrats. Laut des Deutschen Instituts für Wirtschaft in Berlin stieg die Zahl der Unternehmen, die mindestens eine Frau in den Vorstand berufen haben, in den vergangenen zwei Jahren um knapp 50 Prozent auf nun 16,5 Prozent. Laut der Vereinigung Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar) sitzen damit in den 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen 15 Frauen im Vorstand und 100 im Aufsichtsrat – im Vergleich zu 2011 ein Plus von 270 beziehungsweise 52 Prozent (siehe Tabelle)
Ins kalte Wasser geworfen
Um diese Frauen zu finden, beauftragen Aufsichtsräte teure Berater, jeden Winkel der Welt nach Frauen abzusuchen, die für offene Vorstands- oder Aufsichtsratsposten geeignet sein könnten. Ein gefundenes Fressen für willfährige Dienstleister, die um der schnell verdienten Prämie willen die Qualifikation möglicher Kandidaten vor allem durch die Geschlechterbrille beurteilen. "So werden auch Frauen mit Profilen hofiert, mit denen Männer nicht einmal eine Chance auf ein erstes Gespräch hätten", sagt Thorborg. Sollte eine auserkorene Kandidatin zweifeln, ob sie der angebotenen Aufgabe gewachsen ist, wird sie so lange geködert, bis sie zusagt. "Manche Vorstände und Aufsichtsräte versprechen diesen Frauen das Blaue vom Himmel", sagt Thorborg. "Sind die Frauen erst mal im Amt, und es tauchen dann die ersten Schwierigkeiten auf, lösen sich die Hilfsangebote in Luft auf."
Statt Talente Schritt für Schritt an mehr Verantwortung zu gewöhnen, bis sie sich auf höchster Ebene behaupten können, werden sie oft zu früh ins kalte Wasser geworfen. Und gehen unter, bevor sie schwimmen gelernt haben.
Profile mit hohem Risiko
"Einige dieser Besetzungen sind in letzter Zeit sicher nicht optimal verlaufen", bestätigt Walter Jochmann, Vorsitzender der Geschäftsführung und Partner von Kienbaum Management Consultants. "Da wurden von Kandidatinnen oft Profile akzeptiert, die mit hohem Risiko behaftet waren – da muss man sich nicht wundern, wenn diese Frauen überfordert sind."
Zum Beispiel Marion Schick: Der Personalchefin der Deutschen Telekom bläst derzeit der Wind frontal ins Gesicht. Leidvoll muss die Ex-Kultusministerin von Baden-Württemberg erfahren, dass der Spitzenjob bei einem Dax-Unternehmen nicht mit einer Führungsposition im Politbetrieb zu vergleichen ist. Telekom-intern wird sie bereits als "Quasselstrippe" verspottet, weil sie es bisher nicht geschafft hat, in die Fußstapfen ihrer resoluten und hoch angesehenen Vorgänger Thomas Sattelberger und Heinz Klinkhammer zu treten. "Sie spricht viel, und am Ende fragt man sich: Was hat sie eigentlich gesagt?", erzählt ein Top-Manager. Angelastet wird ihr insbesondere ihre fehlende Personalstrategie. Einige Führungskräfte spekulieren bereits über eine vorzeitige Ablösung, sobald Timotheus Höttges den Vorstandsvorsitz von René Obermann übernimmt.
Nicht viele sitzen wirklich fest im Sattel
Der scheidende CEO sah sich sogar gezwungen, Schick in einer E-Mail an alle Mitarbeiter den Rücken zu stärken. "In der Telekom Personalvorstand zu sein, ist ein harter Job. Wer hier Dinge verändert, sich zum Besseren weiterentwickeln möchte, der kann es nicht allen recht machen und läuft dabei auch Gefahr, Fehler zu machen oder manchen auf die Füße zu treten", schrieb ein "nachdenklicher und verärgerter" Obermann. Er könne nicht akzeptieren, dass Interna an die Öffentlichkeit geraten.
Schicks Schicksal könnte mittelfristig auch Top-Managerinnen blühen, die vermeintlich fest im Sattel sitzen – etwa BMW-Personalvorstand Milagros Caiña-Andree. Die 50-Jährige gebürtige Spanierin, die sich nach Schule und Studium in Deutschland bei Vossloh, in der Bahn-Zentrale und deren Konzerntochter Schenker berufliche Sporen verdiente, hat mit dem Betriebsrat ein neues Flexibilisierungsmodell ausgehandelt und damit das für BMW leidige Thema Leiharbeit vom Eis geholt.
"Eine Lachnummer"
Man könne mit ihr besser reden, sie sei pragmatischer als männliche Vorgänger, lobt der Betriebsrat. Einerseits. Doch weil sie unnachgiebig ihr Kernthema Internationalisierung der Personalarbeit vorantreibt, hat sie sich in der Belegschaft und ihrem Team nicht nur Freunde gemacht. Zumal sie konzernintern bestens beleumundete Talente aus dem BMW-Nachwuchspool im Kampf um den Vorstandsposten ausgestochen hat. Das provoziert Gegenwind: Während sich Caiña-Andree als "konsequent, umgänglich, mitunter ungeduldig" beschreibt, nehmen sie Gesprächspartner schon mal als "extrem unsympathisch" wahr. "Bei der Bahn hätte sie keine Chance auf einen Vorstandsposten gehabt", sagt ein gut informierter Headhunter. "Ihre Berufung ist eine Lachnummer."
Große Vorwürfe
Zumindest deutliches Kopfschütteln erntet, wer sich mit Unternehmenskennern über Elke Strathmann unterhält. War doch die 55-Jährige schon in der Karrieresackgasse gelandet, als sie das Angebot bekam, bei Conti Personalvorstand zu werden. "Ihr Vertrag als Personalvorstand bei Nestlé Deutschland wäre nicht verlängert worden", sagt ein mit den Vorgängen vertrauter Personaler. Nicht wegen fehlender fachlicher Kompetenz – die bringt sie mit. Doch wird der Mathematikerin nachgesagt, sie habe ein Problem im Umgang mit ihr formal untergeordneten Personen – einen massiveren Vorwurf kann man einer obersten Personalerin kaum machen. "Sie passt einfach nicht zu ihrem neuen Unternehmen."
Diesen Vorwurf musste sich jüngst auch Andrea Jung gefallen lassen, als sie in den Aufsichtsrat von Daimler berufen wurde. Aktionärsvertreter warfen der 54-jährigen Ex-Chefin des US-Kosmetikkonzerns Avon fehlende Kenntnis der Automobilbranche vor. Und kalauerten, mit der Berufung Jungs handle es sich um eine "kosmetische Erfüllung der Frauenquote".
"Eine schillernde Person wie Frau Jung wird bei bestimmten Männern immer Kritik auslösen", sagt Berater Jochmann. "Nur mit verbindlichen Kriterien für das Profil von Aufsichtsräten wird diese Kritik verstummen." n