China Biete Wohnung, suche Frau

Seite 2/4

Gewaltiger Druck auf jungen Chinesen

Welche Büroregeln in anderen Ländern gelten
USAEin „Playboy“-Kalender an der Wand eines US-Büros? Völlig unmöglich. Anzügliche sexuelle Bemerkungen, sexistische Witze, offensives Flirten oder auch explizite Fotos sind am Arbeitsplatz verboten. Festgeschrieben sind die Regeln in der "Sexual Harassment Policy", die jedes Unternehmen den Mitarbeitern vorschreibt. Basis ist das gesetzliche Diskriminierungsverbot. Es umfasst nicht nur das Verbot sexueller Belästigung, sondern auch Diskriminierung wegen Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung. Wer dagegen verstößt, kann gekündigt oder verklagt werden. Jeder ist aufgefordert, sich sofort bei der Unternehmensführung zu melden, sobald er oder sie sich sexuell diskriminiert fühlt oder von einem Vorfall erfährt. „Sexuelle Belästigung ist ein Delikt, das in den USA sehr ernst genommen wird“, sagt David Detjen, Partner bei der Kanzlei Alston & Bird in New York. Verhalte sich ein Kollege gegenüber einer Kollegin sexistisch, wiesen ihn andere zurecht. „Die Leute haben kapiert: Ein Nein ist ein Nein.“ Quelle: AP
ChinaAuf den ersten Blick wirken sämtliche Maßnahmen überflüssig: Die Erwerbsquote von Frauen liegt bei 74 Prozent, jede dritte Position im gehobenen Management ist weiblich besetzt. Hinzu kommt: Laut Gesetz müssen Arbeitgeber ihre weiblichen Angestellten seit 2012 vor sexueller Belästigung schützen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich China aber als Entwicklungsland für Frauenrechte. Die patriarchalen Strukturen des Konfuzianismus haben die Mao-Ära überdauert. Zudem widerspricht es der chinesischen Mentalität, Probleme direkt anzusprechen. Viele Frauen schweigen deshalb aus Angst vor Rache jahrelang. Gut möglich also, dass sich an den bisherigen Gepflogenheiten so schnell nichts ändert. Universitäten in Peking raten Studienanfängerinnen deshalb, sich angemessen zu kleiden und keine Diskotheken oder Bars aufzusuchen. Außerdem müssen überführte Täter in der Regel nur Kompensationen von etwa 250 Euro zahlen. Möglicherweise erklärt das auch, warum in einer Umfrage der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften aus dem Jahr 2009 knapp jede zweite Frau über sexuelle Belästigung in Form von obszönen Bemerkungen klagte. 13 Prozent gaben gar an, dass von ihnen sexuelle Gefälligkeiten erwartet wurden, um berufliche Vorteile zu erhalten. Quelle: REUTERS
BrasilienDas Thema ist auch zwischen Rio und São Paulo bekannt: Nach Umfragen der renommierten Online-Arbeitsvermittlung trabalhando.com hat ein Drittel der Frauen schon mal Sexismus am Arbeitsplatz von einer hierarchisch höher stehenden Person erlebt. Von den Männern kannten das immerhin 20 Prozent. Deshalb auf Flirten im Job verzichten? Niemals. Doch das Frauenministerium verschärft die Regeln inzwischen: 2011 wollte es die Ausstrahlung eines Dessous-Spots verbieten lassen. Darin beichtete das Top-Model Gisele Bündchen ihrem Mann, dass sie das Auto kaputtgefahren und die Kreditkarte überzogen habe und ihre Mutter bei ihnen einziehen werde - leicht bekleidet und mit hohen Absätzen. Der Antrag wurde abgelehnt. Quelle: dpa
FrankreichIm Geburtsland des Feminismus gehört der unverbindliche Flirt genauso zum Alltag wie anzügliche Bemerkungen - auch am Arbeitsplatz. Wohnungsbauministerin Cécile Duflot konnte das selbst im Parlament erfahren, als sie an einem heißen Julitag des vorigen Jahres mit einem geblümten Sommerkleid ans Mikrofon trat. Die männlichen Abgeordneten der konservativen Opposition empfingen sie dort mit Gejohle und Pfiffen. Ein paar Wochen später stimmten die Parlamentarier einem neuen Gesetz zu: Übeltätern drohen bis zu drei Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von maximal 45 000 Euro. Auch eine Reaktion auf den Sex-Skandal um Dominique Strauss-Kahn. Die Gesellschaft begann sich zu fragen, ob sie womöglich Charme mit Schamlosigkeit verwechselt hatte. Also verpasste die neue Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem ihren Ministerkollegen gleich einstündige Benimmkurse. Gleichberechtigung steht nun auch im Lernplan der Grundschüler. Quelle: dapd
GroßbritannienAuf der Insel gibt es bereits seit 1975 ein Gesetz gegen sexuelle Diskriminierung. Schon Bemerkungen über das äußere Erscheinungsbild und die Kleidung können als Belästigung gelten, ebenso wie das Anstarren bestimmter Körperteile oder die Zurschaustellung von expliziten Bildern, Kalendern oder Magazinen. Verboten sind außerdem auch unerbetene Berührungen, Küsse, Umarmungen, Streicheln. Die Sensibilität für Grenzüberschreitungen ist hoch. Angesichts millionenschwerer Klagen, die in den vergangenen Jahren von Bankerinnen angestrengt worden waren, schwappte über die Londoner Finanzwelt eine Woge politischer Korrektheit. Die Banken haben Angst vor hohen Anwalts-, Prozess- und Entschädigungskosten. Daher überbieten sie sich jetzt geradezu darin, auf ihren Web-Sites ihre frauenfreundlichen Rekrutierungs- und Karriereprogramme anzupreisen. Zwar wirkt das Gesetz abschreckend. Dennoch: Laura Bates, Gründerin des Web-Portals "Everyday Sexism", auf dem Frauen über ihre negativen Erfahrungen berichten können, berichtet von regem Zulauf. Quelle: dpa

Auf jungen Chinesen beiderlei Geschlechts, die nach 1980 geboren wurden, lastet ein gewaltiger Druck. Vielen fehlen Zeit und Chancen, Partner kennenzulernen: Auf Schule folgt Universität, dann die Arbeit. Die sozialen Kreise sind klein. Das Leben vieler Mittzwanziger spielt sich zwischen dem Arbeitsplatz und der Wohnung der Eltern ab. Zwar ist der Markt für Dating-Web-Sites auf rund 300 Millionen Dollar angewachsen, doch die sind eher Symptom des Problems als Teil der Lösung: Rund 180 Millionen Singles sind in China auf Partnersuche. Aber der Wettbewerb ist hart. Was vor allem zählt, sind: Einkommen, Ersparnisse, Wohnungseigentum. Dennoch sehnen sich viele junge Chinesen nach mehr.

Li Bing hat auf Weibo, dem chinesischen Kurznachrichtendienst, vom Date-Camp erfahren. „Ich will herausfinden, warum ich noch Single bin“, sagt die 29-jährige Archäologin. Ihren letzten Freund hatte sie vor zwei Jahren, sagt sie. Seitdem laufe nichts. „Ein Problem ist, dass die Männer nicht mehr die Initiative ergreifen“, sagt sie. „Die sitzen nur daheim rum und spielen Online-Games.“

Bankangestellter aus China Quelle: Egill Bjarki für WirtschaftsWoche

Man braucht vermögende Eltern

Auch junge Männer in China stehen unter Druck. Von ihnen wird erwartet, dass sie eine gesicherte Existenz vorweisen können, wenn sie heiraten wollen. „Wir sollen Haus, Job und Auto haben, bevor wir heiraten können“, klagt der 29-jährige Bell Xiong. Denn traditionell reden die Familien bei der Heirat mit. „Vor allem die Mütter der Frauen sind dabei sehr engagiert. Ohne eigene Wohnung braucht man sich bei ihnen nicht blicken lassen.“

Wer als Mann keine vermögenden Eltern hat, bekommt auch kaum eine Frau. Das Durchschnittsgehalt von Universitätsabsolventen lag 2011 bei etwas mehr als 2700 Yuan (etwa 330 Euro). Das ist weniger als manche ausgebildeten Wanderarbeiter verdienen. Ein 90-Quadratmeter-Apartment in der Innenstadt Shanghais kostet aber bis zu 500.000 Euro. Ist das nicht vorhanden, hilft auch die größte Liebe nichts.

Ein-Kind-Politik

„Das ist eben so, da kann man noch so romantisch sein“, sagt Zhuang Li Jian, ein 33-jähriger IT-Berater. Er gehört zu den Glücklichen, die all das vorweisen können. Seine Freundin will er noch in diesem Jahr heiraten. Aber auch das ist ein finanzieller Kraftakt: Zwischen 200.000 und 300.000 Yuan (rund 24.500 bis 37.000 Euro) kostet eine Feier.

Auch auf dem Heiratsmarkt gilt: Knappheit treibt den Preis. Auf 118 Männer kommen bei den nach 1980 Geborenen 100 Frauen. Besonders auf dem Land führt die Ein-Kind-Politik dazu, dass Eltern sich männliche Nachkommen wünschen, und so trieben viele jahrelang Mädchen ab. Die Geschlechtsbestimmung vor der Geburt ist zwar in China mittlerweile verboten. Trotzdem werden in den nächsten Jahren rund 24 Millionen Männer keine Frau finden. „Männer aus den unteren Schichten leiden darunter am meisten“, sagt Richard Burger, Autor des Buches „Behind the Red Door: Sex in China“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%