Consulting-Studie Zwischen Wunsch und Realität

Unternehmensberatungen galten unter jungen Wirtschaftswissenschaftlern lange als Wunscharbeitgeber schlechthin. Doch weil angehende Absolventen heute viel Wert auf Freizeit und flexible Arbeitszeiten legen, verlieren Beratungen an Attraktivität. Schon beim Praktikum klaffen Wunsch und Realität oft weit auseinander.

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Professionelle Netzwerke wie Xing und LinkedIn sind eine wichtige Informationsquelle. 47 Prozent der Studenten und Absolventen nutzen diese zu Karrierezwecken. Quelle: dpa

Junge Kollegen, Eigenverantwortung und ständig unterwegs sein. Nicolas Höhne hatte hohe Erwartungen an sein Praktikum bei KPMG. Seit Mai diesen Jahres ist er bei der Unternehmensberatung in München Praktikant. Dort ist er fest in einem Projekt eingeplant – der Kunde ist ein Mobilfunkunternehmen. Jeden Tag besucht er den Konzern und ist in die Abläufe der Finanzabteilung eingebunden. Er ist dabei wenn Anpassungen in der Bilanz vorgenommen werden, er erstellt Schulungsunterlagen für die Mitarbeiter des Kunden.

Die großen Karriere-Irrtümer

Gerade hat der 24-Jährige sein Bachelor-Studium im Fach Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Munich Business School abgeschlossen. Bevor er seinen Master in Dublin beginnt, will er Praxiserfahrung in einer Unternehmensberatung sammeln. Mit der Verantwortung, die ihm bei KPMG übertragen wird, ist er bisher zufrieden. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so stark in die täglichen Aufgaben eines Beraters mit einbezogen werde.“ Einschränkungen gab es trotzdem: „Wenn es um die Plausibilisierung konkreter Zahlenwerte für eine Bilanz ging, hatte ich natürlich keine Eigenverantwortung.“

Unternehmensberatungen sind unter jungen Wirtschaftswissenschaftlern beliebte Arbeitgeber. Ein Praktikum bei einer Beratung ist der erste Schritt zur Festanstellung. Studenten sammeln erste Erfahrungen und knüpfen Kontakte. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an ein solches Praktikum – es ist der Test, ob der Traumjob auch hält, was er verspricht.

Doch nicht immer werden die Erwartungen der Praktikanten auch erfüllt. Das zeigt eine Online-Umfrage, die das Branchenportal Squeaker im Zeitraum von Oktober 2013 und Januar 2014 durchgeführt hat. Rund 2000 Bachelor- und Masterstudenten, die sich vorstellen können in einer Beratung zu arbeiten, wurden zu ihren Vorstellungen von einem Praktikum und einer Karriere in der Beraterbranche befragt.

Die Umfrage zeigt, dass die Studenten besonderen Wert darauf legen, Verantwortung für eine eigene Aufgabe übertragen zu bekommen. Doch die Realität sieht oft anders aus: Ihnen wird weit weniger Eigenverantwortung übertragen als erhofft. Denn Praktikanten sind vor allem mit dem Erstellen von Präsentationen beschäftigt. Mit Kunden haben die Praktikanten hingegen seltener Kontakt, als sie zuvor erwarten.

Der Ruf der Hochschule kann für die Bewerbungschancen durchaus eine Rolle spielen. Dennoch sollten sich Abiturienten bei der Entscheidung über den Studienort nicht nur auf das Renommee schauen.
von Felix Ehrenfried

Auch bei den Projekten, in die Praktikanten involviert sind, läuft nicht immer alles so ab wie erwartet. Laut der Umfrage hoffen die Studenten auf Einblicke in verschiedene Industrien und wollen Projekte gerne von Anfang bis Ende begleiten. Doch auch diese Erwartung wird nicht immer in dem Maße erfüllt, wie es sich die Praktikanten erhoffen.

Auch beim Gehalt klaffen Wunsch und Realität auseinander: Im Schnitt erwarten angehende Praktikanten ein Bruttogehalt von 1784 Euro im Monat. Tatsächlich bekommen sie aber durchschnittlich nur rund 1442 Euro. Zwei Drittel der befragten Studenten wünschen sich außerdem ein Angebot für eine Festanstellung nach dem Praktikum. Aber nur ein Drittel erhält auch ein Angebot.

Arbeitsrealität ist besser als ihr Image

Vor seinem Praktikum hatte Nicolas Höhne durchaus realistische Vorstellungen vom Beraterjob: „Ich wusste, dass ich viel mit Excel und Power Point arbeiten muss“, sagt er. Die Arbeitszeiten findet er in Ordnung - obwohl es schon mal vorkomme, dass man „auch mal Überstunden macht, die man dann aber auch abfeiern kann.“

Doch dieses Beraterleben finden immer weniger junge Wirtschaftswissenschaftler attraktiv: 60 Stundenwochen, Nachtschichten, ein harscher Umgangston, viel Reisen. – so das Klischee, das viele Studenten vor Augen haben und das mancherorts immer noch Realität ist. Kein Wunder, dass Unternehmensberatungen seit Jahren nur im Mittelfeld landen, wenn junge Menschen nach ihren liebsten Arbeitsgebern gefragt werden.

Diese Unternehmen suchen ihre Bewerber am Smartphone
Platz 30 - SAPPunktzahl: 233 Platzierung im Vorjahr: Neu Quelle: REUTERS
Platz 29 - AccorPunktzahl: 233 Platzierung im Vorjahr: Neu Quelle: Reuters
Platz 28 - AltriaPunktzahl: 235 Platzierung im Vorjahr: 12 (-16) Quelle: AP
Platz 27 - EADSPunktzahl: 237 Platzierung im Vorjahr: Neu Quelle: dpa
Platz 26 - Rolls-RoycePunktzahl: 239 Platzierung im Vorjahr: Neu Quelle: AP
Platz 25 - CumminsPunktzahl: 241 Platzierung im Vorjahr: Neu Quelle: Presse
Platz 24 - GooglePunktzahl: 243 Platzierung im Vorjahr: Neu Quelle: dapd

Squeaker hat die Studenten auch nach ihren Kriterien bei der Arbeitgeberwahl befragt. Wichtig ist demnach ein guter Draht zu den Kollegen, gefolgt von einer angenehmen Unternehmenskultur. Auch die Work-Life-Balance und eine intellektuell anspruchsvolle Arbeit sind den befragten Studenten wichtig. Erst an zwölfter Stelle steht das Einstiegsgehalt.

Höhne sieht das ähnlich. Auch für ihn hat das Gehalt nicht oberste Priorität. „Ich will einen Job, der mich ausfüllt und bei dem mir Verantwortung übertragen wird“, sagt er. Außerdem seien ihm flexible Arbeitszeiten und Kollegen, die mit ihm auf einer Wellenlängen sind und mit denen er auch mal was in seiner Freizeit unternehmen kann, wichtig.

Kiumars Hamidian, Mitglied in der Geschäftsführung der Beratung Bearingpoint, sagte jüngst dem Handelsblatt, man mache sich zwar keine Sorgen um qualifizierte Arbeitskräfte. Dennoch herrsche in Wirtschaftsmetropolen, wie etwa München, ein stärkerer Wettbewerb um Spitzenqualifizierte. Dort wanderten viele in die Industrie ab.

Dabei ist die Arbeitsrealität in Unternehmensberatungen oft besser als ihr Image. Eine Beobachtung, die auch Stefan Lake, Deutschland-Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Universum macht: „Unternehmensberatungen haben in den letzten Jahren extrem an den weichen Faktoren gearbeitet.“ So richtete etwa die Unternehmensberatung PwC Zeitkonten für seine Mitarbeiter ein. Wer zu Stoßzeiten eine große Menge an Überstunden gesammelt hat, kann diese beispielsweise in Verbindung mit einem Sabbatical abbauen.

Zeitkonten sind auch Nicolas Höhne vor einigen Monaten nicht in den Sinn gekommen, wenn er an Unternehmensberatungen dachte. Auch er verband die Branche eher mit Karrieretypen und langen Arbeitszeiten. „Ich hatte vorher die Vorstellung, dass in der Beratung Streber arbeiten und dass es nur um Karriere geht.“ Doch seine lockeren Kollegen haben ihn überrascht. „Gerade jetzt während der WM gehen wir auch oft nach Feierabend zusammen ein Fußball-Spiel schauen.“ Nicolas Höhne hat sich bei KPMG von der Beraterbranche überzeugen können: Nach seinem Master in Dublin will er bei einer Unternehmensberatung ins Berufsleben starten.

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