Digitalisierung und Arbeitszeit Wie flexibel müssen wir eigentlich arbeiten?

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Home-Office ist oftmals noch Zukunftsmusik

Die flexiblen Arbeitsplätze sind oftmals nur ein netter Slogan in Stellenanzeigen - sie sind längst nicht überall Standard. Eine Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half aus dem Juni zeigt, dass 25 Prozent der Personalverantwortlichen sogar einen Rückgang bei Home-Office-Angeboten bemerken. Dabei treiben strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft den Wunsch nach flexiblen Arbeitsplatzkonzepten in der Bevölkerung voran: Dazu zählen vor allem die Globalisierung (43 Prozent), der demografische Wandel (39 Prozent) und der wachsende Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance (38 Prozent). Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Marktforschungshaus Crisp Research im Auftrag des amerikanischen Softwareanbieters Citrix durchgeführt hat.

Trotzdem sind nur 40 Prozent der Unternehmen in Deutschland davon überzeugt, dass mobile Arbeitsplätze das klassische Büro mehr und mehr verdrängen werden, so die Studie.

Start-ups nutzen Co-Working, Traditionsbetriebe wollen Repräsentanz

"Sie werden nie alle überzeugen können", sagt Michael Barth, Deutschland-Chef des britischen Bürodienstleisters Regus. "Aber langfristig werden nur die Unternehmen Erfolg haben, die so etwas anbieten." Er ist überzeugt, dass Mitarbeiter immer weniger Lust auf Stress, Pendelei und Präsenzkultur haben. Entsprechend müssen auch die Unternehmen flexibler werden.

Regus bietet deshalb Co-Working-Flächen an, die Unternehmen für Projekte und Meetings anmieten können. Doch bislang nutzen eher Start-ups und junge Unternehmen ohne Berührungsängste diese Angebote, wie er sagt. Bei alteingesessenen Betrieben oder Unternehmen aus traditionellen Branchen herrsche für eine solche Art der Flexibilität noch zu viel Standesdünkel: "Die wollen klassische Büros, eine eigene Anschrift und einen repräsentativen Empfang." Dass das deutlich teurer ist, als die Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken und wöchentlich in gemieteten Flächen an Infrastrukturknotenpunkten wie Bahnhöfen oder Flughäfen zusammen zu kommen, erklärt sich von selbst. So flexibel sollen derzeit aber höchstens die Arbeitnehmer sein.

Natürlich ist klar, dass Home-Office und Co-Working nicht für jede Branche und jeden Betrieb funktionieren. So sagt auch Barth: "Produktion, Verkauf oder Krankenhäuser werden stationär bleiben müssen - das liegt ja auf der Hand".

Homeoffice & Arbeitszeit: So arbeitet es sich bei den Dax-Konzernen

"Wir schicken niemanden mit einem Kotflügel unter dem Arm nach Hause, damit er da weiterarbeitet", sagt entsprechend auch ein Sprecher von Porsche. Wenn Branchenvertreter über "Home Office" sprechen, meinen sie den Bürobereich - eben alles, was sich per Computer machen lässt .

Doch auch hier gibt es Handlungsbedarf. Die geltende Betriebsvereinbarung sei bezüglich der Heimarbeit "renovierungsbedürftig, weil sich die (technischen) Möglichkeiten total verändert haben", sagt beispielsweise Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth. Der Autobauer hat kürzlich seine Mitarbeiter nach ihren Wünschen zur "Arbeitswelt der Zukunft" befragen lassen. Die Ergebnisse und Rückschlüsse daraus sollen im Herbst vorgestellt werden. Doch selbst wenn sich alle Büroarbeiter bei Daimler für Home-Office & Co. aussprechen, gibt es noch diverse Hürden, dies auch umzusetzen. Denn bislang wird - nicht nur bei Daimler - nach Arbeitszeit bezahlt und nicht nach Ergebnissen. Nur lässt sich die Arbeitszeit zuhause eben nicht überprüfen. Es könne nicht sein, "dass wir jetzt auch noch kontrollieren, (zum Mitarbeiter) nach Hause fahren und gucken, ob du jetzt am PC tatsächlich etwas fürs Büro oder etwas anderes machst", so Porth.

Die IG Metall hat dagegen weniger Angst davor, dass in Zukunft die Arbeit liegen bleibt, weil Heimarbeiter lieber bei Facebook ihre Zeit vertrödeln oder im Garten liegen, anstatt den Konzernumsatz voranzutreiben. Bei der Gewerkschaft hat man eher Sorge, dass es zu "einer schleichenden Ausweitung von Arbeitszeit und unbezahlter Arbeit" kommt. Dabei scheint doch genau das der von der Wirtschaft gewünschten Flexibilität zu entsprechen.

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