Diversity-Management Viel Wille, wenig Taten

Diversity ist eines der beliebtesten Ziele in den Strategien der Unternehmen – doch im Alltag spielen vielfältige Teams kaum eine Rolle. Das muss sich ändern.

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Diversity Quelle: Fotolia

Wer weltoffen sein will, muss sich mit möglichst unterschiedlichen Menschen umgeben. Das gilt für Menschen wie auch für Konzerne: „Nicht zuletzt weil wir viele internationale Kunden haben, wollen wir diese Vielfalt auch in unserer Mitarbeiterschaft spiegeln“, findet Bettina Volkens, Personalchefin der Lufthansa.

Auch Siemens-Personalvorstand Janina Kugel betont: „In einer Gruppe von sieben bringt jedes neue Mitglied eine Veränderung mit sich, und die Vielfalt ist entscheidend.“ Und es ist bereits mehr als drei Jahre her, als der damalige Henkel-Chef Kasper Rorstedt sagt: „Konzernsprache ist seit Langem Englisch. Wir brauchen große Diversität.“

Die deutschen Konzerne sind sich einig: Vielfalt unter den Mitarbeitern gehört zu den Must-haves einer schönen, modernen Unternehmensstrategie. Doch was sinnvoll klingt, kommt in der operativen Ebene kaum an. Das zeigt eine Umfrage unter Deutschlands Topnachwuchsführungskräften. Gemeinsam mit der Boston Consulting Group (BCG) hat die WirtschaftsWoche die besten Führungstalente der deutschen Unternehmenslandschaft identifiziert und befragt. Die 257 Vordenker stammen aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups und sind im Schnitt 39 Jahre alt.

Die Jury

Jene Führungselite von morgen bestätigt, dass Heterogenität fast genauso wichtig wie die Qualifikation der Mitarbeiter ist. Zwei Drittel sehen in der Heterogenität einen Faktor für Erfolg. Gleichzeitig haben nur 35 Prozent der Befragten entsprechende Vorgaben in ihrem Unternehmensalltag, beispielsweise für die Besetzung von Teams.

„Viele Unternehmen konzentrieren sich auf die öffentlichkeitswirksame Strategie ihrer Unternehmen“, sagt Rocio Lorenzo, Partnerin bei BCG. „Doch im Alltag kommt das häufig nicht an.“

Auch Andrea Kraus gehört zum Kreis der Vordenker. Sie ist Managerin in einem IT-Konzern. Rund 150 Menschen arbeiten für sie. „Wenn alle gleich denken, bleibt man in der Wohlfühlzone und gelangt nie zum Optimum“, sagt sie. „Nur durch unterschiedliche Wertesysteme oder Lösungsansätze entstehen Reibeflächen. Und das schafft Innovation.“ Ihre Mitarbeiter beraten Kunden in ganz Europa, deshalb sind Offenheit und interkulturelle Kompetenz erfolgsentscheidend für sie. Ihre Teams setzt sie aus unterschiedlichen Nationalitäten zusammen.

Unbeliebte Quote

Kraus zeigt damit, dass Vielfalt mehr ist als ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis. Auch Kulturen, Ausbildungswege der Mitarbeiter oder Alter sind Aspekte von Vielfalt. „Die Führungskräfte haben es selbst in der Hand, wie heterogen ihre Teams sind“, sagt auch Unternehmensberaterin Lorenzo. Spezielle Trainings könnten Teamleiter hinsichtlich Vielfalt sensibilisieren. Rund ein Viertel der befragten Vordenker hat bereits Fortbildungen zum Thema besucht.

Managerin Kraus sieht in solchen Schulungen und Zielvorgaben nur einen ersten Schritt: „Man muss vor allem Arbeitsbedingungen schaffen, die die jungen Talente wollen.“ Sie befürwortet kleine Teams, die man auch in Teilzeit führen kann. Aus ihrer Sicht ist es entscheidend, dass alle die Möglichkeit haben, Familie und Beruf zu vereinbaren.

„Unternehmen sollten diesen Kulturwandel anstoßen und auch die Fortschritte und Misserfolge messbar und transparent machen. Nur so lässt sich nachvollziehen, wo es noch hakt – und wie man das beheben kann“, sagt Lorenzo.

Hier würde sich der Kreis zur Quote schließen. Schließlich wandeln solche Regeln die gut gemeinten Ziele in Zahlen um. Doch an diesem Punkt sind sich die meisten Führungskräfte einig: Eine Quote wollen sie nicht. Nur 10 Prozent der Männer und 23 Prozent der Frauen halten entsprechende Zahlenvorgaben für sinnvolle Instrumente.

Andrea Kraus gehört zu den wenigen Führungskräften des Panels, die die Quote nicht per se ablehnen. „Ich denke, dass man durchaus auch über Quoten als eine Option nachdenken kann. Man muss manchmal bestimmte Situationen überstressen, damit sich etwas bewegt“, sagt sie. In Deutschland zeigt sich das aktuell zum Halbzeitstand der Frauenquote. Bis zum März müssen die 108 größten deutschen Unternehmen mindestens 30 Prozent der Kontrollposten weiblich besetzen.

Wo sich in jahrelanger Selbstverpflichtung nichts bewegte, hat sich hier etwas verändert: Mehr als die Hälfte der Dax-Konzerne erfüllt die Vorgabe schon heute, die meisten stehen kurz davor. „Durch die Quote ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten innerhalb kürzester Zeit gestiegen. Immer mehr Unternehmen setzen sich darüber hinaus ambitionierte Ziele für die übrigen Topmanagementebenen“, meint Beraterin Lorenzo.

Wenn sich diese Mühen nun noch mit dem festen Willen, die Pläne auch umzusetzen, kombinieren lassen, wäre das ein großer Schritt nach vorne – ob mit oder ohne verbindliche Quote.

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