Doch unabhängig davon, wie der Vorgesetzte zur Kleiderfrage steht, sollte sich jeder die Frage zu stellen, was das eigene Outfit ausdrücken soll. Motsch rät dazu, zu hinterfragen, was man darstellen möchte und ob die gewählte Kleidung die eigene Kompetenz unterstreicht. Denn dass Kleider Leute machen, belegen mittlerweile auch zahlreiche Studien.
So halten Lehrer Schüler für intelligenter, wenn sie gut gekleidet sind, Frauen, in sexy Outfits werden als weniger kompetent wahrgenommen, als solche im nüchternen Hosenanzug. Und auch die eigene Wahrnehmung verändert sich. Wer im Anzug zur Arbeit geht, schlüpft nach Feierabend in Jeans und T-Shirt und fühlt sich gleich ganz anders. Und wer im Abendkleid oder dem Frack zum Essen geht, sitzt ganz anders am Tisch, als es in Hemd und Hose der Fall wäre.
Der Psychologe Adam Galinsky hat zusammen mit dem deutschen Management-Professor Hajo Adam herausgefunden, dass Kleidung den Menschen sogar regelrecht klüger machen kann: Für ihre Studie "Enclothed cognition" ließen sie Probanden Konzentrationsaufgaben lösen. Ein Teil der Testpersonen trug dabei weiße Arztkittel, die Kontrollgruppe ihre Freizeitkleidung. Und tatsächlich schnitt die Gruppe, die den Kittel trug, besser ab. Bei einem zweiten Experiment trugen alle Teilnehmer Kittel, allerdings wurde einer Gruppe gesagt, dass es sich dabei um Arztkittel, der anderen, dass es sich um Malerkittel handele. Und wieder waren die Teilnehmer im Arztkittel sorgsamer im Lösen der Aufgaben.
Dass der Umsatz eines Unternehmens nicht unbedingt steigt, wenn die Mitarbeiter Anzüge tragen, sollte sich von selbst verstehen. Aber das Anziehen formaler Kleidung signalisiert dem Gehirn: "Jetzt wird gearbeitet". Diese Wirkung machte sich beispielsweise Thomas Mann zu Nutze. Er soll all seine Romane im Anzug und mit Fliege geschrieben haben. Stil-Trainerin Motsch empfiehlt entsprechend: "Ziehen Sie sich jeden Tag so an, dass Sie sich chic fühlen, das verändert die Ausstrahlung, das Selbstbewusstsein und die eigene Wahrnehmung der Kompetenz."
Darauf sollten Sie beim Anzug achten
Hände weg von Synthetik: Polyester, Polyacryl und Co. bringen den Träger nur ins Schwitzen. „Gentleman“-Autor Bernhard Roetzel rät zu 100 Prozent Naturfasern, im Idealfall Schurwolle. Diese ist im Gegensatz zu einfacher Wolle frisch geschoren und zeichnet sich daher durch besonders feine Fasern aus. Stoffe aus Schurwolle sind elastisch, glatt und fallen besser. In vielen Fällen können Anzugkäufer die Stoffqualität auch dadurch ausmachen, indem sie einmal zupacken und schauen, wie stark der Stoff knittert. Das ist aber nicht immer ein Qualitätshinweis: Leinen knittert beispielsweise immer.
Billiganzüge haben meist ein synthetisches Futter aus Kunstfasern. Bessere Anzüge sind mit Viskose gefüttert. Das ist zwar auch synthetisch, wird aber aus Holz hergestellt und weist somit gleiche Eigenschaften auf, wie Baumwolle. Im besten Fall ist das Futter jedoch aus Seide.
Je billiger der Anzug, desto weniger Stiche weisen die Nähte auf. Wichtig ist vor allem, dass sie ordentlich und gerade verlaufen. Wer dafür keinen Blick hat, kann einfach den ausgewählten Anzug mit einem teuren High-Ende-Modell vergleichen. Wichtig ist hierbei auch die Hose auf links zu drehen und die inneren Nähte zu begutachten.
Billiganzüge verzichten gerne auf einen ordentlich verarbeiteten Saum. Dadurch fransen die Stoffränder schnell aus.
An Knöpfen lässt sich die Qualität eines Anzugs kaum ausmachen. Diese sind in so gut wie allen Preisklassen aus Kunststoff. Lediglich am oberen Ende haben Anzüge Knöpfe aus Büffelhorn, Steinnuss oder Perlmutt. „Das sind aber eher traditionelle Qualitätsmerkmale“, sagt Stilexperte Bernhard Roetzel.
Trotzdem sollte man sich fragen, wie das Umfeld reagieren könnte, so Motsch. "Wenn jemand im Maßanzug mit eher leger gekleideten Kollegen zusammenarbeitet, muss er sich vielleicht Sprüche anhören, ob er sich für etwas Besseres hält", sagt sie. Handelt es sich bei dem teuren Anzug jedoch nicht um eine Verkleidung, sondern den eigenen Stil, machen flapsige Bemerkungen nichts. Wer sich in seinem Aufzug nicht wohl fühlt, den können entsprechende Kommentare verunsichern.
Ansonsten gilt auch hier: fragen. Gibt es keinen speziellen Dresscode im Unternehmen und der Chef kommt trotzdem immer im Anzug, sollten die Mitarbeiter nachhaken, ob elegantere Kleidung gewünscht ist. Das gilt natürlich auch umgekehrt: Wenn der Chef möchte, dass sich seine Mitarbeiter besser kleiden, muss er das ansprechen.
"Ich persönlich bin ein großer Freund von Richtlinien, die klar vorgeben, wie man sich wann zu kleiden hat. Die Mitarbeiter können ja nicht riechen, wie es die Vorgesetzten haben wollen", sagt Motsch. Denn wenn es in einem Unternehmen zu leger zugehe, leide auch der gelebte Dresscode immer mehr. In Jogginghose wird wohl keiner zur Arbeit erscheinen, aber der Mensch trage in der Regel lieber das bequeme, pflegeleichte Kleidungsstück, als das, was in die Reinigung gebracht oder gebügelt werden müsse.