Sprachsoziologen können das erklären: „Traditionell duzen wir Deutschen nur Menschen, die uns nahestehen oder zu denen wir eine gewisse Verbundenheit entwickelt haben“, sagt Leo Kretzenbacher, deutschstämmiger Linguistikdozent an der Universität Melbourne. Fremden gegenüber scheint uns dagegen meist ein Sie angebracht. „Das zeugt zwar von einer gewissen Distanz“, sagt er, „ist aber meist nicht abweisend gemeint, sondern als Zeichen des gegenseitigen Respekts – schließlich wurden im Deutschen historisch gesehen Erwachsene oft nur einseitig von oben herab geduzt.“
Außerdem verbinden wir mit einem Sie stets eine gewisse Ernsthaftigkeit – ein Du beim Bankberater oder dem Rechtsanwalt würde unseriös wirken. Sprachforscher Kretzenbacher vermutet hinter dem deutschen Widerwillen gegenüber dem Du am Arbeitsplatz kulturspezifische Vorlieben. „Weltweit hat jede Gesellschaft ein unterschiedliches Maß an Nähe entwickelt, das sie als angenehm empfindet – auch sprachlich.“
Lockere Italiener, traditionelle Franzosen
Beobachtungen der Linguistin Bettina Kluge von der Universität Hildesheim bestätigen diesen Befund. Die Franzosen etwa halten an ihrer Höflichkeitsform „vous“ fest – und siezen sich selbst in Internetchats häufiger als die Deutschen.
Italiener und Holländer dagegen amüsieren sich über Deutsche, die sich nach Jahren des Geschäftskontakts gegenseitig siezen, weil sie auf eine passende Gelegenheit bei einem persönlichen Treffen warten. Sie selbst sind meist schon nach ein paar freundlichen Mails beim Du. Sogar die oft als steif geltenden Österreicher duzen sich im Berufsalltag schneller als Angestellte hierzulande.
Für einen derartigen Abgleich kennt die vermeintlich einfache englische Sprache viele Feinheiten: Ob man sich mit Vorname, Nachname oder Spitzname anredet, kann da zum Politikum werden. „Gesellschaften mit einer starken Duz-Kultur entwickeln einfach andere sprachliche Tricks, um die soziale Stellung untereinander zu klären“, sagt Kluge. Auch per Du bleibt es also kompliziert. Darüber machten sich aber viele Deutsche Illusionen, wenn sie neidisch aufs englische „you“ schauen, so Kluge.
Respekt ist keine Frage der Anrede
Der Verzicht aufs Siezen vereinfacht die Kommunikation deshalb nicht zwangsläufig, warnt Experte Kretzenbacher. „Wer glaubt, per Du gehe es automatisch legerer zu, irrt gewaltig. Die sprachlichen Fettnäpfchen stehen einfach nur woanders.“
Das hat Udo Witte ebenfalls erlebt. Der heutige Geschäftsführer des niederländischen Konzerns Aalberts Industries Industrial Services startete seine Karriere in Australien. Sein Englisch war bereits passabel, die sprachlichen Details wollte sich Witte bei den Kollegen abschauen. „Deshalb habe ich auch Formulierungen meines damaligen Chefs übernommen“, sagt Witte. In E-Mails ließ er sich zum Beispiel vom Tonfall seines Vorgesetzten inspirieren– und galt deshalb schnell als der ungehobelte Deutsche, der Leute von oben herab behandelt.
Das hätte den Manager fast seinen Job gekostet. Witte paukte daraufhin noch einmal Business-Englisch, um derartige Fauxpas zu verhindern.
Zehn Tipps für englische Korrespondenz
Anreden wie „Dear Sir or Madam“ oder „To Whom it May Concern“ fallen in den meisten Fällen negativ auf, da sie oft sofort als Werbung angesehen werden – und landen als Spam im Papierkorb. Machen Sie sich die Mühe, die Namen der Adressaten zu recherchieren. Nur wenn das Gegenüber unbekannt ist, findet die formale Anrede Verwendung.
Früher in schriftlicher Form verboten und heute der Normalfall: „I'll, I'm, can't, we're“. Kurzformen aus dem Sprachgebrauch sind in der aktuellen Business-Korrespondenz Gang und Gebe, es sei denn, es handelt sich um ein sehr formales Dokument. Als Faustregel gilt: Wenn Sie es so sagen würden, schreiben Sie es. So wirken Sie auch im Schriftlichen freundlich, ohne unseriös rüberzukommen.
Verwenden Sie aktive statt passive Verben, wann immer es möglich ist. Aktive Verben machen Ihre Texte verständlicher und anschaulicher. Zudem verleihen sie dem Gesagten mehr Nachdruck. Statt “The meeting was led by Tom” schreiben Sie “Tom led the meeting”. Eine einfache Satzstruktur nach dem Muster Subjekt, Verb, Objekt liest sich besser.
Es lohnt sich immer, Pronomen wie „I“, „you“ and „we“ zu benutzen und aktiv zu formulieren – Botschaften wirken gleich individueller und persönlicher. Deshalb statt etwa „As per your request” zum „As we discussed“ greifen.
„Please do not hesitate to contact me should you have any questions.“ Die meisten Muttersprachler werden bei dieser Aufforderung dennoch zögern, Sie zu kontaktieren. Da, wo bereits ein guter Kontakt besteht oder gewünscht wird, entsteht durch solche Phrasen unnötige Distanz. Der Leser muss sich fragen: „Soll ich mich wirklich melden?“ Besser wäre: „Please feel free to contact me if you have any questions“ oder „If there is anything I can do to help, please let me know”. Das ist eine echte Einladung, Kontakt aufzunehmen.
Die Allgegenwart von E-Mail hat unsere tägliche Kommunikation verändert. Was früher Korrespondenz war, wird heute auch im Schriftlichen vielfach zur Konversation. Formal gesehen ist folgender Satz korrekt: „With whom would you like to meet?” Empfehlenswert und weniger formell wirken Fragen, wenn sie direkt mit „who“, „where“, „what“ oder „when“ beginnen. „Who would you like to meet with?“ kann Ihr Gegenüber schneller erfassen und ist daher die bessere Lösung.
Verwenden Sie kein kompliziertes Vokabular und formulieren Sie einfaches Englisch. Gewollt anspruchsvolle Ausdrücke im Text wirken schnell überheblich. Vermeiden Sie lange und komplizierte Wörter, wo ein kurzes dasselbe meint. Statt etwa „utilize“ tut es ein einfaches „use“.
„Thank you in advance for your prompt attention to this matter.” Worauf bezieht sich „this matter“? „Thank you for checking the report“ oder ein allgemeines „Thank you for your help“ ist verständlicher, konkreter und vor allem freundlicher. Es bedeutet genau das Gleiche und wirkt ehrlicher und authentischer.
Ausdrücke wie „We are now in the process of producing...“ klingen zunächst professionell und kompetent. Der Muttersprachler sieht darin allerdings eher eine nichtssagende und zudem überflüssige Worthülse. Im Englischen lassen sich Prozesse, die im Gang sind, präzise allein mit der ing-Form ausdrücken: „We are now producing...“. Auch „It’s important to note“ lässt sich einfacher durch ein schlichtes, höfliches, aber trotzdem bestimmtes „Please note“ ausdrücken. Die Aussage bleibt die Gleiche.
„I confirm herewith the receipt of“ ist vielleicht die perfekte Übersetzung von „hiermit“. Auf Englisch klingt sie steif, hyper-bürokratisch und nach Amtssprache. Ein einfaches „Thank you for sending...“ reicht aus. Formulieren Sie kurze, aussagekräftige Sätze. Und seien Sie konsequent im Kürzen: ist ein Wort überflüssig, einfach weglassen!
Gelernt hat er daraus, dass ein Du oder Sie im Joballtag nicht allein entscheidet. Wichtig sei der faire, respektvolle Umgang miteinander. Und der könne per Du genauso gut gelingen wie per Sie, sagt Witte. Entscheidend sei die Persönlichkeit einer Führungskraft. „Wer zwingend ein Sie braucht, um vor seiner Mannschaft zu bestehen, stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus. Genauso verwandelt ein Du keinen autoritären Vorgesetzten in einen Teamplayer.“
Davon ist auch Carsten Mickeleit überzeugt. Er ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Cortado Holding, eines Berliner Softwarehauses. Alle 200 Mitarbeiter dürfen ihn duzen, egal, ob Vorstandskollege oder Auszubildender. Für Mickeleit kein Problem: „Man kann als Führungskraft respektvoll duzen und angemessenen Abstand wahren.“ Dann ließen sich selbst Kündigungen per Du aussprechen. „Entscheidend ist das Verhältnis untereinander“, sagt Mickeleit, „und nicht die Anredeform.“