Elternzeit Die Babypause wird zur Karrierefalle

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Die Unterstützung des Partners reicht nicht aus

Ähnlich klare Worte findet auch Anne-Marie Slaughter. Die Politik-Professorin stieg 2009 als erste Frau in die Position der Chefin des Planungsstabes im US-Außenministerium auf. Der Job führte sie nach Washington, Mann und beide Söhne blieben in Princeton. Nach zwei Jahren warf sie ihren Posten hin: Der ältere Sohn hatte Probleme in der Schule, Slaughter wollte schlicht für ihn da sein. Anschließend schrieb die Professorin einen Essay über ihre Bewegründe. Der Titel: „Why Women Still Can’t Have It All“ – warum Frauen immer noch nicht alles haben können. Und räumt darin mit den gängigen Phrasen auf: Natürlich könnten Mütter arbeiten, auch in Vollzeit. Aber eben nur in solch privilegierten Positionen, die es einem erlauben, sich den Tag selbst einzuteilen – was als Chefin des Planungstabs im US-Außenministerium nicht immer der Fall sei. Sie könne den Ägyptern schließlich nicht sagen, dass es ihr gerade nicht so gut mit der arabischen Revolution passe, weil ihr Kind krank sei.

Und natürlich: Die Unterstützung des Partners sei wichtig. Aber auch das allein reiche nicht aus. Kritiker warfen Slaughter danach vor, die Ideale emanzipierter Frauen zu verraten. Auf der anderen Seite bestätigen die vielen Zuschriften und Dankesbekundungen arbeitender Mütter und Väter: Endlich sagt es mal eine.

Teilzeit wird nach der Auszeit zur Falle

Denn es sind bei Weitem nicht nur Prominente, die an der Vereinbarkeit scheitern: Betriebswirtin Mareike Weyer etwa hatte sich den ersten Arbeitstag nach ihrer Babypause etwas anders vorgestellt. Seit zehn Jahren arbeitet sie schon für ein großes Logistikunternehmen, direkt nach dem Abitur hat sie dort ein duales Studium begonnen. Nach einem Programm für Nachwuchsführungskräfte betreute sie mit Mitte 20 eigene internationale Großkunden, eine 50-Stunden-Woche und ständige Erreichbarkeit machen ihr wenig aus.

Doch dann bekommt sie ein Kind, mit 27. Und nur ein Jahr später ein zweites. Nach insgesamt drei Jahren Auszeit möchte sie zurück in ihren Job. Anfangs mit 30 Stunden, um langsam weiter aufzustocken. „Ich bin nicht blauäugig in die Babypause gegangen“, sagt Weyer, die eigentlich anders heißt. „Ich nahm mir ein Coaching zum Thema Rückkehr, habe mir vorher genau überlegt, wann ich wieder einsteigen will und wie ich die Kinderbetreuung organisiere.“

Doch mehrere Gespräche mit der Personalabteilung später wird ihr klar, dass all die Mühe umsonst war. Auf 30-Stunden-Basis könne man ihr nur eine Stelle anbieten, heißt es da – als Sekretärin.

Diese Fehler verbauen Frauen die Karriere
1.  Frauen lassen sich von Stellenanzeigen einschüchternKeine Frage, Bewerber sollten Stellenanzeigen sorgfältig durchlesen. Aber zu viel Sorgfalt schadet eher. Ein Problem, das vor allem Frauen betrifft. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Online-Stellenbörse Jobware. 151 Männer und 79 Frauen lasen darin 150 Stellenanzeigen. Währenddessen wurden ihre Augenbewegungen aufgezeichnet, hinterher bewerteten die Studienleiter ihre Aussagen. Das Ergebnis: Frauen klickten im Schnitt nicht nur auf mehr Jobprofile, die sie auch länger durchlasen. Mehr noch: Sie ließen sich wesentlich stärker von vermeintlich männlichen Stellentiteln und Qualifikationen beeindrucken – und wollten sich gar nicht erst bewerben. Ein Indiz dafür, dass sich Frauen von manchen Anforderungen immer noch zu stark beeindrucken lassen. Ein Problem, das schon früh beginnt... Quelle: Fotolia
2. Schon Mädchen scheuen WettbewerbMatthias Sutter und Daniela Rützler von der Universität Innsbruck untersuchten in einer Studie das Verhalten von mehr als 1000 Kindern im Alter zwischen 3 und 18 Jahren. Sie sollten verschiedene Tests lösen, etwa Wettläufe oder Matheaufgaben. Als Belohnung erhielten sie kleine Geldbeträge. Im Verlauf des Spiels konnten die Kinder dann gegen Gleichaltrige antreten und dabei mehr verdienen. Bei den Jungen entschieden sich 40 Prozent für den Wettkampf unter Gleichaltrigen. Von den Mädchen wollten das nur 19 Prozent wagen. Quelle: Fotolia
3. Frauen unterschätzen ihre LeistungErnesto Reuben von der Columbia Business School gewann für sein Experiment (.pdf ) 134 Studenten. Alle hatten zwei Jahre zuvor verschiedene Aufgaben absolviert, jetzt sollten sie ihre damalige Leistung bewerten. Das Ergebnis: Die Männer überschätzen ihre tatsächliche Leistung um rund 30 Prozent überschätzt, die Frauen hingegen um weniger als 15 Prozent. Im zweiten Schritt teilte Reuben die Teilnehmer in Gruppen. Sie sollten einen Vertreter wählen, der für die Gruppe Geld gewinnen konnte. Das Ergebnis: Weil sie zu ehrlich waren, schafften es weibliche Teilnehmer drei Mal seltener als Männer, die Rolle des Anführers zu übernehmen. Quelle: Fotolia
4. Frauen lassen sich von Klischees beeinflussenMarina Pavlova vom Universitätsklinikum Tübingen reichte für ihre Studie im Jahr 2010 83 Medizinstudenten den Abschnitt eines Intelligenztests. Dabei sollten sie eine Reihe von Bildern in die richtige Reihenfolge zu bringen. Doch vorab gaukelte Pavlova der einen Hälfte der Teilnehmer vor, dass Frauen bei dieser Aufgabe generell besser abschneiden. Die andere Hälfte erfuhr, dass Männer darin bessere Ergebnisse erzielen. Ergebnis: Die Frauen ließen sich von negativen Aussagen viel stärker beeinflussen als Männer. Deren Leistung litt kaum unter der Vorab-Information. Quelle: Fotolia
5. Frauen sind schneller zufriedenDer Soziologe Stefan Liebig von der Universität Bielefeld analysierte für seine Studie (.pdf ) Daten des Sozio-oekonomischen Panels. In dieser Langzeitstudie machen 10.000 Deutsche regelmäßig Angaben zu Ihrem Beruf und Privatleben. Liebig wollte wissen, ob sie ihr aktuelles Einkommen als gerecht empfanden - und falls nein, welches Nettogehalt angemessen wäre. Wenig überraschend: Etwa jeder dritte Befragte fand sein Einkommen ungerecht. Doch das Einkommen, das Frauen als gerecht empfanden, lag noch unter dem tatsächlichen Gehalt von Männern. Egal ob Akademikerin oder Reinigungskräfte: Frauen hatten finanzielle geringere Ansprüche. Quelle: Fotolia
6. Frauen scheuen Jobs mit WettbewerbAndreas Leibbrandt und John List schalten für ihre Untersuchung Stellenanzeigen in neun US-Städten – in zwei verschiedenen Versionen. Die eine Ausschreibung suggerierte, dass das Gehalt nicht verhandelbar sei. Die andere behauptete, dass das Gehalt Verhandlungssache sei. Fazit: Bei letzterer Stelle bewarben sich wesentlich mehr Männer. Offenbar meiden viele Frauen Jobs mit starkem Konkurrenzdenken. Quelle: Fotolia
Ein Mann hält einen Zettel mit der Aufschrift "Job gefällig?" in der Hand Quelle: dpa

In den Köpfen der Frauen hat sich viel verändert

Weyer lehnt ab und kümmert sich selbst um eine neue Aufgabe. Telefoniert alte Kontakte ab und findet schließlich eine passende Teilzeitstelle im Unternehmen. Allerdings ohne eigene Kunden-Verantwortung – die erfahrene Betriebswirtin liefert fortan nur noch anderen Kollegen zu.

Doch das reicht Weyer nicht. Sie fühlt sich zunehmend unterfordert und beginnt, über Alternativen nachzudenken. Nach elf Monaten verlässt sie das Unternehmen erneut in die Elternzeit und beginnt im Fernstudium einen Master in General Management. Wenn sie in sechs Monaten ihren Abschluss in der Tasche hat, wird sie nicht zu ihrem alten Arbeitgeber zurückkehren. „Ich möchte künftig in einem familienfreundlichen Unternehmen arbeiten, in dem Mitarbeiter als wichtiger Erfolgsfaktor erkannt werden“, sagt sie.

Natürlich – in den letzten Jahren hat sich einiges getan. In den Unternehmen, in der Politik. Aber vor allem in den Köpfen der betroffenen Frauen selbst. Zum einen kehren Mütter nach der Geburt sehr viel schneller zurück in den Job als früher. Noch vor zehn Jahren setzten Frauen häufig zwei oder drei Jahre aus, heute beträgt die Elternzeit Experten zufolge meist nur noch ein Jahr.

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