Erfolg im Beruf Männerkarriere trotz Frauenquote?

Der Daimler-Betriebsrat will sie verhindern, KPMG hält sie für notwendig: Derzeit wird wieder über die Frauenquote debattiert. Droht hoch qualifizierten Männern eine Diskriminierung durch die Quote?

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Nur wenige Unternehmen bereiten sich konkret auf die Frauenquote vor. Quelle: dpa

Prädikatsexamen, beste Zeugnisse, knapp zehn Jahre Personalverantwortung in verschiedenen Unternehmen, aufgestiegen bis zur zweiten Managementebene, darunter drei Jahre in Peking verantwortlich fürs Asien-Geschäft, MBA: Jürgen Grüttner hatte jahrelang zielgerichtet darauf hingearbeitet, es bis ganz nach oben zu schaffen.

Als ein Konzern einen neuen Personalchef suchte, schien er kurz vor dem Ziel: Die Stelle passte perfekt zu dem 52-Jährigen, aus Sicht des vom Unternehmen beauftragten Headhunters war Grüttner der am besten qualifizierte Kandidat. Das Problem: Das Unternehmen wollte ihn nur der Form halber kennenlernen. Der Grund: Unter den drei Kandidaten der letzten Runde waren neben ihm auch zwei Frauen mit beachtlichen, wenn auch nicht besseren Lebensläufen.

Einzige Chance Geschlechtsumwandlung

"Der Mann hatte von Anfang an keine Chance", erinnert sich der mit der Kandidatensuche beauftragte Partner einer großen deutschen Personalberatung – der seinen wahren Namen genauso wenig preisgeben möchte wie Grüttner. Zu groß ist die Angst vor Repressalien. "Um eine Chance auf den Posten zu haben, hätte ich ihm eigentlich nur einen Rat geben können: eine Geschlechtsumwandlung."

Was auf den ersten Blick wie ein billiger Witz wirkt, entwickelt sich seit einigen Jahren für immer mehr hoch qualifizierte Männer zur bitteren Realität: Weil die Unternehmen eine gesetzliche Frauenquote fürchten wie der Teufel das Weihwasser, üben sie sich panikartig in vorauseilendem Gehorsam.

Verpflichten sich freiwillig, den Frauenanteil in ihren Führungsetagen und Aufsichtsräten in den kommenden Jahren deutlich zu erhöhen. Suchten im In- und Ausland händeringend nach geeigneten Kandidatinnen. Und verordneten sich Frauenförderprogramme, um zumindest in ein paar Jahren die Chance zu haben, die selbst auferlegten Quotenziele zu erfüllen.

Kein Unternehmen will sich noch länger das Image eines Macho-Ladens leisten, kaum ein Konzernlenker lässt eine Gelegenheit aus, um zu betonen, sich nichts sehnlicher zu wünschen als mehr Frauen in Führungspositionen.

Bringt die Quote Nachteile bei der Stellenbesetzung?

Doch die sind mitunter gar nicht so leicht zu finden: Ab dem Jahr 2016 sollen die deutschen Aktiengesellschaften eine 30 Prozent Frauenquote in den Aufsichtsräten erfüllen - so sieht es ein aktueller Gesetzentwurf der Großen Koalition vor.

In der Sonderfrage des aktuellen Randstad-ifo-flexindex wurden mehr als 1.000 Personalleiter gefragt, ob sie beim Erzielen einer generellen Frauenquote im höheren Management Schwierigkeiten befürchten. Die Lager der HR-Verantwortlichen sind gespalten: 46 Prozent der Befragten vermuten Probleme bei der Erfüllung einer Frauenquote in Führungspositionen - besonders größere Betriebe und Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe sind in ihrer Einschätzung eher kritisch.

Dagegen sieht mit 48 Prozent fast jeder zweite Personalleiter keinerlei Schwierigkeiten beim Erzielen einer solchen Quote. Im zweiten Teil der Sonderfrage wurden die befürchteten Hemmnisse anschließend genauer untersucht.

Rund 25 Prozent der Unternehmen prognostizieren als mögliches Problem, dass "nur wenige Frauen in der Branche tätig" sind. Rund 14 Prozent der Personalleiter befürchten "keine geeigneten Bewerberinnen" zu finden. Aus genau diesem Grund hält auch der Daimler Betriefsratschef Michael Brecht die Quote für verfehlt und forderte von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), das geplante Gesetz zur Frauenquote in Aufsichtsräten zu überarbeiten.

"Es wäre kein Dienst an der Mitbestimmung, wenn aufgrund der pauschalen 30-Prozent-Quote Frauen in den Aufsichtsrat einziehen würden, die diesen Rückhalt in der Belegschaft nicht haben", schreibt Brecht, der bei dem Autobauer stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist. Der Frauenanteil der Arbeitnehmerseite im Daimler-Aufsichtsrat beträgt derzeit 20 Prozent.

Diese Sorgen treiben allerdings überwiegend die Männer um. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov glaubt die Hälfte der deutschen Männer, dass es für die Unternehmen schwierig sein wird, genügend qualifizierte Frauen für die jeweiligen Posten zu finden.

Diese Ansicht teilen jedoch nur 35 Prozent der Frauen. 54 Prozent der Frauen sagen, sie erwarteten keine Probleme bei der Rekrutierung weiblicher Aufsichtsratsmitglieder.

Ist die Quote eine umgekehrte Diskrimminierung?

Immerhin kommt Bewegung in die Männerriegen in den Vorstandsetagen: Nachdem der Frauenanteil in den Vorständen der DAX-30-Unternehmen seit Ende 2012 durchgehend von 7,8 Prozent auf 5,5 Prozent im Juli dieses Jahres gesunken war, liege er nun bei sieben Prozent. Immerhin drei Vorständinnen seien in den vergangenen Monaten berufen worden.

"Es besteht Hoffnung, dass die Talsohle beim Frauenanteil in den Vorständen der DAX-30-Unternehmen durchschritten ist", sagt Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am DIW Berlin. "Ob die Entwicklung nachhaltig ist, muss sich allerdings erst noch zeigen."

Für die Wirtschaft wäre das gut, sie kann es sich einfach nicht länger leisten, die Hälfte ihrer Leistungsträger links liegen zu lassen. Entsprechend suchen Unternehmen und Headhunter nach qualifizierten Frauen - und lassen ihnen im Zweifelsfall den Vortritt.

"Auf den Empfehlungslisten der Headhunter sind Frauen längst in der Überzahl. Die Männer, die dort aufgelistet sind, haben mitunter nur noch Alibi-Funktion", sagt Manfred Gentz, Aufsichtsratschef der Deutschen Börse und Mitglied der Corporate Governance Kommission der Bundesregierung. "Selbst wenn sie besser qualifiziert sein sollten als ihre Konkurrentinnen, ist davon auszugehen, dass derzeit meistens Frauen den Vorzug erhalten. Das könnte man als umgekehrte Diskriminierung bezeichnen."

Eine Haltung, die bei vielen verständnisloses Augenrollen auslöst. Der Vorwurf: Da äußere sich nun mal ein alternder Männerversteher aus dem Old Boys Network, der den Zeiten der Deutschland AG nachtrauert, in denen Vorstands- und Aufsichtsratsposten schon mal beim Bier an der Hotelbar ausgekungelt wurden – und Kandidatinnen dabei so exotisch waren wie Meerschweinchen auf dem Mount Everest.

Nachteil Y-Chromosom

Um eine wie auch immer geartete Quote einlösen zu können, müssten, schon rein rechnerisch, Männer bei gleicher Qualifikation benachteiligt werden, sagt aber auch Jürgen Schupp, Leiter des Sozioökonomischen Panels beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten ist es wenig plausibel, warum jüngere Männer nun jahrelang für die fraglos vorhandenen Versäumnisse der Vergangenheit büßen sollen."

Oder, wie es Jurist Jan Lüttringhaus vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht ausdrückt: "Eine Frauenquote bekämpft die Diskriminierung der Frauen nun mithilfe einer sogenannten ,umgekehrten Diskriminierung‘ der Männer. In der Sache heißt das aber nichts anderes, als dass neue an die Stelle alter Ungleichbehandlungen treten."

Ein Argument, dem auch die oberste Bundesfrauenbeauftragte etwas abgewinnen kann: "Jeder, der über die Frauenquote redet, muss zugeben, dass sie im Einzelfall gegenüber Männern ungerecht sein kann. Der Mann, der wegen der Quote nicht zum Zuge kommt, kann ja nichts dafür, dass er ein Y-Chromosom hat und dass jahrhundertelang Männer dominiert haben", sagte die ehemalige Bundesfrauenministerin Kristina Schröder bei der Vorstellung ihrer Pläne zur Frauenquote im Jahr 2011. Sie selbst sagte: "Wer Frauen fördert, darf Männer nicht diskriminieren. Jede Quote ist eine Krücke."

Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?

Und zwar eine, die bei dem einen oder anderen Alphamännchen ohnmächtige rhetorische Beißreflexe auslöst – oder den Griff in die Trickkiste subversiver Abwehrmaßnahmen. Bei der einen oder anderen Frau immerhin dürfen die weidwunden Männer auf ein wenig Verständnis hoffen: "Wir laufen Gefahr, Männer zu diskriminieren", sagte etwa Annette Winkler, Chefin der Daimler-Sparte Smart, „wenn bei gleicher, manchmal sogar niedrigerer Qualifikation der weibliche Kandidat das Rennen machen würde."

Genau das aber erlebte Thomas Bichler. Der Personalchef eines Mittelständlers aus Baden-Württemberg war auf der Suche nach einem Spartenchef mit Personalerfahrung. Unter den Bewerbern waren einige hoch qualifizierte Männer. Eingestellt aber hat Bichler eine Frau.

Allerdings nicht, weil sie besser war als ihre männlichen Konkurrenten. "Die Entscheidung fiel aufgrund der politischen Großwetterlage", sagt Bichler – der nur unter der Bedingung mit der Sprache rausrückte, seine Identität nicht öffentlich zu machen. "Wenn rauskommt, dass ich erzähle, was hier los ist, bin ich meinen Job los."

Diese Angst vor dem Jobverlust ist es auch, die erste Männer in die innere Emigration treibt. "Ich sehe, wie immer mehr Frauen mit ähnlichen Qualifikationen an mir vorbeiziehen", sagt ein promovierter Wirtschaftsingenieur eines regionalen Energieversorgers unter dem Deckmantel der Anonymität. Er hatte sich vergebens um die Stelle eines Bereichsleiters beworben, auch hier ging der Zuschlag an eine Frau. "Ich fühle mich machtlos."

Ein Gefühl, das auch Alexander Reiter von einigen seiner männlichen Mandanten kennt. Denn die Unternehmen, die den Personalberater aus dem pfälzischen Frankenthal beauftragen, seien sehr auf Frauen fixiert. Das Problem: Er findet kaum welche mit dem richtigen Profil.

"Mit viel Goodwill wählen wir auch schon mal eine auf dem Papier offensichtlich schlechter qualifizierte Frau aus", sagt Reiter. Und fragt sich, warum "zukünftig eine Frau nur deshalb qualifizierter sein soll, weil sie eine Frau ist."

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