Den Satz hört man oft: „Das liegt ihm in den Genen“! In der Konsequenz sagt dieser Satz aus: „Wer das nicht in den Genen hat, kann es nicht so gut.“ Aber ist das wirklich so?
Nun ist die Frage nach „nature or nurture“, also ob Natur (Gene) oder das kulturelle Umfeld uns mehr prägen, eine Dauerdebatte der Wissenschaft. Und ein eindeutiges Entweder-Oder ist wohl in jedem Fall die falsche Antwort. Außerdem: Wir wissen mittlerweile, dass das Erbgut, also die DNA eines Lebewesens, nicht unveränderlich feststeht. Man kann sich zwar nicht aussuchen mit welcher DNA man geboren wird. Seit einigen Jahren ist jedoch erwiesen, dass sich der genetische Code nicht nur durch zufällige Mutationen, sondern durch Reaktionen auf das Umfeld durchaus verändern kann. Diese Epigenetik ist eines der interessantesten Forschungsfelder der Lebenswissenschaften.
Ich denke, man kann davon ausgehen, dass es genetische Anlagen gibt, die zum Alphatier prädestinieren. Alphatiere sind bei Herdentieren die „ersten“, also diejenigen, die die Herde führen. Entsprechend werden die ihnen im Rang nachfolgenden Betatiere genannt. Im übertragenen Sinne kann man auch in menschlichen „Herden“ – zum Beispiel Unternehmen – Alphatiere finden, die zum Führen geboren sind. Ich schätze, dass etwa 75 Prozent der Top-Manager solche genetischen Alphatiere sind. Auch im mittleren Management sind sie sicher deutlich in der Überzahl. Von Vollblutunternehmern ganz zu schweigen.
Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass wer mit den Erb-Eigenschaften des Betatieres, also des Rangniedrigeren, geboren wird, keinen Einfluss auf seinen Platz in einer Rangordnung hat. Ich denke, dass man das Verhalten der menschlichen Alphatiere wie einen Code knacken kann, wenn man ihn kennt - auch als Betatier.
1. Der Smalltalk–Code: Ein Alphatier sucht immer relevante Informationen, welche es beruflich weiterbringen. Wenn es diese nicht bekommt, ist es sehr schnell gelangweilt und unaufmerksam. Betatiere neigen dazu, Informationen zu sammeln. Das kostet sehr viel Zeit und bringt selten das gewünschte Ergebnis. Verzichten Sie daher auf lange Monologe und kommen Sie schneller auf den Punkt. Dadurch konzentrieren sie sich auf das Wesentliche und bauen Sie Ihren Status dadurch auf.
2. Der Gesprächspartner–Code: Alphatiere achten auch drauf, mit wem sie sprechen. Sie möchten ihre Zeit mit Menschen verbringen, die sie beruflich weiter bringen. Alle anderen Personen werden sehr schnell „abgearbeitet“. Betatiere hingegen verbringen ihre Zeit oft mit Menschen, die sie mögen. Das ist für den privaten Kontext auch völlig in Ordnung, beruflich allerdings eher kontraproduktiv. Stellen Sie sich, wenn Sie als Alphatier gelten wollen, immer die Frage: „Bringt mich dieses Gespräch jetzt weiter, oder kostet es nur Zeit und Energie“.
Alphatiere machen keine Fehler
3. Der Ziele–Code: Alphatiere gehen nie ohne ein Ziel vor Augen in das Gespräch. Sie wissen von Anfang an, was sie erreichen oder sogar durchsetzen möchten. Vielleicht ist es eine bestimmte Abschlusssumme, vielleicht ist es auch ein bestimmtes Budget, oder eine Gehaltserhöhung. Der Fokus bestimmt die Ergebnisse. Umso größer das gewünschte Ziel, desto bessere Ergebnisse. Alphatiere haben immer große Ziele.
4. Der Keine-Fehler-Code: Alphatiere machen keine Fehler – denken Sie zumindest. Sie leben nach dem Motto: Deine Meinung ist zwar richtig, meine gefällt mir aber besser. Wo liegt der Unterschied? Betatiere denken auch Tage später immer noch an ihre Fehler. Alphatiere schlafen eine Nacht darüber und am nächsten Tag wissen sie nichts mehr von einem Fehler. Sie haben wieder einzig und allein ihr Ziel vor Augen.
5. Der Mittelpunkt–Code: Das Alphatier glaubt, das Zentrum des Universums zu sein – und ein großes Alphatier denkt, es ist das Universum selbst. Sie lieben es im Mittelpunkt zu stehen und Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen.
Während dessen machen sich Betatiere häufig selbst sehr klein. Sie möchten nicht weniger Wertschätzung erhalten als Alphatiere, vermeiden aber dafür das Rampenlicht. Oft steckt hinter der falschen Zurückhaltung auch die Angst, etwas Falsches zu machen. Die Sicherheit über die eigene gute Wirkung nach Außen kommt allerdings nur mit dem Tun.
6. Der Entscheidungs-Code: Alphatiere sind in der Lage, sehr schnelle Entscheidungen zu treffen. Sie nehmen eine Information auf, verwerten diese und treffen sofort eine Entscheidung. Sie sind also Informationsverwerter. Betatiere hingegen sind Informationssammler. Bevor sie sich festlegen, brauchen sie Meinungen von außerhalb. Sie befragen ihr Umfeld und wägen dann noch länger ab. Dies führt oft zu verpassten Chancen oder dazu, dass man sie bei wichtigen Entscheidungen außen vor lässt, da es sonst zu lange dauert. Daher empfehle ich den Betatieren: mehr auf den Bauch hören.
7. Der Dominanz–Code: Alphatiere können zeitweise sehr dominant wirken. Das liegt an ihrer direkten und unverblümten Art. Sie lassen sich nicht gerne von Außen beeinflussen und Widerstand dulden sie natürlich schon gar nicht. Wie gesagt, ihr Motto lautet: Du hast zwar recht, aber meine Meinung gefällt mir trotzdem besser. Betatiere bevorzugen in Ihren Gesprächen die indirekte Kommunikation. Sie kommen oft nicht auf den Punkt, aus Angst vor einem negativen Kontra ihres Gegenübers. Vertreten Sie charmant, aber standhaft Ihre Meinung, auch wenn es zeitweise dominant wirkt. Und denken Sie immer daran: Everybody´s darling is everybody´s ...
Noch ein Tipp, wenn Sie sich im oben genannten als Betatier wiedererkannt haben und Ihren Verhaltenscode in Richtung Alphatier ändern möchten, dann ist folgendes besonders wichtig: Sammeln Sie positive Referenzerlebnisse für den neuen Code. Wo hat das ein verändertes Alpha-Verhalten schneller zum Ziel geführt?
Und denken Sie immer daran: In vielen Tierherden übernimmt nach dem Tod oder dem Scheitern des Alphatiers ein Betatier das Kommando.