Exklusive ZEW-Studie Studie zeigt die wahren Auswirkungen des Homeoffices

Mütter im Homeoffice profitieren, kümmern sich aber auch mehr um ihre Kinder. Quelle: Imago Images/Westend61

Vier von zehn Unternehmen gestatten ihren Angestellten zumindest gelegentlich von zu Hause zu arbeiten. Arbeitsmarktforscher haben nun ermittelt, was das für Arbeitszeit und Verdienst bedeutet.

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Etwa jeder achte Beschäftigte in Deutschland arbeitet zumindest gelegentlich vom heimischen Schreibtisch aus. Dabei wäre das theoretisch in vier von zehn Jobs möglich, sagt der Arbeitsmarktexperte Karl Brenke. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will deshalb ein Recht auf Homeoffice einführen. Aber wäre das im Sinne von Arbeitnehmern und Unternehmen?

Vier von zehn Arbeitgebern bieten laut einer Bitkom-Umfrage diese Möglichkeit an. Ökonomen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) haben jetzt untersucht, wie Heimarbeit sich auf Arbeitszeit und Verdienst auswirkt. Zentraler Befund ihrer noch unveröffentlichten Studie: Angestellte arbeiten im Homeoffice tendenziell länger – gerade Frauen mit Kind verdienen dadurch aber auch besser.

Das Mannheimer Forschertrio Melanie Arntz, Sarra Ben Yahmed und Francesco Berlingieri analysierte Daten aus dem Sozioökonomischen Panel, einer jährlichen Befragung von Haushalten. Zwischen 1997 und 2014 leisteten Angestellte ohne Kinder im Homeoffice im Durchschnitt eine Überstunde mehr. „Gleichzeitig waren sie etwas zufriedener mit ihrem Job, obwohl sich die Überstunden nicht im Gehalt niederschlagen“, schreiben die Autoren.

Eine Gruppe stellt die Möglichkeit, am heimischen Schreibtisch zu arbeiten, aber offenbar deutlich besser: berufstätige Mütter. Die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit lag laut ZEW dreieinhalb Stunden über der von Müttern, die stets im Büro sitzen. Mutmaßlich, weil Mütter im Homeoffice seltener auf Teilzeit umsteigen müssen, um ihren Nachwuchs zu betreuen.

Entsprechend verdienen sie auch besser als Mütter, die stets am Arbeitsplatz sind: Den Analysen zufolge rund 16 Prozent. Hingegen verzeichneten Väter, die zumindest gelegentlich vom heimischen Schreibtisch arbeiten, gegenüber ihren Kollegen lediglich ein Plus von zwei Prozent. „Heimarbeit reduziert den Gender Gap deutlich“, folgern die Forscher – also das Phänomen, dass Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer.

Allerdings nutzen Frauen und Männer die hinzu gewonnene Flexibilität unterschiedlich. Das hat die Arbeitszeitforscherin Yvonne Lott vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung festgestellt. Lott beobachtet bei Müttern eine „Doppelbelastung“: „Mütter im Homeoffice investieren durchschnittlich drei Stunden mehr in Kinderbetreuung in der Arbeitswoche als Mütter, die nie im Homeoffice arbeiten.“

Väter kümmern sich dagegen kaum mehr um ihren Nachwuchs. Stattdessen neigen sie dazu, im Homeoffice „deutlich länger zu arbeiten“. So mögen sie sich an manchen Tagen den Weg zur Arbeit sparen, häufen dafür aber – in der Regel unbezahlte – Überstunden an.

Beschäftigte unterscheiden sich in Sachen Homeoffice aber nicht nur je nach Geschlecht stark, sondern auch nach ihrem Einkommen. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion geht hervor: Je höher der Verdienst, desto häufiger nehmen Beschäftigte das Arbeiten im Homeoffice in Anspruch.

Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für das Jahr 2017 zeigen demnach: Rund 40 Prozent der Vollzeit-Beschäftigten mit einer entsprechenden Vereinbarung verdienten 5000 Euro Brutto und mehr. 26 Prozent verdienten zwischen 3500 Euro und 5000 Euro im Monat.

Bei Beschäftigten mit einem Bruttolohn von 2500 Euro bis 3000 Euro nutzten nur sieben Prozent das Homeoffice. Personen mit einem höheren Ausbildungsniveau hätten häufiger die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, schreibt die Bundesregierung.

Dies sei unter anderem damit zu erklären, dass sich eher gut bezahlte Tätigkeiten für Homeoffice eignen. So gebe es beispielsweise bei Führungskräften und in Informations- und Kommunikationsberufen einen relativ hohen Anteil von Homeoffice, führt die Regierung in ihrer Antwort aus. Es liegt auf der Hand, dass Jobs am Fließband oder in der Werkshalle kaum außerhalb des Arbeitsplatzes zu erledigen sind.

In der Koalition sorgt der SPD-Vorstoß für einen Rechtsanspruch auf Heimarbeit für Zwist. Führende Unionspolitiker um Wirtschaftsminister Peter Altmaier lehnen das ab. Und auch viele Unternehmen sind offenbar skeptisch. Deutlich mehr als die Hälfte jener Firmen, die bislang kein Homeoffice anbieten, haben das der Bitkom-Umfrage zufolge auch nicht vor oder äußern generelle Einwände – etwa, dass sie ihre Angestellten nicht ungleich behandeln wollen oder sinkende Produktivität fürchten.

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