Nicholas Bloom, Professor an der amerikanischen Stanford-Universität, veröffentlichte im Jahr 2014 eine umfassende Studie. Dazu hatte er neun Monate lang knapp 250 Callcenter-Mitarbeiter eines chinesischen Reiseunternehmens begleitet. Die eine Hälfte arbeitete wie gewohnt im Büro, die andere von zu Hause aus. Das hatte durchaus positive Seiten: Sie leisteten mehr und waren seltener krank. Doch gleichzeitig entdeckte Bloom einen veritablen Nachteil: Sie wurden seltener befördert.
Eine Erkenntnis, die zu Hofmanns Erfahrungen passt. „Wir sind immer noch so sozialisiert, dass wir zum Arbeiten ins Büro rennen“, sagt sie. „Im Umkehrschluss denken wir: Wer nicht im Büro ist, der arbeitet auch nicht.“ Diese Haltung müssten vor allem die Führungskräfte überdenken, wenn sie leistungsgerecht befördern wollen.
Experten empfehlen Vorgesetzten, Beurteilungen nicht an Jahresziele zu knüpfen. Angestellte im Homeoffice bräuchten kurzfristigere Ziele. Das steigere ihre Motivation und erleichtere dem Chef die Bewertung. Beraterin Hofert sieht aber auch die Mitarbeiter in der Pflicht, ihre Leistung sichtbar zu machen. Sie rät ihren Klienten, niemals komplett von zu Hause zu arbeiten. „Sichtbarkeit erreichen Sie nur, wenn Sie ab und zu vor Ort sind“, sagt Hofert – egal, ob in einer Woche im Monat oder an einem festen Tag in der Woche.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitgeber
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Flexible Arbeitsmodelle eignen sich nicht für alle Aufgaben. Firmen müssen deshalb klare Regeln für den Rahmen für die Nutzung (wer kann flexibel arbeiten) und die Umsetzung (Anwesenheitspflichten, Arbeitsumfang, Verfügbarkeit) vorgeben. Gallup hat in verschiedenen Studien herausgefunden, dass gerade Mitarbeiter im Home-Office häufig nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Deshalb müssen Führungskräfte ihre Erwartungen und die Aufgaben besonders deutlich formulieren.
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Die Ausschöpfung des vollen Leistungspotenzials hängt stark von der Motivation und persönlichen Stärken ab. Für Personen, die ein sehr großes Bedürfnis nach sozialer Interaktion haben, ist die Arbeit im Home-Office nicht ideal. Ein häufiger Fehler ist, flexible Arbeitsmodelle als „Belohnung“ für besondere Leistungen einzusetzen. Das schafft falsche Anreize. Daher sollte aufgrund der Stärken oder Arbeitsweisen des einzelnen Mitarbeiters entschieden werden, ob dieser Home-Office oder mobiles Arbeiten nutzen kann und darf.
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und „loslassen“ können.
Die bloße Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit. Schafft ein Mitarbeiter seine Arbeit zu Hause schneller als im Büro, sollte sich die Führungskraft darüber freuen – und nicht aus Prinzip auf das Erfüllen von Zeitkontingenten bestehen. Generell sollte eine Führungskraft den Rahmen für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter schaffen, sich selbst einbringen zu können.
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Jeder Mensch entwickelt seine eigene Arbeitsweise. Gleiches gilt für die Zeitplanung bei flexiblen Arbeitsmodellen. Starre Zeitkorsetts demotivieren und behindern eine produktive Arbeitseinteilung. Der Mitarbeiter muss an seinen Leistungen gemessen werden. Dies erfordert ein grundlegendes Performance Management im Unternehmen, das Leistungen objektiv definiert und misst.
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Bei Heimarbeitern sollte das Feedback bewusster und regelmäßiger erfolgen als bei den Kollegen vor Ort. Wenn Führungskräfte ein ehrliches Interesse an ihren Mitarbeitern zeigen, deren Arbeit regelmäßig bewerten und über die persönliche Weiterentwicklung sprechen, können sie die Mitarbeiter auch über große Distanzen hinweg binden.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Das gilt insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Wenn der Mitarbeiter spätabends noch E-Mails schreibt, ist er dann überlastet? Oder ist das nur sein persönlicher Arbeitsstil? Um diese Frage zu beantworten, müssen sich Führungskräfte auch für den Mitarbeiter als Menschen interessieren und dessen Stärken, Routinen und familiäres Umfeld kennen. Gallup hat über 10 Millionen Menschen weltweit zum Thema »Mein Vorgesetzter/ Meine Vorgesetzte oder eine andere Person bei der Arbeit interessiert sich für mich als Mensch« befragt. Personen, die diesem Satz zustimmen, bleiben häufiger in ihrem Unternehmen, haben mehr emotional gebundene Kunden, sind erheblich produktiver und erwirtschaften mehr Gewinn.
Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Für ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Aufgaben ist ein enger Austausch im Team notwendig. Auch und gerade bei flexiblen Arbeitsmodellen. Häufig sorgen jedoch schwierige Terminabstimmungen oder ungenügende Kommunikationswege für Reibung. Regelmäßige Statusmeetings ermöglichen allen Beteiligten, Projektstände auszutauschen, Ideen vorzustellen, Aufgaben zu besprechen und frühzeitig Schwächen aufzuzeigen.
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen – und so das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Der Mensch benötigt täglich 6 Stunden soziale Interaktion, um sich wohl zu fühlen und gesund zu bleiben. Wenn Kollegen und Vorgesetzte sich auch über das Berufliche hinaus schätzen, entsteht ein positives Arbeitsumfeld und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl. Für die zwischenmenschlichen Beziehungen sind regelmäßige persönliche Treffen unverzichtbar.
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Die Anforderungen an Arbeitsplätze haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Informationstechnologien und Arbeitsmodelle stark verändert. Doch noch immer gilt: Mitarbeiter brauchen eine Arbeitsumgebung, in der sie produktiv arbeiten können, in der sie sich wohlfühlen und willkommen sind. Das gilt ebenso für flexible Arbeitsmodelle. Maximale Flexibilität bedeutet auch, dass ein Mitarbeiter neben dem Arbeitsplatz z.B. im Home-Office auch Zugriff auf einen Arbeitsplatz im Team hat. Wie dieser gestaltet ist (z.B. durch Tablesharing oder Rollcontainer) muss vorab geklärt sein und dem Bedarf angepasst sein.
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur und den Unternehmenszielen vereinbar sind.
Mitarbeiter, die der Aussage zustimmen „Die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma geben mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist“, sind produktiver und bleiben ihrem Unternehmen länger treu. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmenskultur und flexible Arbeitsmodelle aneinander angepasst werden: In Unternehmen, in denen ein Kontrollzwang herrscht, werden Home-Office und mobiles Arbeiten nicht zum Erfolg führen. Und wer von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder von Flexibilität spricht, muss dies auch in der Praxis einlösen.
Die Überblicksstudie der International Labour Organization aus dem vergangenen Februar bestätigt: Wer von zu Hause oder unterwegs arbeitet, kommt auf mehr Arbeitszeit als die Kollegen im Büro. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen sind Menschen im Homeoffice häufiger auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar, weil sie Flexibilität gewohnt sind. Zum anderen behindern technische Probleme die Abläufe und erschweren Kommunikation mit Kollegen.
Um diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen, müssen Arbeitgeber technisch aufrüsten. Microsoft etwa bietet seinen Kunden dafür Softwarelösungen, die der Konzern auch selbst nutzt. Der Softwareriese gilt als Vorreiter, schon im Jahr 2014 hat er neben der Vertrauensarbeitszeit auch den Vertrauensarbeitsort eingeführt. „Damit das funktioniert, ist eine reibungslose Kommunikation die Grundvoraussetzung“, sagt Kay Mantzel, Experience Manager bei Microsoft, der Kunden regelmäßig das Arbeitskonzept des Unternehmens erklärt.
Microsoft-Mitarbeiter nutzen diverse Softwarehelfer. Der wichtigste ist Skype for Business, das Internettelefonie und Chat vereint. Die Ampelanzeige im Chat signalisiert den Kollegen, wie beschäftigt man gerade ist: Grün steht für „erreichbar“, Gelb für „nicht am Platz“, Rot für „beschäftigt“ und Rot mit einem weißen Strich für „nicht stören“. Die Informationen zieht die Anwendung direkt aus dem Outlook-Kalender. Dessen akribische Pflege ist für jeden Mitarbeiter ein Muss. Außerdem haben alle an einem Projekt beteiligten Personen mithilfe eines eigenen Programms jederzeit Zugriff auf alle wesentlichen Informationen. Die Anwendung integriert nicht nur Chat und Kalender, sondern auch die Dokumentenablage.
„Damit dämmen wir die E-Mail-Flut deutlich ein“, sagt Mantzel. „Das spart allen Zeit.“
Ob sich bei Microsoft nun alle in die virtuelle Arbeitswelt zurückziehen? Im Gegenteil. Mit der Eröffnung der neuen Deutschlandzentrale im vergangenen Herbst setzt das Technologieunternehmen auf modernste Büroarchitektur. „Natürlich soll das neue Gebäude auch Anreiz sein, ins Büro zu kommen“, sagt Mantzel. „Denn echte Innovationen entstehen vor allem dort, wo Menschen zufällig zusammentreffen.“
Das weiß auch Nicolas Preuß. Er kann auch weiterhin spontane Unterhaltungen führen, die über das Fachliche hinausgehen – seinem Roboter sei Dank. „Ich bekomme die Stimmung im Team und im Unternehmen mit“, sagt Preuß. „Das ist nicht zu unterschätzen.“ Alle zwei Wochen ist Preuß für ein bis zwei Tage dann aber doch im Büro. „Wenn es Probleme gibt oder ein ernsthaftes Mitarbeitergespräch ansteht, möchte ich physisch anwesend sein“, sagt er. Manche Themen will eben niemand mit einem Roboter besprechen.