Frauen bei der Lufthansa "Ohne unser 'Go' geht kein Flieger raus!"

Frauen und Lufthansa? Na klar, da denkt man an Stewardessen. Für viele Lufthanseatinnen sind aber gelbe Warnweste und Cargohalle statt schicker Uniformen und First Class angesagt. Ohne sie geht bei der Airline nichts.

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Frauen bei der Lufthansa. Quelle: Lufthansa

Der Weg zu den wichtigsten Frauen bei der Lufthansa führt durch einen Metalldetektor, einen Sprengstofftest und mehrere Taschenkontrollen. Das Bürogebäude, in dem die Ground Operation Agents, kurz Ground Ops, arbeiten, steht mitten auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens. Carolin Lauer und Christina Schultheis sind zwei davon. "Wir sind das Bindeglied zwischen Passagieren, Crew, Tower, Cleaning, Catering, Cargo – wir reden mit allen", sagt Schultheis.

Klingt nach Multitasking, Kommunikation, klassischen Frauenberuf - nur mit Blick auf die Spielzeuge für große Jungs. Tatsächlich sind nur ein Viertel der Ground Operation Agents bei der Lufthansa in Frankfurt Frauen. Denn mit einem Bürojob hat die Arbeit der Ground Ops nichts zu tun. Lauer: "Ohne unser 'Go' geht kein Flieger raus!"

Kollegin Schultheis zeigt, was das bedeutet: Die zierliche Frau mit dem dunklen Pferdeschwanz und den knallrot lackierten Nägeln zieht ihre gelbe Warnweste und die Sicherheitsschuhe an, steckt sich Oropax in die Ohren und verlässt im Laufschritt das Büro.

Christina Schultheis bei der Arbeit. Quelle: Lufthansa

Ihr Ziel: Eine 747-400, die sich auf den Weg nach Toronto machen soll. „Ich muss alles im Blick haben und sofort sehen, was fehlt, sobald ich zu einem Flieger komme.“ Ist das Catering da? Wo ist die Putztruppe? Wird der Flieger betankt und beladen? Aus dem Bauch des Flughafens tauchen die Koffer der Passagiere nach Toronto auf. Arbeiter laden sie auf Transportfahrzeuge, die anschließend auf den Flieger und den Lademeister zusteuern.

Schultheis läuft unter den Tragflächen durch zurück in Richtung Gate. Sind viele Passagiere mit Rollstühlen oder Kinderwagen dabei? Das muss der Lademeister genauso wissen, wie das Kabinenpersonal. Der Kapitän möchte seinen Flugplan ausgedruckt? Kein Problem, Schultheis wetzt wieder los.

Was macht ein...

„Jeder Tag ist anders, ich weiß nie, was mich erwartet. Aber ich weiß jeden Abend, was ich geleistet habe. Mal habe ich Fracht gerettet, mal Koffer oder dafür gesorgt, dass Menschen pünktlich an ihr Ziel kommen“, sagt sie und wirft einen Blick ins Innere des Fliegers: Ist hier alles in Ordnung? Ist der Putztrupp schon fertig? Wie weit ist das Catering?

Carolin Lauer überwacht die Beladung eines Passagierfliegers. Quelle: Lufthansa

Für Schultheis tickt die Uhr penetranter als für andere. Für einen Langstreckenflug hat sie zwei Stunden Zeit. So lange dauert die Abfertigung von Tanken über die Reinigung des Innenraums, das Beladen und das Boarding. Natürlich sind sie und ihre Kollegen auch Ansprechpartner für den Tower: Ist der Flieger soweit? Wann kann er abheben? „Man kann hier was bewegen: Meine Aufgabe ist es, dass jeder Flieger sicher, pünktlich und wirtschaftlich abhebt“, sagt Schultheis. Ihre Augen strahlen, sie ist sichtlich stolz.

Bei Wind und Wetter draußen, Lärm, Dreck, der Geruch von Kerosin - Schultheis zuckt mit den Schultern. „Regen finde ich gar nicht mehr schlimm. Ich habe ja eine Kapuze“, sagt sie. 2009 hat sie ihre Ausbildung zur Servicekauffrau im Luftverkehr gemacht. Seit 2012 arbeitet sie als Ground Operations Agent. „Was mich reizt, sind die Vielfältigkeit und die Verantwortung. Das macht mir großen Spaß. Ich will hier nie wieder weg.“

Womit die Lufthansa ihr Geld verdient

Doch die Lufthansa transportiert nicht nur Menschen, sondern über LH Cargo auch eine ganze Menge Waren. Und auch bei der Frachttochter machen sich Frauen mit Begeisterung die Hände schmutzig. „Es gehört ganz viel Leidenschaft zu dem Job“, sagt die Ramp Agentin Maren Lunemann, die für den Ladeplan der Frachtflieger genauso zuständig ist, wie für die Überwachung der Beladung selbst. Sie ist eine von neun Frauen in ihrem Team. Insgesamt hat die Cargo 4292 Mitarbeiter, 28 Prozent davon sind Frauen.

Ohne Lunemann und ihre Kollegen hätte der internationale Handel ein ernsthaftes Problem. „Wir fliegen alles: Autos, Maschinen, Tiere – einfach alles“, sagt Lunemann. Es ist ein Mammutjob.

Ungewöhnlichster Passagier: eine Seekuh

Nirgendwo sonst in Europa wird so viel Fracht per Flugzeug verschickt wie in Frankfurt. 1,6 Millionen Tonnen Güter und Post sind 2015 von Frankfurt aus in alle Welt transportiert worden und das Frachtaufkommen wächst pro Jahr um drei Prozent. Entsprechend wächst auch die Cargo City am Flughafen: Bisher ist das Areal, auf dem Lunemann und Kollegen arbeiten, 149 Hektar groß, weitere 27 Hektar kommen demnächst hinzu.

Wie Ground Op Schultheis bei den Passagiermaschinen muss auch die Ramp Agentin bei den Frachtern alles im Auge haben: Passt die Ladung? Sind die Palletten intakt?

Große Verantwortung, hoher Zeitdruck

Die Verantwortung ist groß, die Zeit läuft. Ein Frachter am Boden kostet Geld. Drei Stunden haben Lunemann und ihre Kollegen Zeit, bis die Maschine beladen wieder abhebt. Das kann mitunter knapp werden. „Manchmal steht ein LkW im Stau und die Sachen kommen nicht pünktlich. Dann müssen wir umplanen, der Flieger kann ja nicht leer abheben“, sagt sie.

Maren Lunemann überprüft die Fracht. Quelle: Lufthansa

Flexibilität gehört zum Job, Standards gibt es nicht. „Mein außergewöhnlichster Transport war eine sechs Tonnen schwere Seekuh, die von Hamburg nach Russland transportiert wurde.“ Die Vielfalt an Waren und Gütern mache das Planen manchmal schwierig, sagt sie. „Das Trockeneis nicht so nah an die Pferde, Gefahrgut nicht so nah an die Crew - wir müssen unzählige Vorschriften bei der Beladung beachten.“

Einen Bürojob hatte sich die junge Mutter aus Idstein nie vorstellen können. Auf ein paar Jahre im Hörsaal hatte sie nach dem Abitur keine Lust. „Ich wollte nicht studieren, sondern etwas Praktisches machen“, erzählt Lunemann. Ihr Vater ist Pilot, da lag der Flughafen als Arbeitsplatz nahe.

Was macht ein...

Lunemann machte eine Ausbildung zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung bei der Lufthansa Cargo. Im Anschluss ließ sie sich zur Ramp Agentin weiterbilden: Ein Jahr lang begleitete sie einen Kollegen, bei seiner Arbeit auf dem Vorfeld und im Büro. Mit großer Begeisterung, wie sie sagt. „Alleine da draußen rumfahren zu dürfen und ganz nah an den Flugzeugen zu sein, ist toll. Flughafen und fliegen sind immer spannend und die Verantwortung für die komplette Abfertigung eines Großraumjets zu haben erst recht.“
Mehrere Wochen verbachte sie im Lufthansa-Schulungszentrum, legte fünf theoretische Prüfungen und anschließend 20 verschiedene Prüfungssituationen im praktischen Betrieb ab. Auch jetzt muss sie ihr Können regelmäßig unter Beweis stellen. Schließlich hängt unter anderem von ihr die Sicherheit des Frachterfluges ab. „Wir müssen viermal im Jahr einen Ladeplan manuell erstellen, was sonst der Computer macht. Für den Fall, dass die Technik ausfällt, müssen wir das können“, erzählt sie.

Die wichtigsten Kennzahlen der Lufthansa

Außerdem läuft ihre Lizenz als Ramp Agentin nach drei Jahren aus. Ohne regelmäßige Checkups, Leistungsnachweise, Nachschulungen und Prüfungen müsste Lunemann ihre gelbe Warnweste an den Haken hängen. „Mein Job ist nie gleich, ich weiß nie, was mich erwartet und ich muss schnell entscheiden, ob etwas passt oder nicht oder ob die Palette nicht doch wieder raus muss.“ Planen, überwachen, reagieren. „Man muss echt auf Zack sein.“

Ohne Ausdauer geht es in diesen Berufen allerdings nicht. Schultheis absolviert ihren Tag überwiegend im Laufschritt: vom Büro aufs Rollfeld, zum Gate, in den Flieger und zurück zur Crew. Und auch die Ramp Agentin Lunemann muss fit sein. „Mein Job ist körperlich nicht anstrengend, aber natürlich packe ich beim Beladen mit an“, sagt sie. „Meine Hände sind immer schwarz, wenn ich von draußen reinkomme.“ Trotzdem: Wer einmal dabei sei, der bleibe auch, wie auch Lunemann über ihren Job sagt. „Die Fluktuation ist hier gering. Wenn, dann gehen die Leute nach dem ersten Winter. Die Kälte gefällt nicht jedem.“

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