Warum sind Frauen in der Chefetage immer noch in der Minderheit? Während es die einen auf die Macht- und Machokultur der Konzerne schieben, sehen die anderen das Problem bei den Frauen selbst.
Tatsächlich konnte eine Reihe von Studien zeigen: Frauen neigen eher dazu, ihre eigenen Fähigkeiten korrekt einzuschätzen - während sich Männer gerne mal überschätzen. Menschlich löblich, der Karriere eher abträglich. Denn geschicktes Eigenmarketing, gespeist von der Überzeugung in die eigenen Stärken, ist bei Beförderungen eher hilfreich als übertriebene Bescheidenheit. Die im Dunkeln sieht man eben nicht.
Aber vielleicht werden Frauen auch von einer Art Doppelmoral ausgebremst. Denn eine neue Studie zeigt: Männer und Frauen werden nach unterschiedlichen Maßstäben beurteilt. Vereinfacht ausgedrückt müssen Frauen demnach wesentlich mehr dafür tun, als kompetent empfunden zu werden als Männer.
So stellen Sie fest, ob die Arbeitsqualität stimmt
Können die Beschäftigten Einfluss auf die Arbeitsmenge nehmen?
Ist es ihnen möglich, die Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu beeinflussen?
Können sie ihre Arbeit selbstständig planen?
Quelle: Gute-Arbeit-Index 2015
Bietet der Betrieb berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten?
Können die Beschäftigten eigene Ideen in ihre Arbeit einbringen? Ihr Wissen und Können weiterentwickeln?
Haben Sie Aufstiegschancen?
Gibt es Wertschätzung durch Vorgesetzte? Hilfe von Kolleginnen?
Ein offenes Meinungsklima? Wird rechtzeitig informiert? Planen die Vorgesetzten gut?
Wird Kollegialität gefördert?
Haben die Beschäftigten den Eindruck, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten? Einen wichtigen Beitrag für den Betrieb?
Identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit?
Wird am Wochenende gearbeitet? In den Abendstunden? In der Nacht?
Wird von den Beschäftigten erwartet, ständig für die Arbeit erreichbar zu sein?
Leisten sie auch unbezahlte Arbeit für den Betrieb?
Sind die Beschäftigten respektloser Behandlung ausgesetzt?
Müssen sie ihre Gefühle bei der Arbeit verbergen?
Kommt es zu Konflikten oder Streitigkeiten mit Kund/innen, Patient/innen, Klient/innen?
Muss in ungünstigen Körperhaltungen gearbeitet werden? Bei Kälte, Nässe, Zugluft?
Müssen die Beschäftigten körperlich schwer arbeiten?
Sind sie bei der Arbeit Lärm ausgesetzt?
Widersprüchliche Anforderungen und Arbeitsintensität?
Gibt es Arbeitshetze? Unterbrechungen des Arbeitsflusses? Schwer zu vereinbarende Anforderungen?
Werden alle arbeitswichtigen Informationen geliefert?
Müssen Abstriche bei der Qualität der Arbeitsausführung gemacht werden?
Wird die Arbeit leistungsgerecht bezahlt?
Hat das Einkommen ein Niveau, dass sich davon leben lässt?
Wird die Rente, die sich aus der Erwerbstätigkeit ergibt, später zum Leben reichen?
Gibt es ausreichend Angebote zur Altersvorsorge im Betrieb?
Werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung offeriert?
Werden Sozialleistungen geboten, z.B. Kinderbetreuung, Fahrtkosten- oder Essenszuschüsse?
Beschäftigungssicherheit / Berufliche Zukunftssicherung?
Sind die Beschäftigten in Sorge, dass ihr Arbeitsplatz durch technische Veränderungen oder Umstrukturierungen überflüssig wird?
Machen sie sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft? Um den Arbeitsplatz?
Zu diesem Ergebnis kommen nun Wissenschaftlerinnen um Laura Guillén, Assistenzprofessorin an der der European School of Management and Technology in Berlin. Für ein Experiment kooperierte sie mit einem internationalen Softwarekonzern, der lieber anonym bleiben wollte.
Etwa 1200 Mitarbeiter bewerteten in der Untersuchung zunächst, wie kompetent und warmherzig sie 236 Kollegen fanden, die als Softwareingenieure arbeiteten – sowohl Männer als auch Frauen. Ein Jahr wiederholten die Befragten ihr Votum, außerdem sollten 22 direkte Vorgesetzte der Ingenieure angeben, wie selbstbewusst sie ihre Mitarbeiter fanden.
Bei der Auswertung entdeckten die Forscherinnen einen kuriosen Unterschied: Die männlichen Ingenieure wurden als selbstbewusst erachtet, sobald sie als kompetent eingeschätzt wurden. Die Frauen hingegen wurden nur dann als selbstbewusst erachtet, wenn man sie nicht nur kompetent, sondern auch warmherzig fand.
Mit anderen Worten: Bei Männern hingen Kompetenz und Selbstsicherheit unmittelbar miteinander zusammen. Je kompetenter sie wirkten, desto selbstsicherer schienen sie gleichzeitig. Daraus erwuchs gleichzeitig mehr Einfluss in der Organisation, unabhängig von Sympathiepunkten. Wurden Frauen hingegen von ihren Kollegen nicht als warmherzig empfunden, dann gab es kaum einen Zusammenhang zwischen Kompetenz und Selbstsicherheit.
Guilléns Untersuchung deutet darauf hin, dass die Bewertung der Leistung einer Frau immer davon abhängt, wie sympathisch sie wirkt. Heißt im Umkehrschluss, dass Frauen es doppelt schwer haben. Während Männer von ihrer (tatsächlichen oder scheinbaren) Kompetenz profitieren – unabhängig davon, ob sie gemocht werden oder nicht – müssen Frauen gemocht werden, um von ihrer Kompetenz zu profitieren.
„Es reicht also offenbar nicht, Frauen zu mehr Selbstbewusstsein zu raten”, schreibt Guillén in der Studie, „um als selbstbewusst und kompetent zu gelten, müssen sie gleichzeitig auch noch warmherzig wirken.“