Fünf Forderungen für mehr Gleichberechtigung Frauen sind kein saures Bier!

„Frauen, raus aus der Rechtfertigungsfalle“, sagt Unternehmer Robert Franken. Mutter zu sein sei kein Defizit, sondern völlig selbstverständlich. Für die Männer gilt: Raus aus dem Business Chauvinismus. Ein Gastbeitrag.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Robert Franken arbeitet seit 15 Jahren in digitalen Umfeldern und berät Unternehmen zum digitalen Wandel. (Foto: Robert Franken)

Köln Aus Fehlern wird man klug, sagt man gemeinhin. Als Vorstand eines kleinen Internet-Unternehmens beging ich seinerzeit einen vermeintlich taktischen Fehler ganz bewusst. Ich coachte Mitarbeiterinnen, die unvorbereitet und zögerlich in Gehaltsgespräche mit mir gingen, in Richtung Selbstbewusstsein und Selbstverständlichkeit. Selbstbewusstsein, weil sie einen tollen Job gemacht hatten und ihnen nicht zuletzt deshalb auch ein Gehaltsplus zustand, und Selbstverständlichkeit, weil eine solche Haltung wichtig, aber, besonders unter weiblichen Arbeitnehmern, leider wenig verbreitet ist.

Reflexe allerorten

Was mich an der gegenwärtigen Debatte stark irritiert, sind - wenn es etwa um Mütter im Job oder um Teilzeit-Modelle geht - die immer gleichen Reflexe aus der Marketing-Schublade. Demnach seien Mütter besser organisiert, hätten sozusagen qua Nachwuchs ihre so genannten Schlüsselqualifikationen erweitert, und seien in Teilzeit u.U. sogar „effizienter“ als so manche Vollzeit-Kraft.

Meine Damen und Herren, auch hier fordere ich Selbstverständlichkeit: Seit wann müssen sich Frauen und/oder Mütter anpreisen (lassen) wie das berühmte saure Bier? Nicht diejenige, deren Eigenmarketing nicht state-of-the-art ist, hat das Defizit auf ihrer Seite, sondern der Arbeitgeber, der den Wert von Müttern im Job nicht erkennt! Ihr Wert für Arbeitsmarkt, Unternehmen und Gesellschaft sollte gerade Müttern als selbstverständlich(!) gelten, Rechtfertigung ist völlig Fehl am Platze.

Klug geworden bin ich aus dem eingangs erwähnten erwähnten „Fehler“ übrigens dann doch; und zwar insofern, als mir ein Licht aufging, woran es im oft ritualisierten Businessalltag zumeist mangelt: am unvoreingenommen Miteinander und an offener Kommunikation. Als Blockierer einer neuen Gemeinsamkeit erweisen sich häufig männliche Arbeitnehmer und Vorgesetzte, ihres Zeichens Profis im Taktieren und Absichern. Die Kolleginnen und Mitarbeiterinnen werden vor dem unsanften Kontakt mit gläsernen Decken oder Klippen also vor allem von einem gebremst: dem Business Chauvinismus.

Die Manifestation des Business Chauvinismus ist ebenso mannigfaltig wie subtil. Hier eine Bemerkung oder Geste, dort eine Personalentscheidung, schon ist das eigene Netzwerk gestärkt und vermeintliche Störfaktoren eliminiert. Diejenigen Frauen (und auch gar nicht so wenige Männer), die den Alpha-Männchen in Sachen Schlagfertigkeit, Eloquenz und Extrovertiertheit unterlegen sind, kauen vor Wut auf den Nägeln oder, schlimmer noch, finden sich ab mit dem Status Quo. Die Selbstachtung geht dabei flöten und von Veränderung ist (und bleibt) weit und breit nichts zu sehen.

Männer für Frauen für Männer

Höchste Zeit also daran etwas zu ändern. Doch bevor allzu große Erwartungen geweckt werden: Die Quote (allein) wird das nicht schaffen, schon gar nicht kurzfristig. Statt dessen sind wir alle aufgerufen überkommene Strukturen aufzudecken und den Diskurs in unserem Sinne zu bestimmen, vor allem diejenigen innerhalb der Unternehmen, in denen wir arbeiten.

Wir, das sind ganz im Sinne von Emma Watsons #HeForShe auch und vor allem die Männer. Frauen laufen nicht selten Gefahr als „Gender-Sirene“ zu gelten, von uns Männern hingegen kann eine enorme Wirkungsentfaltung ausgehen: hin zu einer Benennung der diskursiven Missstände und mit dem Ziel echter Veränderung.


Man(n) hat nicht leicht reden

Für den einzelnen Mann bedeutet eine Beteiligung am Gleichstellungs-Prozess vermutlich die Aufgabe hilfloser Unsichtbarkeit im Angesicht chauvinistischer Entgleisungen sowie ein gewisses Maß an unbequemer Auffälligkeit bei Missständen im direkten und indirekten Arbeitsumfeld. Das klingt unangenehm? Willkommen im Club. Frauen müssen sich derartigen Situationen mindestens seit Jahrzehnten aussetzen, da hat ein männlicher Perspektiv-Wechsel neben der Unterstützung der gemeinsamen Sache gleich noch den positiven Nebeneffekt die eigene Wahrnehmung um eine wichtige Lektion zu bereichern.

Man(n) hat leicht reden

Ein ebenso interessantes wie störendes Phänomen in der Diskussion um Gleichberechtigung ist es übrigens, dass sich gerne solche Männer zu Wort melden, die mit einer sehr offenen und liberalen Position keinerlei persönliches Risiko mehr eingehen müssen, da sie ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht haben. So lange Sattelberger und Konsorten sich also ausschließlich ex Ruhestand äußern, bewegt sich im realen Unternehmensumfeld wenig bis nichts; zumal sich der Saulus nur dann als Paulus qualifiziert, wenn er sich im aktiven Berufsleben nicht mehrfach selbst als besagter Business Chauvinist erwiesen hat; dann nämlich, als er noch in einer Führungsposition war.

In jedem Fall brauchen wir baldmöglichst den Schulterschluss zwischen Frauen und Männern (und allen anderen Geschlechtern, denen an Akzeptanz und Veränderung gelegen ist). Andernfalls lassen wir zu, dass reaktionäre Kräfte den Status Quo zementieren und verpassen gleichzeitig die große Chance echte Gleichberechtigung zu schaffen. Von Letzterer profitieren übrigens auch die Männer. Voraussetzung ist allerdings, dass diese sich ernsthaft zu fragen beginnen, wie sie sich eigentlich ein modernes Beziehungs- und Familienleben wünschen und vorstellen.

Wie wollen wir wirklich leben?

Wer will wie viel arbeiten, wer kümmert sich um Kinder, Haushalt, Finanzen etc. Sprechen wir von Männern, die ihre Frauen unterstützen oder von echtem 50/50 bei der Verantwortung? Oder werden wir wieder weniger dogmatisch und stellen wir uns statt dessen ganz pragmatisch der Realität? U.U. mag es ja auch sinnvoll sein, wenn man die ein oder andere Konstellation ganz entsprechend dem traditionellen Rollenmodell lebt; nämlich ganz einfach dann, weil beide Partner es wollen.

Aber bevor Paare sich auf einen gemeinsamen Ansatz einigen, müssen erst einmal alle Optionen auf den Tisch. Und das bedeutet: Mut zur Ehrlichkeit. Politische Überkorrektheit ist dabei ebenso fehl am Platz wie das Verharren im von der Elterngeneration mitunter vorgelebten System. Damit später nicht ein Partner auf der Strecke bleibt, muss man sich zuvor der eigenen Bedürfnisse bewusst werden und diese dem Partner auch mitteilen: gerne diplomatisch, aber nie die eigenen Ansichten verleugnend; sonst gibt es irgendwann ein böses Erwachen. Im Grunde sind es also mindestens fünf wesentliche Forderungen an alle Beteiligten an der gegenwärtigen Debatte:

 

1.    Frauen, raus aus der Rechtfertigungsfalle. Mutter zu sein ist kein Defizit, das Eigenmarketing benötigt, sondern völlig selbstverständlich.

2.    Männer, raus aus dem Business Chauvinismus. Dieser war nie akzeptabel, sondern stets Ausdruck eigener Unzulänglichkeit.

3.    Paare, raus aus der Filterblase. Partnerschaft und die Zukunft als Eltern sind individuelle Gestaltungs-Spielräume, die vor allem eines brauchen: aktive Gestaltung.

4.    Unternehmen, raus aus der Standardlösung. Moderne MitarbeiterInnen brauchen Flexibilität und Vertrauen im Denken und Wirken ihrer Arbeitgeber.

5.    Politik, raus aus der Zeitschleife. Ehegattensplitting, Betreuungsgeld und Quote sind keine Antworten auf Fragen moderner Lebensrealitäten.

Über den Autor: Robert Franken arbeitet seit 15 Jahren in digitalen Umfeldern. Der Ex-Chef Chefkoch.de berät Unternehmen zum digitalen Wandel, interessiert sich für Gender-Fragen und post-digitale Geschäftsmodelle und ist begeisterter Twitterer. Sein Blog heißt "Digitale Tanzformation".

Diskutieren Sie diesen Beitrag auch in unserer Linkedin-Gruppe Leader.In; einem Businessnetzwerk mit dem Ziel, Female Leadership in Politik und Wirtschaft zu fördern sowie erfolgreiche Frauen und einflussreiche Männer zu vernetzen, um die Innovations- und Wirtschaftskraft Deutschlands zu stärken. Sie erhalten dort außerdem aktuelle Informationen und Tipps zum Thema Frauen in Führung und sind herzlich zum Austausch darüber eingeladen. Leader.In ist eine Kooperation des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zusammen mit dem Medienpartner Handelsblatt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%