Ähnlich kann man auch die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, vor allem in höherqualifizierten Berufen, zumindest teilweise erklären. Sozialwissenschaftler sprechen daher auch von einem „Family Gap“: Frauen sind stärker als Männer auf die Familie fokussiert und planen dementsprechend einen weniger geradlinigen Berufsweg. Das heißt, sie wählen bewusst oder unbewusst Berufe und bewerben sich auf Positionen, die mit der Familie gut zu vereinbaren sind. Aber diese sind in der Regel schlechter bezahlt und weniger zum beruflichen Aufstieg geeignet als andere. Die "Opportunitätskosten", die Frauen im Dienste der Familie für entgangene Chancen im Beruf zahlen, sind umso größer, je größer die Chancen wären. Das erklärt, warum die Gehaltsunterschiede bei Hochqualifizierten deutlicher sind als bei gering Qualifizierten.
Der bereinigte Gehaltsunterschied
Einige Ökonomen gehen auch davon aus, dass Frauen bei der Arbeit weniger Energie in karriererelevante Aktivitäten (zum Beispiel Fortbildungen) investieren, da ihre Karrieren – familienbedingt – ohnehin weniger geradlinig und planbar verlaufen. Und vor allem: Frauen mit Kindern haben für solche Aktivitäten neben der regulären Arbeit, oft einfach keine Zeit.
Einig sind sich die meisten Sozialwissenschaftler, dass dies nicht den gesamten Unterschied erklärt. Das Statistische Bundesamt hat 2006 einen um die oben genannten Erklärungen "bereinigten" Gender Pay Gap berechnet. Danach blieb noch ein Gehaltsunterschied von durchschnittlich 8, 3 Prozent übrig. Also verdienen Männer selbst bei weitestgehend gleichen Bedingungen noch mehr als Frauen.
Der Rest der Erklärung ist also da zu suchen, wo man mit Statistiken und ökonomischen Modellen nicht weiter kommt. Möglicherweise laufen Gehaltsverhandlungen mit Frauen tatsächlich anders ab als solche mit Männern. Möglicherweise bieten Personalverantwortliche Frauen tendenziell geringere Gehälter an. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie das tun, weil sie bewusst Frauen diskriminieren. Möglich wäre zum Beispiel auch, dass sie die Erfahrung gemacht haben, dass Frauen tendenziell schlechter verhandeln. Um diese Fragen zu beantworten, wäre eine große wissenschaftliche Studie mit einer Befragung von Personalverantwortlichen hilfreich. Doch darüber ist bislang nichts bekannt.