Gender Pay Gap Warum Frauen weniger verdienen als Männer

Je höher die Qualifikation, desto größer die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, meldet das statistische Bundesamt. Den Großteil dieses "Gender Pay Gap" kann man erklären. Diskriminierung spielt allenfalls eine Nebenrolle.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Überraschen kann diese Nachricht nicht mehr: Frauen verdienen durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer in vergleichbaren Positionen, meldet das Statistische Bundesamt heute in seiner alle vier Jahre veröffentlichten Verdienststrukturerhebung. Der so genannte „Gender Pay Gap“ hat sich damit im Vergleich zu 2006 nur um einen Prozentpunkt verkleinert. Warum das so ist, können Statistiker und Sozialwissenschaftler nur zum Teil erklären.

Doch zunächst zu den Fakten: Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von weiblichen Führungskräften war im Jahr 2010 in Deutschland mit 27,64 Euro um 30 Prozent niedriger als der von männlichen Führungskräften (39,50 Euro). Ähnliche Verdienstunterschiede gibt es bei Technikern (30 Prozent), akademischen Berufen (28 %) und Handwerkern (25 Prozent). Den geringsten Geschlechterunterschied (4 Prozent) gibt es bei Bürokräften.

Der Gender Pay Gap lag bei niedrigen Abschlüssen (Haupt- oder Realschulabschluss) bei 11 Prozent. Bei mittlerer Bildung (Abitur) betrug der Verdienstabstand 19 Prozent. Bei höheren Abschlüssen (zum Beispiel Hochschulstudium) lag der Verdienst von Frauen hingegen um 27 Prozent unter dem von Männern. Der Verdienstunterschied steigt also mit der Qualifikation - und dem Alter. Bei Männern und Frauen unter 24-Jährige betrug er nur 2 Prozent, bei den 25- bis 34-Jährigen waren es 11 Prozent, bei den 35- bis 44-Jährigen 24 Prozent und bei den 55- bis 64-Jährigen 28 Prozent.

Die Gehaltsdifferenzen nach Alter

Als Ursache für Geschlechterunterschiede beim Verdienst wird allgemeinen eine anhaltende Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt angenommen – ähnlich wie in der Diskussion um den geringen Frauenanteil in Führungspositionen. Implizit geht die Frauenpolitik davon aus, dass in der Gesellschaft noch immer machistische Mächte am Werk sind, die den Aufstieg von Frauen aus reiner Missgunst verhindern. Von "gläsernen Decken" ist da oft die Rede. Tatsächlich aber gibt es ganz handfeste Gründe für den geringen Frauenanteil in Führungspositionen und für die Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern. Der geringere Frauenanteil in Führungspositionen ist nach einer Studie des Frankfurter Soziologen Fabian Ochsenfeld zum Teil durch die Geschlechtsunterschiede bei der Studienfachwahl zu erklären. Junge Frauen studieren tendenziell Fächer, die sie weniger für Karrieren in der freien Wirtschaft qualifizieren, nämlich Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften sowie Lehramtsstudiengänge. Vor allem die Natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer sind trotz aller geschlechterpolitischen Bemühungen nach wie vor eine Männerdomäne. Noch entscheidender als die Fächerwahl ist nach Ochsenfeld aber etwas anderes: Die meisten Frauen reduzieren mit der Geburt von Kindern ihr berufliches Engagement zu Gunsten der Familie. Dazu kommt: Traditionell förderte die Familienpolitik in Deutschland das Fernbleiben von Müttern aus der Arbeitswelt.

Frauen zahlen für die Familie

Die mächtigsten Frauen im Business
Nancy McKinstry Quelle: Presse
Platz 14: Ho Ching Quelle: REUTERS
Platz 13: Sandra Peterson Quelle: Bayer CropScience AG
Platz 12: Ornella Barra Quelle: Presse
Platz 11: Maria Ramos Quelle: World Economic Forum
Marjorie Scardino Quelle: REUTERS
Annika Falkengren Quelle: REUTERS

Ähnlich kann man auch die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, vor allem in höherqualifizierten Berufen, zumindest teilweise erklären.  Sozialwissenschaftler sprechen daher auch von einem „Family Gap“: Frauen sind stärker als Männer auf die Familie fokussiert und planen dementsprechend einen weniger geradlinigen Berufsweg. Das heißt, sie wählen bewusst oder unbewusst Berufe und bewerben sich auf Positionen, die mit der Familie gut zu vereinbaren sind. Aber diese sind in der Regel schlechter bezahlt und weniger zum beruflichen Aufstieg geeignet als andere. Die "Opportunitätskosten", die Frauen im Dienste der Familie für entgangene Chancen im Beruf zahlen, sind umso größer, je größer die Chancen wären. Das erklärt, warum die Gehaltsunterschiede bei Hochqualifizierten deutlicher sind als bei gering Qualifizierten.

Der bereinigte Gehaltsunterschied

Einige Ökonomen gehen auch davon aus, dass Frauen bei der Arbeit weniger Energie in karriererelevante Aktivitäten (zum Beispiel Fortbildungen) investieren, da ihre Karrieren – familienbedingt – ohnehin weniger geradlinig und planbar verlaufen. Und vor allem: Frauen mit Kindern haben für solche Aktivitäten neben der regulären Arbeit, oft einfach keine Zeit.

Einig sind sich die meisten Sozialwissenschaftler, dass dies nicht den gesamten Unterschied erklärt. Das Statistische Bundesamt hat 2006 einen um die oben genannten Erklärungen "bereinigten" Gender Pay Gap berechnet. Danach blieb noch ein Gehaltsunterschied von durchschnittlich 8, 3 Prozent übrig. Also verdienen Männer selbst bei weitestgehend gleichen Bedingungen noch mehr als Frauen.

Diese Fehler verbauen Frauen die Karriere
1.  Frauen lassen sich von Stellenanzeigen einschüchternKeine Frage, Bewerber sollten Stellenanzeigen sorgfältig durchlesen. Aber zu viel Sorgfalt schadet eher. Ein Problem, das vor allem Frauen betrifft. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Online-Stellenbörse Jobware. 151 Männer und 79 Frauen lasen darin 150 Stellenanzeigen. Währenddessen wurden ihre Augenbewegungen aufgezeichnet, hinterher bewerteten die Studienleiter ihre Aussagen. Das Ergebnis: Frauen klickten im Schnitt nicht nur auf mehr Jobprofile, die sie auch länger durchlasen. Mehr noch: Sie ließen sich wesentlich stärker von vermeintlich männlichen Stellentiteln und Qualifikationen beeindrucken – und wollten sich gar nicht erst bewerben. Ein Indiz dafür, dass sich Frauen von manchen Anforderungen immer noch zu stark beeindrucken lassen. Ein Problem, das schon früh beginnt... Quelle: Fotolia
2. Schon Mädchen scheuen WettbewerbMatthias Sutter und Daniela Rützler von der Universität Innsbruck untersuchten in einer Studie das Verhalten von mehr als 1000 Kindern im Alter zwischen 3 und 18 Jahren. Sie sollten verschiedene Tests lösen, etwa Wettläufe oder Matheaufgaben. Als Belohnung erhielten sie kleine Geldbeträge. Im Verlauf des Spiels konnten die Kinder dann gegen Gleichaltrige antreten und dabei mehr verdienen. Bei den Jungen entschieden sich 40 Prozent für den Wettkampf unter Gleichaltrigen. Von den Mädchen wollten das nur 19 Prozent wagen. Quelle: Fotolia
3. Frauen unterschätzen ihre LeistungErnesto Reuben von der Columbia Business School gewann für sein Experiment (.pdf ) 134 Studenten. Alle hatten zwei Jahre zuvor verschiedene Aufgaben absolviert, jetzt sollten sie ihre damalige Leistung bewerten. Das Ergebnis: Die Männer überschätzen ihre tatsächliche Leistung um rund 30 Prozent überschätzt, die Frauen hingegen um weniger als 15 Prozent. Im zweiten Schritt teilte Reuben die Teilnehmer in Gruppen. Sie sollten einen Vertreter wählen, der für die Gruppe Geld gewinnen konnte. Das Ergebnis: Weil sie zu ehrlich waren, schafften es weibliche Teilnehmer drei Mal seltener als Männer, die Rolle des Anführers zu übernehmen. Quelle: Fotolia
4. Frauen lassen sich von Klischees beeinflussenMarina Pavlova vom Universitätsklinikum Tübingen reichte für ihre Studie im Jahr 2010 83 Medizinstudenten den Abschnitt eines Intelligenztests. Dabei sollten sie eine Reihe von Bildern in die richtige Reihenfolge zu bringen. Doch vorab gaukelte Pavlova der einen Hälfte der Teilnehmer vor, dass Frauen bei dieser Aufgabe generell besser abschneiden. Die andere Hälfte erfuhr, dass Männer darin bessere Ergebnisse erzielen. Ergebnis: Die Frauen ließen sich von negativen Aussagen viel stärker beeinflussen als Männer. Deren Leistung litt kaum unter der Vorab-Information. Quelle: Fotolia
5. Frauen sind schneller zufriedenDer Soziologe Stefan Liebig von der Universität Bielefeld analysierte für seine Studie (.pdf ) Daten des Sozio-oekonomischen Panels. In dieser Langzeitstudie machen 10.000 Deutsche regelmäßig Angaben zu Ihrem Beruf und Privatleben. Liebig wollte wissen, ob sie ihr aktuelles Einkommen als gerecht empfanden - und falls nein, welches Nettogehalt angemessen wäre. Wenig überraschend: Etwa jeder dritte Befragte fand sein Einkommen ungerecht. Doch das Einkommen, das Frauen als gerecht empfanden, lag noch unter dem tatsächlichen Gehalt von Männern. Egal ob Akademikerin oder Reinigungskräfte: Frauen hatten finanzielle geringere Ansprüche. Quelle: Fotolia
6. Frauen scheuen Jobs mit WettbewerbAndreas Leibbrandt und John List schalten für ihre Untersuchung Stellenanzeigen in neun US-Städten – in zwei verschiedenen Versionen. Die eine Ausschreibung suggerierte, dass das Gehalt nicht verhandelbar sei. Die andere behauptete, dass das Gehalt Verhandlungssache sei. Fazit: Bei letzterer Stelle bewarben sich wesentlich mehr Männer. Offenbar meiden viele Frauen Jobs mit starkem Konkurrenzdenken. Quelle: Fotolia
Ein Mann hält einen Zettel mit der Aufschrift "Job gefällig?" in der Hand Quelle: dpa

Der Rest der Erklärung ist also da zu suchen, wo man mit Statistiken und ökonomischen Modellen nicht weiter kommt. Möglicherweise laufen Gehaltsverhandlungen mit Frauen tatsächlich anders ab als solche mit Männern. Möglicherweise bieten Personalverantwortliche Frauen tendenziell geringere Gehälter an. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie das tun, weil sie bewusst Frauen diskriminieren. Möglich wäre zum Beispiel auch, dass sie die Erfahrung gemacht haben, dass Frauen tendenziell schlechter verhandeln. Um diese Fragen zu beantworten, wäre eine große wissenschaftliche Studie mit einer Befragung von Personalverantwortlichen hilfreich. Doch darüber ist bislang nichts bekannt.   

 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%