Generation Y Karriere machen – aber bitte in Teilzeit

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Präsenz überzeugt

Wie schädlich solche Programme tatsächlich für die Karriere sind, ist derzeit noch schwer abzuschätzen. Für Wissenschaftlerin Hipp steht aber fest: „Anwesenheit ist für Beförderungen immer noch enorm wichtig.“ Zu diesem Schluss kommt auch Juniorprofessorin Erin Reid von der Boston-Universität. Sie befragte im Jahr 2015 115 Mitarbeiter einer Unternehmensberatung. Und siehe da: Wer lange arbeitete und erreichbar war, erhielt gute Bewertungen. Wer auf flexible Arbeitszeiten und weniger Dienstreisen pochte, bekam ein schlechtes Zeugnis.

Ein Grund, warum Praktikanten und Juniorbanker bis spät in die Nacht in den Büros großer Investmentbanken schuften. Wer an der Wall Street oder im Londoner Bankenviertel Karriere machen will, muss mehr als 70 Stunden präsent und für den Vorgesetzten ständig abrufbereit sein – so zumindest die gängige Meinung.

Praktikanten haben Büro-Verbot - von Mitternacht bis 07.00 Uhr

Als 2013 ein Praktikant der Bank of America Merrill Lynch nach drei durchgearbeiteten Nächten tot in seiner Dusche aufgefunden wurde, war der Aufschrei groß, die Investmentbanken wollten sich bessern. Allerdings klingen die neuen Regeln eher nach Reförmchen statt nach Revolution.

Bei Goldman Sachs zum Beispiel darf der Nachwuchs immerhin zwischen Mitternacht und sieben Uhr morgens nicht mehr im Büro sein. Dennoch kollabierte im vergangenen Dezember ein Juniorbanker mitten in der Nacht im Frankfurter Büro. Die Bank of America verfügte, dass Juniorbanker mindestens vier freie Wochenendtage pro Monat nehmen müssen.

Auch das britische Geldhaus Barclays hat Richtlinien erlassen. Vorgesetzte sollen darauf drängen, dass der Nachwuchs seinen Urlaub tatsächlich nimmt. Zumindest freitags sollen sie nach 13 Uhr keine neuen Aufträge mehr verteilen, um Nacht- und Wochenendschichten zu vermeiden.

Keine Nachtschichten, mehr Talente

Aus dem Mund von Ken McGrath hören sich diese Regeln nach großen Errungenschaften an. Welche Auswüchse die Leistungskultur im Investmentbanking annimmt, wird dennoch schnell deutlich: „Ohne Zweifel ist unsere Industrie nur für sehr ambitionierte, hart arbeitende Menschen interessant“, sagt McGrath, der bei Barclays für das globale Talentmanagement zuständig ist. „Sie wissen, auf was sie sich einlassen. Unsere Pflicht ist es, ein Umfeld zu bieten, in dem ihr Ehrgeiz sich richtig entfalten kann.“ Gleichwohl sieht das Unternehmen auch die Notwendigkeit umzusteuern.

Denn viele Juniorbanker verschwinden nach drei bis fünf Jahren wieder. „Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter so produktiv wie möglich arbeiten und folglich weniger Stunden im Büro verbringen“, sagt McGrath, „nur so werden wir die besten Talente langfristig an uns binden.“ Deshalb befragt Barclays alle sechs Monate die Mitarbeiter. Dabei können sie sowohl jene Chefs loben, die die Arbeitszeitregeln einhalten, als auch Vorgesetzte anschwärzen, die sich nicht um die Richtlinien kümmern. Denn letztlich sind die Führungskräfte diejenigen, die die Leistungskultur im Unternehmen prägen.

Je höher das Gehalt, desto mehr Überstunden
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Überstundenausgleich Quelle: Getty Images
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„Solange die Partner durch ihre Zielvorgaben Druck erzeugen, hilft auch kein neues Karrieremodell“, sagt Professorin Graml. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung, denn die neue Generation zieht nun eben auch in die Chefetage ein. „Die Partner in meinem Alter haben selbst oft berufstätige Frauen“, sagt Anwältin Hidalgo. „Sie kämpfen mit den gleichen Problemen wie ihre Mitarbeiter.“ Hält der Kulturwandel an, dann würden sich künftig vielleicht auch Anwälte wie Münzberg trauen, mit richtigem Namen genannt zu werden – und zu ihrem Bedürfnis nach mehr Familienzeit zu stehen.

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