In Lehrbüchern von Business-Schools kommt das Wort "Gerechtigkeit" nicht vor. Doch das Gefühl, dass es in ihrem Betrieb einigermaßen gerecht zugeht, ist für Mitarbeiter eine entscheidende Motivationsquelle. Das zeigen auch Untersuchungen des Organisationspsychologen Jason Colquitt. Er und seine Mitarbeiter haben 493 veröffentlichte Einzelstudien über die Wirkung von Gerechtigkeitsempfindungen zusammengetragen und zusammenfassend festgestellt: Durch Gerechtigkeit, beziehungsweise das Empfinden der Angestellten, dass es im Unternehmen im Großen und Ganzen gerecht zugehe, werden die Mitarbeiter fast allen Studien zu Folge produktiver und leistungsfähiger.
Colquitt unterscheidet vier Kategorien der Gerechtigkeit, die in Unternehmen von Bedeutung sind:
- Verfahrensgerechtigkeit (procedural justice): Bestimmte nachvollziehbare Regeln werden eingehalten. Beispiel: Ein Auswahlverfahren läuft so ab, dass auch der Bewerber weiß, weshalb er eingeladen oder abgelehnt wird.
- Verteilungsgerechtigkeit (distributive justice): Materielle oder abstrakte Güter werden so verteilt, dass jeder so viel bekommt, wie er verdient. Beispiel: Gehälter bemessen sich danach, was eine Person wirklich fürs Unternehmen leistet.
- Zwischenmenschliche Gerechtigkeit (interpersonal justice): Man spricht in respektvoller Weise miteinander. Beispiel: Der Vorgesetzte ist zum Teamleiter genauso freundlich wie zum Facharbeiter.
- Informationsgerechtigkeit (informational justice): Man informiert wahrheitsgetreu, schönt keine Zahlen und erklärt sich. Beispiel: Wenn der Chef den Mitarbeiter bewertet, nennt er die Kriterien und Gründe für die Einschätzung.
Alle vier Kategorien der Gerechtigkeit bewirken, so Colquitt, dass Mitarbeiter bessere Arbeitsergebnisse erbringen, sich mehr für ihre Firma einsetzen und ihr seltener vorsätzlich schaden. Als gerecht wahrgenommene Chefs gewinnen eher das Vertrauen ihrer Mitarbeiter und als gerecht empfundene Unternehmen haben Mitarbeiter, die ihrer Arbeit stärker verpflichtet sind. Eine Folge davon ist nicht nur ein besseres Miteinander, sondern auch eine verbesserte Arbeitsleistung.
Gerechtigkeit bewirkte auch, so Colquitt, dass positive Emotionen wie Freude und Glück zunahmen, negative Emotionen wie Ärger oder Wut seltener wurden. Diese Gefühle seien ähnlich wie das gute Miteinander der Weg, über den Gerechtigkeit zu leistungsfähigeren Mitarbeitern führt.