Gesellschaftliche Debatte Der Zwang zum Erfolg macht uns fertig

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Losgelöst vom Leistungsträger

Was Sie für Ihren beruflichen Erfolg tun können
Eigentlich liegt es auf der Hand: Lesen Sie mehr. Wer liest, tut etwas für seinen Wissenshorizont und für seinen Wortschatz. Dabei müssen es nicht nur Fachbücher sein, auch ein Roman hin und wieder tut den grauen Zellen gut. Quelle: dpa
Außerdem kann es nie schaden, zu verfolgen, was draußen in der Welt so vor sich geht. Interessieren Sie sich für Zusammenhänge und dafür, welche Trends Ihre Branche bewegen. Quelle: dapd
Und falls Sie noch nicht lange in Ihrer Branche tätig sind, sollten Sie sie genau unter die Lupe nehmen: Wie funktioniert die Branche, welche Abhängigkeiten gibt es, welche Subventionen, welche Regeln und wer sind die größten Akteure? Vielleicht arbeiten Sie, was eine Karriere anbelangt, im völlig falschen Unternehmen. Quelle: Fotolia
Unabhängig von der Branche bieten sich Fortbildungen, Messen und Kongresse zum Dazu lernen und Kontakte knüpfen an. Natürlich sind Weiterbildungsmaßnahmen auch Sache des Arbeitgebers, Eigeninitiative hat aber noch keinem geschadet. Weder dem eigenen Horizont, noch dem Ansehen. ine tolle Möglichkeit sich fortzubilden, bieten Vorträge, Kongresse, Tagungen oder Messen. Quelle: dpa
Wer rastet, rostet. Also probieren Sie neues aus und üben Sie das Gelernte. Erfahrungen sind immer nützlich und je nach dem, mit was Sie herumexperimentieren, kann es Ihnen auch beruflich etwas bringen. Quelle: dpa
Ohne Vitamin B geht fast gar nichts. Also hocken Sie nicht nur zuhause oder in ihrem Büro, sondern lernen Sie neue Leute kennen und erweitern Sie Ihr Netzwerk. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob sie das virtuell - beispielsweise bei Xing oder LinkedIn - oder beim Stammtisch nebenan tun. Das erweitert ihren persönlichen Horizont und kann ihnen beruflich von Nutzen sein. Quelle: REUTERS
Machen Sie sich Gedanken darüber, wo Sie beruflich einmal hinwollen. Gibt es jemanden, den Sie sich zum Vorbild nehmen könnten? Wenn nicht, denken Sie über positive Eigenschaften nach, die Sie gerne hätten: mehr Kreativität, mehr Zielstrebigkeit oder Ähnliches. Dann können Sie versuchen, diesem Ideal näher zu kommen. Quelle: dpa

Mittlerweile können wir uns – obwohl uns die Politik anderes einreden will – kaum noch Illusionen machen: Nicht nur Heidis Top-Models, sondern auch die Supererfolgreichen der Gegenwart sind völlig losgelöst vom Leistungsprinzip. Ob sie nun geerbt haben wie die Quandts, Tennis spielen können wie Boris Becker oder durch die Erfindung von Facebook in zehn Jahren 26 Milliarden Dollar verdient haben. Jegliche Vergleichbarkeit mit den normalen „Leistungsträgern“, die die Parteien in ihren Wahlprogrammen ansprechen, ist da hinfällig geworden.

„Die Einkünfte der Oberschichten stehen so allein wie einst der feudale Reichtum in vorbürgerlichen Zeiten“, stellt Neckel fest. Die wirklich großen Erfolge sind durch keine allgemein akzeptierte Norm mehr zu rechtfertigen – außer durch den Erfolg selbst. 

Und der Einzelne? Was bedeutet das Leitmotiv Erfolg für die Menschen, die ihm folgen?

Das Leben wird zum Kampf als Dauerzustand. Je radikaler der Erfolgszwang, desto mehr wird der ihm folgende Mensch vom Gemeinschaftswesen wieder zum Wolf, zu Hobbes‘ „homo homini lupus“. Und der Stress ist sein unzertrennlicher Begleiter.    

Seinen erkämpften Wohlstand, den Ruhm und die Freiheiten kann der Erfolgsmensch nie wirklich genießen. Denn die Konkurrenten schlafen nicht und ihr Erfolg bedeutet eigenes Scheitern.

Das totale Streben nach Erfolg schafft somit neue Abhängigkeiten. Denn wer Erfolg haben will, liefert sich dem Werturteil anderer aus – Kunden, Vorgesetzten, Wählern oder den Fernsehzuschauern einer Talentshow.

Dieses „Regime der Fremdbewertung“, wie es Neckel nennt, vereinnahmt die gesamte Persönlichkeit, wenn ihm keine Grenzen gesetzt werden. Wer in einem Unternehmen aufsteigen will, muss sich ihm mit Leib und Seele verschreiben. „Hyperinklusion“ ist, wie die Ökonomin Philine Erfurt Sandhu in einer Untersuchung zeigt, ein entscheidendes Erfolgskriterium in Unternehmen.

Erfolg haben daher gerade jene selbstoptimierten „High Potentials“, deren einziger Maßstab nur noch ein inhaltsleerer Wille zum Erfolg ist. Der Schriftsteller Philipp Schönthaler stellt sie in seinem trostlosen Roman „Das Schiff das singend zieht auf seiner Bahn“ vor.

Wie man sich dem totalen Erfolgsdogma entzieht, ist üblicherweise kein Thema der Ratgeber-Literatur. Vielleicht ist das eine der letzten Lücken auf diesem Markt.

Immun gegen den selbstentfremdenden Erfolgsdruck machen wohl zwei Güter.

Entweder eine finanzielle Ausstattung, die so üppig ist, dass einem Erfolg gar nichts bedeuten muss, weil man ihn ohnehin in die Wiege gelegt bekommt. Simone Bagel-Trah muss dank ihrer Vorfahren keine Erfolgs-Ratgeber lesen.

Und die Nicht-Erben? Ihnen steht zumindest der Erwerb kulturellen Kapitals frei - als Schutzhaut gegen übergriffige Dogmen jeder Art.

Der Weg dahin ist Bildung – nicht Ausbildung! Sie kann unbezahlbaren Gewinn bescheren.

Und der ist über alle Werturteile anderer Menschen erhaben. 

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