Eine einfache Formel, wie Unternehmen ihre Belegschaften zuverlässig gegen Burnout schützen können, gibt es nicht. Deshalb aber nichts zu tun, wäre grob fahrlässig. Nicht nur weil es um menschliche Schicksale geht. Schließlich stehen auch wertvolle Arbeitskraft und oft kaum zu ersetzendes Know-how auf dem Spiel.
In den meisten Unternehmen sind schon einmal Mitarbeiter aufgrund eines Burnout-Syndroms für längere Zeit ausgefallen. Neben Betroffenheit und Anteilnahme treten dann zwangsläufig wirtschaftliche Überlegungen: Die Ausfälle verursachen hohe Kosten – selbst dann, wenn die Krankenkassen nach einiger Zeit die Lohnfortzahlung übernehmen. Je nach Position kann ein einzelner Burnout-Fall 50-100.000 Euro kosten. Noch schwerer als die unmittelbare finanzielle Belastung wiegen oft das nicht mehr verfügbare Wissen der Betroffenen, stockende Auftragsabwicklung, interne Organisationsaufwände und die Verunsicherung von Kollegen oder Kunden. Vor allem Mittelständler trifft das hart.
Entsprechend hoch ist in vielen mittelständischen Unternehmen die Motivation, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dass eine wirksame Burnout-Prävention nicht in erster Linie beim einzelnen Mitarbeiter ansetzen, sondern die gesamte Organisation ins Auge fassen muss, machen sich indes die wenigsten Unternehmensleiter bewusst.
Strategie und Organisation als Hebel
Burnout kann entstehen, wenn externe und interne Belastungsfaktoren zusammenwirken. Das Syndrom ist zwar noch nicht erschöpfend erforscht, jedoch gibt es zahlreiche wissenschaftlich belegte Hinweise auf Umstände, die es begünstigen. Auf der einen Seite stehen Faktoren aus dem Arbeitsumfeld wie
- andauernde hohe Arbeitsbelastung/permanenter Zeitdruck
- Rollenkonflikte wenn Anforderungen, Anweisungen oder Erwartungen nicht kompatibel sind (etwa wenn Vorgesetzte Lösungen erwarten, die nicht über normale Kanäle zu erhalten sind, aber gleichzeitig die Nutzung alternativer Kanäle unterbinden)
- mehrere Vorgesetzte (z. B. in Projektarbeit und Tagesgeschäft)
- Erwartungenvon Kollegen und Vorgesetzten, die erheblich mit den Vorstellungen des Mitarbeiters kollidieren
Anweisungen, die prinzipiell kompatibel sind, nicht jedoch in der vorgegebenen Zeit bzw. Qualität.
Auf der anderen Seite gibt es interne Faktoren beim Mitarbeiter (Stressbewältigungsstrategie, Anforderungen aus dem privaten Umfeld), die Burnout unterstützen. Viele Präventionsprogramme setzen beim Individuum an, vernachlässigen aber das Umfeld.
Es stimmt zwar, dass Probleme erst sichtbar werden, wenn ein Einzelner wegen Burnout ausfällt. Da jedoch kaum ein einzelner Mitarbeiter seine Arbeitsbelastung und den Zeitdruck beeinflussen kann, ist dort anzusetzen, wo die Verkettungen, die sich durch das ganze Unternehmen ziehen, ihren Ausgangspunkt haben: beim Unternehmen selbst. Dieses ist an einen Zweck gebunden, der sich in einer Vision ausdrückt, nach der wiederum die Strategie ausgerichtet wird. Letztere bestimmt die Ausgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation.
Bei Führungskonzept und Arbeitsorganisation ansetzen
Setzt die Burnout-Prävention auf einer hohen organisatorischen Ebene an, bestehen gute Chancen, dass eine funktionierende Organisation, optimierte Prozesse sowie transparente Aufgaben und Verantwortlichkeiten die Belastungen reduzieren und gleichzeitig effizienzsteigernd wirken. Verbunden mit der gezielten Vermeidung von Verschwendung personeller und materieller Ressourcen führt dies dazu, dass Burnout-Prävention zur lohnenden Investition in das Unternehmen und seine Mitarbeiter wird.
Aber nicht nur die Organisation, sondern auch die Führung auf allen Ebenen spielt eine große Rolle. Führungskräfte gestalten die Organisation in den Abteilungen und sind für eine transparente Kommunikation von oben nach unten und von unten nach oben verantwortlich. Deshalb sollten Führungskräfte auch danach ausgewählt werden, ob sie in der Lage sind, Mitarbeitern Puffer zur Verfügung zu stellen, die Belastungen abfangen. Ein solcher Puffer kann z. B. darin bestehen, dass ein Vorgesetzter mit anpackt, wenn es eng wird (mit Arbeitsmitteln, Informationen, zeitlicher Unterstützung). Es kann auch schon reichen, für eine belastende Situation Verständnis zu zeigen. Diese Fähigkeit kann in Workshops und Trainings gefördert werden.
Dabei ist auch zu vermitteln, wie psychische Belastungen entstehen. Auf der anderen Seite müssen Führungskräfte die Chance bekommen, das eigene Verhalten zu reflektieren (Coaching). Um Rollenkonflikten und -unklarheiten vorzubeugen, sollten bereits im Stellenbesetzungsprozess neben dem fachlichen Profil auch Persönlichkeit, Stärken und Schwächen eines Kandidaten abgefragt und mit dem Stellenprofil abgeglichen werden. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter sollte durch erfahrene Mentoren unterstützt werden. Hilfreich sind Feedbackgespräche nach festgelegten Fristen sowie klar formulierte Vertretungsregelungen. Auch Teilhabe an Entscheidungen ist ein Burnout-Puffer: Führungskräfte sollten Freiräume lassen, sofern diese nicht zu Lasten der Arbeitsergebnisse gehen.
Kulturänderung als Basis
Belastung ist, was als belastend empfunden wird. Herrscht Vertrauen und wird die Belastung angesprochen, kann soziale Unterstützung – als ständige Führungsaufgabe! – wirken. Da die wenigsten Vorgesetzten erste Burnout-Symptome registrieren oder ernst nehmen, ist es wichtig, Erreichbarkeit zu kommunizieren und Mitarbeiter zu ermuntern, Probleme aufzudecken. Training zum Selbstmanagement kann helfen, auch mit Belastungen klar zu kommen, deren Auflösung längere Zeit in Anspruch nimmt.
Die Umsetzung des Ziels, Probleme an der Wurzel zu lösen, setzt in der Regel einen Kulturwandel voraus, der nicht von heute auf morgen zu schaffen ist. Entscheidend ist, dass die oberste Führungsebene den Wandel einleitet und dauerhaft mitträgt – indem sie Führungskräften Freiraum und Zeit gewährt, Veränderungen umzusetzen.
Vision und Strategie der Unternehmensführung geben mit durchgängigen Zielen die Richtung vor und bestimmen den Aufbau einer effizienten und belastungsarmen Organisation. Prozessmanagement, Prozessoptimierung und Erkenntnisse aus der Lean Philosophie können dazu beitragen, Abläufe, Transparenz und Kommunikation zu verbessern. Dadurch lassen sich Burnout-relevante Faktoren reduzieren. Dieser Aufwand nutzt dem einzelnen Mitarbeiter, zahlt sich aber auch finanziell für das Unternehmen aus. Effizienz und die Freude an der Arbeit werden gleichermaßen verbessert.
Individuell auf ein Unternehmen abgestimmte Beratungsangebote können maßgeblich dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass Mitarbeiter wegen Burnout ausfallen. Denn neben persönlichen Aspekten sind es vor allem übergreifende Probleme von Unternehmen, die die Ausbreitung des Burnout-Syndromes begünstigen.