Glück gehabt Wenn der Zufall der beste Karrierehelfer ist

Viele Menschen unterschätzen die Rolle, die Glück für beruflichen Erfolg spielt. Trotz aller Bemühungen und Ambitionen geht es häufig nicht ohne. Ein Plädoyer für den Glauben an den Zufall.

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Manager verraten ihr Erfolgsgeheimnis
James Dyson, Designer, Erfinder und Gründer des Unternehmens Dyson"Ich liebe Fehlschläge. Aufgegeben habe ich nie. In den 1980er Jahren habe ich in meiner Werkstatt an 5126 Staubsauger-Prototypen getüftelt, die alle nicht funktionierten. Aber Nummer 5127 tat, was er sollte. Der Erfolg von Dyson geht zurück auf den einzigartigen Pioniergeist und außergewöhnlichen Einsatz aller meiner Ingenieure."
Simone Frömming, Deutschland-Chefin von VMware, einem der Top-Ten-Softwareproduzenten"Über Nacht zur Führungskraft? Bei mir war das genau der Fall! Bei einem Vortrag zum Thema "Go-To-Market im Softwarevertrieb" konnte ich meinen damaligen Geschäftsführer derart überzeugen, dass er mich von heute auf morgen befördert hat. Alle meine Ideen waren recht unpolitisch und leidenschaftlich - aber dafür stets zielorientiert. Als Account Managerin hätte ich damals nie gedacht, dass ein einzelner Vortrag der Wendepunkt meiner ganzen Karriere sein kann. Nach einem ersten sprachlosen Moment hat mich dieses Angebot aber darin bestätigt, Dinge auch entgegen der gängigen Meinung anzusprechen und verändern zu wollen. Eine wichtige Eigenschaft in der IT-Branche, in der jeden Tag aufs Neue ein Wettrennen um aufregende Ideen ausgetragen wird. Und letztlich auch eine Eigenschaft, die mich dahin gebracht hat, wo ich heute stehe."
Eckart von Hirschhausen, Moderator und Kabarettist, gelernter Mediziner"1997 wurde ich von einem Radiosender engagiert für eine Tour durch Kinderkrankenhäuser. In der Kinderpsychiatrie in München machte ich eine Zaubershow. Alle Kinder wurden involviert, mussten laut zählen, pusten und mitmachen. Nach der Show kam ein Arzt auf mich zu und erzählte von einem kleinen „Wunder“. Ein Junge war seit Wochen schon in Behandlung wegen „Mutismus“, einer seelischen Störung bei der Kinder aufhören zu sprechen. Der Junge „vergaß“ während der Show seine Störung und machte munter mit. Seitdem nehme ich die Rolle von positiven Gemeinschaftserlebnissen, von Humor, Musik, Kunst und anderen Wegen uns zu „verzaubern“ viel ernster, seit 2006 auch mit meiner Stiftung Humor hilft heilen."
Richard Quest, Chef der Wirtschaftsredaktion und Anchorman bei CNN Gibt es einen Moment, an den ich zurückdenke und sagen kann „Heureka!“, das war der Moment, an dem ich es geschafft hatte? Nein. Es gab viele Momente, an denen eine Geschichte Aufmerksamkeit für mein Schaffen erzeugt hat. Jeden dieser Momente habe ich dann genutzt, um mich auf meiner rutschigen Karriereleiter eine Sprosse weiter nach oben zu hangeln. Dazu gehören mein erster Hurricane-Bericht über Hurricane Gilbert im Jahr 1988, meine erste Berichterstattung zu einer US-Präsidentschaftswahl, mein Bericht von Queen Mums Beerdigung, die Berichterstattung zu Queen Elizabeths Kronjubiläum und meine Arbeit zur Einführung des Euro. Wenn ich wählen müsste, was DIE Story gewesen ist, dann wäre das der Schwarze Montag, der 19. Oktober 1987. Ich war ganz neu als Finanzreporter in London. Der Abwärtstrend an der New Yorker Börse hatte begonnen. Und bevor der Tag vorbei war, hatte der Dow Jones mehr als 500 Punkte (= 25 Prozent) verloren. Dies gilt nach wie vor als der anteilsmäßig stärkste Tagesverlust in der Geschichte des Dow Jones. Ich war im Dienst. Ich habe dabei zugesehen, wie der Markt sich in den Sekunden nach Börsenschluss um 100 Punkte verschlechtert hat und berichtete während der nächsten paar Tage morgens, mittags und abends – auf allen Programmen. Ich wurde dann eilig weggeschickt, um die Berichterstattung in New York aufzunehmen. Die Arbeit, der ich damals nachging, brachte mir die Aufmerksamkeit des Chefredakteurs ein, ich hatte mich als Finanzreporter etabliert. Ich werde den Schwarzen Montag nie vergessen. Als der Vorsitzende der New Yorker Börse sagte, dieser Tag sei am nächsten an einen Zusammenbruch der Finanzmärkte herangekommen, als alles, was wir uns hätten vorstellen können. Dies galt natürlich nur bis zum nächsten Finanzcrash. Zum letzteren Zeitpunkt war ich älter und weiser – aber interessanterweise war ich genauso erschrocken.
Karsten Eichmann, CEO des Gothaer-Konzerns"Aha- da gibt es ja noch so viel Spannendes" – für die entscheidenden Karriereschritte war meine Neugierde ein wesentliches Momentum. So auch als ich mit 43 Jahren meine berufliche Komfortzone aus Erfolg und Sicherheit verlassen und von München nach Hamburg gegangen bin, um als Vorstandschef der Advocard eine neue, spannende Herausforderung anzupacken. Nur durch das "Loslassen" von Gewohntem war der Weg bis zum CEO des Gothaer-Konzerns möglich - und diese Neugierde auf die Zukunft werde ich mir bewahren."
Uwe Schuricht, Geschäftsführer der Personalberatung Change Group"Mein Lebensweg hat entscheidende Weichenstellungen auf dem Tennisplatz bekommen: Mit Tennisunterricht habe ich mein Jura-Studium finanziert und schon damals davon geträumt, Headhunter zu werden. Dank Tennis habe ich einen Förderer gefunden, der mich bei der Promotion unterstützt hat. Die Promotion hat mich zu einer amerikanischen Kanzlei nach Paris geführt. Dort wurde ich als Manager entdeckt und danach war es nur noch ein kleiner Schritt zu meinem Traumberuf."
Sven Eggert, Eggert Group Werbeagentur"Nach einem Studium im Ausland (Oxford und Paris) nahm ich eine Stellung als Vorstandsassistent an. Mein Chef öffnete mir schnell die Augen, dass ich mit dem Europa-Hintergrund nicht so international aufgestellt war, wie uns im Studium suggeriert wurde. Die Entscheidung, daraufhin noch für vier Jahre in den USA zu arbeiten, war goldrichtig."

Ob er irgendwann mal einen Flop landet? Es sieht nicht unbedingt danach aus. Seit Anfang Dezember ist das neue Buch von Michael Lewis nun auf dem Markt. In „Aus der Welt“ widmet sich der amerikanische Sachbuchautor dem Leben von Daniel Kahneman und Amos Tversky, den Begründern der Verhaltensökonomie. Lewis beschreibt darin die Geschichte ihrer Freundschaft und Zusammenarbeit, die das Wissen über Entscheidungsprozesse für immer veränderte.

Es kam, wie es fast immer kommt, wenn Lewis ein neues Buch veröffentlicht: Die Kritiker waren entzückt. „Eine grandiose Liebesgeschichte“, resümierte die „New York Times“. Das „Wall Street Journal“ befand die Arbeit als „brillant“.

Kein Sachbuchautor weltweit war in den vergangenen Jahren so erfolgreich wie Lewis. Bereits 2003 erschien „Moneyball“, ein Buch über ein Baseballteam, das seine Spieler nach mathematischen Regeln beurteilt – 2011 wurde der Stoff mit Brad Pitt in der Hauptrolle verfilmt. Auch aus Lewis’ Büchern „The Blind Side“ und „The Big Short“ entstanden Kinofilme.

Fleiß, Ehrgeiz, Talent - und Zufall

Es wäre für Lewis ziemlich verlockend, seinen Erfolg vor allem Ehrgeiz, Fleiß und harter Arbeit zuzuschreiben; oder irgendeinem besonderen Talent, das ihm nun mal mit auf den Lebensweg gegeben wurde. Doch Lewis verleugnet nicht, dass auch noch etwas anderes eine Rolle spielte – der pure Zufall. Denn vor Jahrzehnten hatte er eine dieser Begegnungen, bei denen man erst hinterher erkennt, dass sie letztendlich über das eigene Leben entschieden.

Bei einem Abendessen saß Lewis neben der Gattin einer Wall-Street-Größe. Man war sich sympathisch, Lewis ist ein charmanter Typ. Die Dame überredete nach der Begegnung ihren Mann dazu, Lewis bei der Investmentbank Solomon Brothers einzustellen – obwohl Lewis, wie er immer wieder gerne betont, als Kunsthistoriker von Finanzen nicht allzu viel Ahnung hatte.

Der Job lieferte ihm das Material für seinen ersten Bestseller. „Nachher haben auf einmal alle gesagt, dass ich der geborene Schriftsteller bin“, sagt Lewis, „aber ich sehe inzwischen klar: Glück hat bei meiner Karriere eine große Rolle gespielt.“

Die ultimative Erfolgsformel

Tatsächlich entdecken Psychologen und Ökonomen gerade eine uralte Frage wieder: Wie viel Einfluss hat der Mensch auf sein Leben? Und sollte Erfolg nicht besser mit Glück gleichgesetzt werden statt mit Ehrgeiz, Fleiß und Disziplin?

Zahlreiche Daten lassen diesen Schluss durchaus zu. Da ist zum Beispiel eine Auswertung des Finanzmarktdienstleisters S&P Dow Jones Indices, der aktiv betreute Fonds in Europa untersuchte. Das Ergebnis: 86 Prozent schnitten über einen Zeitraum von zehn Jahren nicht besser ab als der vergleichbare Aktienindex. Mit anderen Worten: Wenn ein Fondsmanager mal ein gutes Jahr hat und den Index schlagen kann, ist das demnach zu einem Großteil pures Glück – und da das oft nicht lange hält, passen sich über einen längeren Zeitraum alle dem Durchschnitt an.

Wissenschaftler tun sich bereits seit Langem schwer, zu definieren, welche Charaktereigenschaften, Fähigkeiten oder Führungsstile einen guten Chef ausmachen. Ob ein neuer CEO ein Unternehmen zum Erfolg führen wird oder nicht, lässt sich nur selten zuverlässig vorhersagen. Für den Ökonomen Robert Frank von der Cornell-Universität ist die Sache daher klar: Wir haben den Zufall viel zu lang unterschätzt. Vor einigen Monaten hat Frank ein Buch veröffentlicht: „Success and Luck: Good Fortune and the Myth of Meritocracy“. Darin erzählt er anhand mehrerer Anekdoten, wie kleine Wendungen immer wieder große Erfolge möglich gemacht haben. Frank stellt in seinem Buch aber auch fest: So ehrlich wie Lewis sind die wenigsten Menschen. „Viele sind davon überzeugt, dass Erfolg allein etwas mit Talent und harter Arbeit zu tun hat“, schreibt Frank.

Der Zufall genießt einen schlechten Ruf

Das zeigt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research aus dem Jahr 2014. Menschen aus 44 Ländern sollten angeben, welche Faktoren aus ihrer Sicht wichtig seien, um im Leben Erfolg zu haben. Die Antwort war eindeutig: harte Arbeit und eine gute Ausbildung. In Deutschland waren zum Beispiel 61 Prozent der Befragten der Meinung, dass für Erfolg vor allem Bildung wichtig sei. Auf dem zweiten Platz landete mit 49 Prozent die Bereitschaft, hart zu arbeiten. Glückliche Zufälle und gute Rahmenbedingungen, wie etwa in eine reiche Familie hineingeboren zu werden, hielten hingegen weniger als 30 Prozent für die entscheidenden Einflussfaktoren von Erfolg.

Einen besonders schlechten Ruf hat der Zufall im Berufsleben. In einer Studie kamen die Managementforscher Chengwei Liu (Warwick-Universität) und Mark de Rond (Business School der Universität Cambridge) Anfang 2016 zu dem Schluss: Über Glück spricht man unter Managern nur ungern. Das Duo wertete für seine Übersichtsstudie knapp 2000 Studien aus 60 Jahren aus. Nur zwei Prozent davon beschäftigten sich mit dem Einfluss des Glücks auf den Unternehmenserfolg oder die Leistung von Führungskräften. „Manager leiden unter einer Illusion“, sagt Liu, „sie halten die Welt für kontrollierbarer und vorhersehbarer, als sie wirklich ist.“

Klischee-Check: Sind CEOs wirklich...

Das ist bei Weitem keine Lappalie, sondern hat durchaus negative Folgen. Diese Attitüde führt zu Selbstüberschätzung – und teuren Fehlentscheidungen. Ein Beispiel dafür ist laut den Forschern die Personalsuche für Führungspositionen. Unternehmen geben demnach zu viel Geld aus, weil sie unbedingt einen Kandidaten finden wollen, der das Unternehmen zum Erfolg führt.

In Wahrheit jedoch sind die fachlichen Unterschiede zwischen Kandidaten ab einer bestimmten Hierarchiestufe nur noch minimal, glauben Liu und de Rond. Ob jemand Erfolg hat oder nicht, hänge gerade bei Topjobs vor allem von äußeren Einflüssen ab: Vielleicht macht eine Änderung des Wechselkurses die geplante Übernahme eines ausländischen Zulieferers plötzlich billiger; oder bei einem Konkurrenten kommt es zu einem Skandal, der die Kunden automatisch zum anderen Unternehmen treibt.

Spitzenpositionen einfach verlosen

Die beiden Forscher machen deshalb in ihrer Studie einen radikalen Vorschlag: Spitzenpositionen in Unternehmen sollten einfach in einem Kreis von geeigneten Kandidaten verlost werden. Das sei günstiger, schneller und am Ende genauso erfolgreich wie langwierige Bewerbungsprozesse. Zugegeben: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen den Ansatz von Liu und de Rond bald ausprobiert, ist gering. Aber warum fällt es uns so schwer, die Macht des Zufalls zu akzeptieren? Warum glauben wir so gern an die Illusion, dass alles kontrollierbar ist?

Schuld ist zum einen ein Denk- und Wahrnehmungsmechanismus, den die eingangs bereits erwähnten Psychologen Kahneman und Tversky das erste Mal beschrieben haben: die „availability heuristic“, also der Verfügbarkeitsfilter. „Wir sehen nur das, was wir sehen“, schrieben Kahneman und Tversky.

Ein Beispiel. Fast alle erfolgreichen Unternehmer sind Menschen, die vermeintlich hart arbeiten. Apple-Chef Tim Cook steht um vier Uhr morgens auf, Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk hat in den vergangenen zwölf Jahren zwei Wochen Urlaub gemacht – oder es zumindest versucht, wie er in einem Interview im vergangenen Jahr erzählte.

Wofür CEOs die Morgenstunden nutzen
Tim Cook Quelle: AP,AP
Tim Armstrong Quelle: Reuters
Bill Gross Quelle: REUTERS
Jack Dorsey Quelle: REUTERS
Indra Nooyi Quelle: REUTERS
Tim Gunn Quelle: AP
David Cush Quelle: REUTERS

Heißt im Umkehrschluss also: Wenn alle erfolgreichen Unternehmer hart arbeiten, muss harte Arbeit zum Erfolg führen – könnte man zumindest meinen. Dabei vergisst man jedoch all die anderen Unternehmer, die genauso wenig Urlaub machen wie Elon Musk, aber nicht so weit kommen wie er. „Wir sehen immer nur die Erfolgreichen“, sagt Kathrin Rosing, Professorin für Psychologie unternehmerischen Handelns an der Universität Kassel, „und nicht die, die genauso hart gearbeitet, es aber trotzdem nicht geschafft haben.“

Glück muss man sich verdienen

Hinzu kommt etwas, das Psychologen den fundamentalen Attributionsfehler nennen. „Die äußeren Einflüsse zu verstehen und ihren Beitrag einzuschätzen ist oft sehr schwierig“, sagt Rosing. „Daher neigen wir dazu, alles als das Werk von Menschen zu interpretieren.“ Gut beobachten lässt sich das an Unternehmen, in denen es oft zu einem regelrechten Führungskult kommt: Der Gründer oder Vorstandsvorsitzende gilt als großer Held, der das Unternehmen quasi im Alleingang zum Erfolg führt. „Am Ende ist das aber nur eine Geschichte, ein Mythos, den wir für uns konstruieren, um Komplexität zu reduzieren und eine einfache Erklärung zu bekommen“, sagt Kathrin Rosing.

Dass wir ein Problem mit dem Zufall und dem glücklichen Zwischenfall haben, hat aber nicht nur etwas mit Neurobiologie zu tun. Das sagt der Physiker, Philosoph und Wissenschaftsautor Stefan Klein, dessen Buch „Alles Zufall“ im vergangenen Jahr in einer Neuauflage erschienen ist. „Gesellschaftliche Normen und Weltanschauungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle“, sagt er. „Das ist fast wie eine Ideologie: Wir wollen, dass sich Leistung lohnt und wir unser Leben unter allen Umständen in der eigenen Hand haben.“ Wer die Rolle des Zufalls anerkennt, müsse zugleich akzeptieren, dass Erfolg nicht vollständig planbar ist.

Trotzdem plädiert Klein dafür, diesen Mut aufzubringen. „Wir alle täten gut daran, die Rolle des Zufalls realistischer einzuschätzen“, sagt er. „Das heißt nicht, zum Pessimisten zu werden und in Schockstarre zu verfallen, im Gegenteil: Wir besinnen uns dann auf eine unserer größten Stärken, die schnelle Reaktion auf unerwartete Ereignisse. Wer akzeptiert, dass nicht alles planbar ist, bleibt flexibler und offen für zufällige Möglichkeiten und neue Chancen.“

Lösung gegen Ungleichheit

Der Ökonom Robert Frank glaubt sogar, dass die Akzeptanz des Zufalls die Welt zu einem gerechteren Ort machen kann. Dass die Einkommens- und Vermögensungleichheit in vielen Ländern so stark gestiegen sei, habe auch etwas damit zu tun, dass viele Reiche vehement gegen hohe Spitzensteuern und Umverteilung eintreten. Dahinter stehe die Vorstellung, dass jeder reich werden könne, wenn er nur hart genug arbeite.

Eine Umfrage der Meinungsforscher von Pew Research bestätigt das: Wer mehr verdient, glaubt erst recht, dass Erfolg der Lohn harter Arbeit ist und nur wenig mit Glück zu tun hat. Auf die Frage, wie man reich wird, antworteten die Teilnehmer der Umfrage, die selber zur oberen Einkommensschicht gehörten, häufiger als andere mit der Antwort „Hart arbeiten“.

Studien des Psychologen David DeSteno von der Northeastern-Universität zeigen aber, wie schnell sich solche Vorstellungen ändern können. Und zwar dann, wenn jemandem bewusst wird, dass auch er Glück im Leben hatte. In mehreren Experimenten konnte DeSteno zeigen, dass Menschen hilfsbereiter werden, wenn ihnen kurz zuvor zufällig etwas Gutes widerfahren ist – und das nicht nur gegenüber Menschen, die einem direkt geholfen haben, sondern auch gegenüber völlig Fremden.

Und eine 2009 erschienene Studie von Forschern um den Psychologen Alex Wood von der Universität Stirling zeigt, dass es einem selbst guttut, wenn man die glücklichen Umstände im eigenen Leben bewusst erkennt: Menschen, die das regelmäßig tun, sind laut der Studie selbstbewusster, haben stabilere Freundschaften und Partnerschaften und gehen besser mit Krisen um.

Sich klarzumachen, wie viel Glück man im Leben hat, kann sogar wie ein Schmerzmittel wirken. Die Psychologen Mathias Allemand (Universität Zürich), Patrick Hill (Carleton-Universität, Ottawa) und Brent Roberts (Universität von Illinois) haben gezeigt, dass Menschen, die dankbar gegenüber anderen oder den Rahmenbedingungen sind, in denen sie leben, seltener unter Schmerzen leiden. Für ihre 2014 erschienene Studie verschickten die Psychologen ausführliche Fragebögen an rund 1000 Männer und Frauen in der Schweiz. Diese mussten unter anderem angeben, wie häufig sie wegen Problemen wie zum Beispiel Rückenschmerzen nicht normal arbeiten konnten. In einem anderen Teil des Fragebogens wurde mit einem Standardtest aus der Psychologie die Dankbarkeit der Teilnehmer gemessen. Wer auf der Dankbarkeitsskala besonders hohe Werte erreichte, berichtete seltener über Schmerzen.

Wissen, wo die eigenen Grenzen liegen

Gründe genug also, offen und ehrlich zuzugeben, dass man nicht dort wäre, wo man ist, wenn es nicht dieses eine zufällige Treffen beim Abendessen gegeben hätte. Für Führungskräfte ist diese Ehrlichkeit sogar besonders wichtig, sagt Wirtschaftspsychologin Kathrin Rosing. „Man sollte sich zwischendurch immer mal wieder klarmachen, wo die eigenen Grenzen liegen, welche Dinge man nicht beeinflussen kann und wie wichtig die Beiträge der anderen für den Unternehmenserfolg sind“, sagt sie – und empfiehlt, diese Übung in Demut wie ein Ritual in seinen Alltag einzubauen. „Sonst fällt man schnell den einfachen Erklärungen und dem eigenen Heldenstatus zum Opfer.“

Schließlich bedeutet die Macht des Zufalls auch nicht, dass man nichts mehr beeinflussen kann. Oft muss man sich sein Glück erst mal verdienen. Niemand brachte das je so treffend auf den Punkt wie Gary Player: „Je härter ich trainiere“, sagte der ehemalige südafrikanische Profigolfer, „desto mehr Glück habe ich.“

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