Kennen Sie Beispiele dafür, dass so eine Verhaltensänderung zur Bewahrung der Lebensgrundlagen erfolgreich angestoßen wurde?
Roth: Ich habe seit dreißig Jahren ein Haus in der Toskana. Als ich das erwarb, schmissen die Menschen ihre Kühlschränke und alles, was sie nicht mehr brauchten, einfach so in die Landschaft. Und heute ist das eine der saubersten Gegenden, teilweise besser als bei uns hier. Warum? Weil man es den Menschen leicht gemacht hat, indem man überall Container hingestellt hat. Die Leute wollen wegwerfen und suchen den Weg des geringsten Widerstands. Man muss immer die nächste Möglichkeit der kleinen Veränderung der Verhältnisse suchen. Und dann noch eine kleine und noch eine. Denen zu sagen "Ihr müsst Müll einsparen!" wäre damals aussichtslos gewesen.
De Haan: Natürlich haben wir große Wandlungsprozesse durchgemacht. Die ganzen enormen Veränderungen seit der Industrialisierung. Nur dauern solche Prozesse Jahrzehnte. Und der Klimawandel lässt uns diese Zeit nicht. Wir können uns diese langsame, habituelle Veränderung in Nuancen nicht leisten. Die Frage, die uns relativ ratlos lässt, ist, wie wir das beschleunigen können.
Roth: Und umgekehrt ist es ja auch ein Problem, dass wir negative Trends nicht stoppen können. Nehmen sie die Kinderlosigkeit in allen europäischen Ländern.
Sind nicht leider Schmerzen der wirkungsvollste Verursacher von Wandel? Wenn die Menschen den Klimawandel wirklich am eigenen Leibe spürten, würden sie sich vielleicht eher ändern.
Roth: Dann ist es zu spät.
De Haan: Außerdem sind Katastrophen in der Regel ein schlechter Ratgeber. Aus denen lernen wir oft nicht viel. Dass wir aus der Katastrophe des Nationalsozialismus rausgekommen sind, haben wir Deutschen nicht unserer eigenen Einsicht zu verdanken. Oder nehmen wir lieber das Beispiel von Fukushima in Japan. Trotz der Katastrophe haben die Japaner gerade eine Regierung gewählt, die weiter Atomkraftwerke betreiben will.
Aber bei uns in Deutschland hatte die Katastrophe einschlagende Wirkung…
Haan: Wir hatten noch den Echo-Effekt von Tschernobyl im Kopf.
Roth: Sie sagen es. In der Neurobiologie gibt es das Second-Hit-Modell: Der zweite Einschlag hat oft die entscheidende Wirkung, weil der erste noch latent war.