Home Office Wie soll Heimarbeit in der Industrie funktionieren?

Der Trend zur Heimarbeit hält an - davon bleiben auch klassische Industriezweige wie die Autobranche nicht unberührt. Doch Arbeitgeber und Gewerkschaftler meinen: Das Thema „Home Office“ birgt durchaus Gefahren.

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Eine Frau arbeitet am 05.07.2015 in Stuttgart (Baden-Württemberg) in einem Homeoffice. Quelle: dpa

Als Angestellter am heimischen Schreibtisch arbeiten - dank Laptop und schnellen Internets ist das technisch kein Problem. Kein Wunder also, dass die Arbeit von Zuhause aus - im „Home Office“ - in Branchen wie der IT relativ normal ist. Doch auch die deutschen Autobauer haben das Thema auf dem Schirm. Daumen rauf für das „Home Office“, signalisieren sie mal mehr, mal weniger. Zugleich werden aber auch Bedenken laut - etwa dass die Produktivität eines Mitarbeiters ohne direkten Kontakt zu Kollegen nachlassen könnte. Klar ist: Wenn Branchenvertreter über die Möglichkeit von „Home Office“ sprechen, meinen sie den Bürobereich - die Produktion selbst ist nicht gemeint. „Wir schicken niemanden mit einem Kotflügel unter dem Arm nach Hause, damit er da weiterarbeitet“, meint ein Porsche-Sprecher augenzwinkernd.

Mit vollem Ernst hingegen ließ der Autokonzern Daimler kürzlich seine Mitarbeiter nach ihren Wünschen zur „Arbeitswelt der Zukunft“ befragen. Mehr als 30.000 Rückmeldungen gab es, die noch in der Auswertung sind. Die Ergebnisse und Rückschlüsse daraus sollen im Herbst vorgestellt werden. Für Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth ist schon jetzt klar: Es muss etwas getan werden. Die geltende Betriebsvereinbarung sei bezüglich der Heimarbeit „renovierungsbedürftig, weil sich die (technischen) Möglichkeiten total verändert haben“, sagt er. Gemeinsam mit dem Betriebsrat sollen neue Regeln erarbeitet werden.

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Zugleich bremst Porth allerdings mögliche Euphorie: „Da sind schon noch Hürden, über die wir springen müssen.“ Er weist darauf hin, dass die bisherigen Vergütungsmodelle auf der Arbeitszeit basieren und nicht auf dem Ergebnis der Arbeit.

Aber ebenjene Arbeitszeit sei bei „Home Office“-Mitarbeitern schwer nachvollziehbar. Es könne nicht sein, „dass wir jetzt auch noch kontrollieren, (zum Mitarbeiter) nach Hause fahren und gucken, ob du jetzt am PC tatsächlich etwas fürs Büro oder etwas anderes machst“.

Andere Autobauer haben das Thema Heimarbeit ebenfalls auf der Agenda. Porsche hat bereits 2013 geregelt, dass maximal vier Prozent der Belegschaft bis zu zwei Tage die Woche im „Home Office“ arbeiten dürfen. „Das Angebot wird gut angenommen“, berichtet der Sprecher.

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Bei Audi heißt es, man beschäftige sich „intensiv“ mit dem Thema. Noch 2015 sollen neue Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden. „Wir gehen davon aus, dass es sich langfristig im normalen Arbeitsalltag etablieren wird“, sagt Audi-Personalvorstand Thomas Sigi. Bei VW klingt das noch etwas altbacken: Ein Sprecher verweist auf „Telearbeit“, die Beschäftigten des Wolfsburger Autobauers die individuelle Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermögliche. BMW hat 2014 die „Mobilarbeit“ eingeführt. Diese könne „einen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben leisten und ist für viele auch ein motivierender Aspekt“, so ein Konzernsprecher.

Etwas mehr als die Hälfte der BMW-Mitarbeiter in Deutschland könnte - in Absprache mit dem Vorgesetzten - mobil arbeiten. Von dieser Gruppe wiederum nutze jeder zweite diese Möglichkeit. Mobilarbeit werde im Konzern immer beliebter.

Die IG Metall beäugt das Thema Heimarbeit skeptisch. Zwar sehe man darin grundsätzlich eine Chance zu motivierenden, besseren Arbeitsbedingungen, meint eine Sprecherin. Zugleich erkenne man aber „durchaus das Risiko einer schleichenden Ausweitung von Arbeitszeit und unbezahlter Arbeit“.

Soll heißen: Der Berg an Arbeit könnte noch größer werden, wenn Beschäftigte am heimischen Schreibtisch sitzen. Kritisch wertet die Gewerkschafterin zudem die Tatsache, dass der Kontakt zu Kollegen abnimmt.

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Diesen Aspekt betrachtet auch Daimler-Vorstand Porth mit Argusaugen. Eine kreative Gruppendynamik sei immens wichtig, um neue Produkte zu entwickeln: „Wir wollen nicht, dass alle nur noch daheim sind - das muss sauber austariert sein.“

Ähnlich argumentiert BMW: „Ein gutes Team ist nur deshalb gut, weil es einen sozialen Zusammenhalt hat.“ Es müsse ein ausgewogenes Verhältnis geben zwischen mobiler Arbeit und Arbeit im Büro.

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