Homeoffice bei Osram "Ich will den motivierten Mitarbeiter"

Für Yahoo-Chefin Marissa Mayer war klar, dass bei der Heimarbeit Qualität und Tempo leiden. Janina Kugel, Leiterin der Personalabteilung bei Osram, sieht das anders: Für sie ist die Diskussion um Homeoffice oder Präsenzkultur vor allem eine Frage der Personalführung und der Motivation.

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Bei der Frage, ob Angestellte zuhause oder im Büro arbeiten, geht es laut der Leiterin der Personalabteilung von Osram vielmehr um Mitarbeiterführung und Vertrauen. Quelle: Fotolia

Seit Yahoo-Chefin Marissa Mayer ihre Angestellten aus dem Homeoffice zurück an die Schreibtische beordert hat, scheiden sich die Geister: Die einen geben Mayer Recht, die anderen halten ihren Entschluss für rückwärtsgewandt. Und für jeden Standpunkt gibt es mindestens eine stützende Studie: So sagen Wissenschaftler der Stanford Universität, dass Mitarbeiter zuhause bis zu 13 Prozent produktiver sind als diejenigen, die im Büro arbeiten. Außerdem seien sie zufriedener und loyaler ihrem Arbeitgeber gegenüber. Eine Studie von Regus, einem Anbieter von flexiblen Arbeitsplatzlösungen, gibt dagegen zu bedenken, dass zuhause diverse Ablenkungen - von den eigenen Kindern bis zum Haushalt - die Produktivität gefährden.

Tipps für den Umgang mit Mitarbeitern im Homeoffice

Die Regus-Studie sagt aber auch, dass schlechtere Ergebnisse von Heimarbeitern selten ein generelles Problem des Homeoffice seien, sondern vielmehr ein Zeichen von schlechtem Management. Und genau da liegt auch für Janina Kugel, Leiterin der Personalabteilung beim Leuchtenhersteller Osram, der Hase im Pfeffer. "Die Frage der Arbeitsorganisation ist eine Frage von Mitarbeiterführung, von Vertrauen und von Eigenverantwortung", sagt sie. Wo die Mitarbeiter ihren Job machen, sei eher sekundär. "Wer ein Team führt, muss sich überlegen, wie er seine Mitarbeiter motiviert und was die Mitarbeiter brauchen", ist sie sich sicher.
So gebe es Aufgaben, die sich nur gemeinsam, im Team, lösen ließen. Auf der anderen Seite gebe es aber auch Mitarbeiter, die hochkonzentriert und ungestört an einer Aufgabe arbeiten müssen.

Tipps für die Arbeit im Homeoffice

"Ich sage immer: "Den motivierten Mitarbeiter, der zum Unternehmenserfolg beiträgt, den will ich haben", sagt Kugel. Und schon sei man wieder bei der Frage: Was bedeutet eigentlich Führung und wie motiviert man Mitarbeiter?

Um den verschiedenen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung zu tragen, stellt Osram seit knapp anderthalb Jahren sukzessive auf flexiblere Modelle wie das Homeoffice um. Unter anderem hat das Unternehmen am Standort München Räume für verschiedene Aufgaben: Think Tanks, Gruppen- oder Stillarbeitsräume. Nur die festen Schreibtische fehlen. Besonders wichtig bei der Umstellung vom alten Nine-to-five-Modell zu den flexiblen Modellen sei vor allem der Dialog mit Mitarbeitern: Man müsse immer fragen: "Was braucht ihr, wie wollt ihr arbeiten?", so die Personalerin.

Niemand arbeitet nur zuhause

Trotzdem fällt die Entscheidung, die Angestellten von zuhause aus arbeiten zu lassen, vielen Führungskräften schwer. Dabei gibt es diverse Modelle, die eine Kombination aus Anwesenheit im Büro und der Arbeit im heimischen Wohnzimmer erleichtern. "Wer beispielsweise morgens eine Stunde lang E-Mails abarbeiten muss, kann das von Zuhause aus tun und umgeht so den Berufsverkehr", sagt Kugel. So komme der Mitarbeiter zwar später ins Büro, dafür sei er aber entspannt und motiviert und könne sich dann wichtigerem widmen als dem Abarbeiten von Mails.

Gute Arbeitsatmosphäre fördert gute Entscheidungen

Bei vielen Unternehmen spielt auch die individuelle Situation des Mitarbeiters eine wichtige Rolle, wenn entschieden wird, wo er arbeitet. So sind bei der Scout24-Gruppe, zu der unter anderem die Online-Plattformen Immobilienscout 24 oder Autoscout24 gehören, besonders Pendler und Eltern Nutznießer des Homeoffice. "Natürlich wird es immer Funktionen im Unternehmen geben, die nicht die volle Flexibilität haben", räumt Kugel ein. So kann ein Arbeiter aus der Produktion maximal seine Schichten flexibel einteilen.

Wo erfolgreichen Menschen die besten Ideen kommen
Stress, nervige Kollegen, besserwisserische Vorgesetzte - es gibt viele Gründe für Einfallslosigkeit am Arbeitsplatz. So ist es nicht erstaunlich, dass gerade einmal 3,4 Prozent aller Deutschen finden, ihr Arbeitsumfeld fördere Kreativität. Satte 9,9 Prozent weichen zum Grübeln und Überlegen folgerichtig auf das stille Örtchen aus: Sie haben ihre besten Ideen auf der Toilette. Fotos: dpa, Reuters, ap, PR
Er gilt als einer der berühmtesten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts: Seine geistigen Ergüsse schrieb der Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway am Stehpult nieder - mit einem Drink in der Hand.
Sein umfangreiches Werk gehört zu den bedeutendsten im Repertoire der klassischen Musik: Das Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart hatte seine besten Ideen - im Bett. Im gemütlichen Zettel-Chaos lief der Komponist erst so richtig zur Hochform auf.
Sir Isaac Newton war ein englischer Physiker, Mathematiker, Astronom, Alchemist, Philosoph und Verwaltungsbeamter. Bis heute gilt er als einer der größten Wissenschaftler aller Zeiten, mit seiner Prinzipia legte er den Grundstein für die klassische Mechanik. Gearbeitet hat Newton am liebsten im Garten.
Seine Dramen gehören zum besten, was die deutsche Sprache zu bieten hat. Aber auch als Lyriker hat sich Friedrich Schiller einen großen Namen gemacht. Um sich zu entspannen und der Kreativität freien Lauf zu lassen, stellte der Stürmer und Dränger seine Füße gerne in kaltes Wasser.
Das Badezimmer scheint auch für Regisseur Woody Allen ein besinnlicher Ort zu sein: Inspiration findet der US-Amerikaner beim Rasieren. Angesichts von über 50 Filmen als Drehbuchschreiber und Regisseur scheint dies eine recht vielversprechende Form kreativer Entspannung zu sein.
Dirk Engehausen, in der Mitte des Bildes, ist der Deutschland-Chef von Lego. Seine besten Ideen hat der Manager im Swimmingpool: Beim Drehen der Bahnen lässt er seine Gedanken kreisen.

Aber dennoch gehe es darum, eine natürliche und soziale Umgebung sowie eine Arbeitskultur zu schaffen, in der sich die Mitarbeiter wohl fühlen. "In unserer Kaffeeküche herrscht ein Mini-Starbucks-Feeling", sagt sie. Neben kostenlosen Getränken, Zeitungen und Büchern bietet der Rückzugsraum auch die Möglichkeit für berufliche Gespräche. Yahoo-Chefin Mayer hat schließlich nicht ganz unrecht, wenn sie sagt, dass die besten Entscheidungen häufig bei Diskussionen auf dem Flur oder in der Cafeteria getroffen werden. Der Mensch ist nun mal ein kommunikatives Wesen, das den Austausch mit anderen braucht.

Deshalb gibt es auch kein Unternehmen, in dem die Mitarbeiter ausschließlich zuhause arbeiten und die Kollegen nie sehen. Je nach Projekt, an dem ein Angestellter arbeitet, gibt es fixe Termine, zu denen sich die Kollegen im Büro oder sonst irgendwo treffen, telefonieren oder Videokonferenzen abhalten. Ein Punkt, der auch Kugel sehr wichtig ist. Sie sagt: "Bei Meetings mit Kunden gilt Customer First, da sind die Leute natürlich im Büro."

Einen faulen Lenz kann man sich überall machen

Arbeiten im Park und Chillout-Bereich
Ein Testflug in einem zum Labor umgebauten Flugzeug Quelle: dpa
Ein Blick in eine Fabrikhalle von Stryker Quelle: Presse
Der Kid's Corner in einer Deutsche Bank Filiale Quelle: Presse
Ein Kreativ-Raum in einer Schweizer Google-Zweigstelle Quelle: Presse
Ein mann geht an einem IBM-Logo vorbei Quelle: AP
Ein Konzert bei einem BMW-Mitarbeiterfest Quelle: Presse
Telekomlogo an einer Scheibe Quelle: Reuters

Und auch sonst finden Besucher bei Osram in München keine verwaisten Gänge vor: "Die meisten Mitarbeiter bei Osram nutzen von Zeit zu Zeit Heimarbeit, aber keiner arbeitet ausschließlich von zuhause aus", sagt Kugel. Außerdem gebe es natürlich auch die Mitarbeiter, die die Abgrenzung von Büro und Privatem zuhause nicht schaffen. "Die kommen lieber ins Büro."

Angst vor der fehlenden Kontrolle

Eine Befürchtung, die viele Manager, Mayer offenbar inklusive haben, ist die, dass Mitarbeiter im Homeoffice träge werden oder dass ohne die Kontrolle durch Chef und Kollegen die Disziplin leidet. Statt der Präsentation, die für das Kundengespräch gemacht werden muss, könnte der Mitarbeiter lieber den Rasen mähen, einkaufen gehen oder in der Badewanne entspannen. Die Gefahr des Nichtstuns besteht aber auch im Büro. "Die Bewertung von Ergebnissen erfolgt auf der Basis von Zielvereinbarungen. Kein Manager wird deswegen hinter seinen Mitarbeitern stehen und schauen, ob sie private E-Mails schreiben", sagt Kugel.

Schließlich gehe es um Ergebnisse, nicht um Anwesenheitszeiten. Eine totale Ablehnung des Homeoffice ist deshalb sinnlos. "Wenn Führungskräfte das Gefühl haben, dass jemand nicht das leistet, was vereinbart ist, muss man sehen, an was das liegt. Das geschieht aber unabhängig davon, wo der Mitarbeiter arbeitet", bekräftigt die Personalerin.

Richtig loben

Denn die grundsätzliche Leistungsbereitschaft kommt vom Mitarbeiter selbst, nicht vom Arbeitsumfeld. Führungskräfte können diese Leistungsbereitschaft durch entsprechendes Verhalten - beispielsweise durch Lob, nicht aber durch Kontrolle - verstärken. So zeigt auch eine repräsentative Studie der Beratungsgesellschaft Hay Group unter 18.000 Deutschen, dass ein "kollegiales Umfeld" und "erfüllender Job" Menschen am meisten motivieren.

Und wenn flexible Arbeitszeitmodelle und flexible Arbeitsplätze die Motivation von Angestellten fördern, sollten Führungskräfte zumindest einmal darüber nachdenken. Kugel ist sich sicher, dass sich das Homeoffice für Arbeitnehmer und Arbeitgeber lohnt. Nach anderthalb Jahren gebe es zwar "noch keinen monetär messbaren Erfolg, aber spürbar mehr Motivation", freut sie sich. Sie bekomme sogar E-Mails von Kollegen, die sich für die Veränderungen bedanken.

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