Incentives Unternehmen locken mit Yoga statt Dienstwagen

Mein Auto, meine Auszeit, mein Rabatt: Gehalt ist in vielen Unternehmen längst nicht mehr alles. Sie locken mit üppigen Zusatzleistungen und Vergünstigungen. Kritiker sehen darin aber auch eine Gefahr.

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Siemens-Mitarbeiter beim Yogakurs im betriebsinternen Fitnessstudio in Berlin. Quelle: dpa

Dienstwagen, Fitnessprogramme, betriebliche Altersvorsorge, Mitarbeiterwohnungen, Einkaufsrabatte: In Zeiten des Fachkräftemangels werben viele Unternehmen nicht nur mit einem guten Gehalt. Sie bieten auch immer mehr Vergünstigungen, um Angestellte zufriedenzustellen und sie zu besseren Leistungen zu motivieren.

So bietet Google der Belegschaft auf dem Firmencampus in Kalifornien Gratis-Essen, Swimming Pool und Kräutergarten. Der Kaffeeröster Tchibo hat in der Zentrale in Hamburg einen Freizeit- und Fitnessbereich für Beschäftigte eingerichtet, Siemens tut es in einem Gesundheitszentrum in Berlin gleich. Und Unternehmensberatungen wie Roland Berger oder McKinsey, berüchtigt für lange Arbeitszeiten, werben mit „Sabbaticals“, ausgedehnten Auszeiten vom Job. „Unternehmen können es sich nicht leisten, gar nichts anzubieten“, sagt Neele Siemer, Projektleiterin bei der Personalberatung Kienbaum. Gerade in Branchen mit starkem Fachkräftemangel seien solche „Benefits“ wichtig, um den eigenen Ruf als Arbeitgeber aufzupolieren.

Der Dienstwagen verliert an Attraktiviät

Dominierten einst Leistungen wie Dienstwagen und betriebliche Altersvorsorge in deutschen Firmen, gibt es heute den Trend zum Arbeiten in Wohlfühlatmosphäre: Reisen im Team als Belohnung, großzügige Weihnachtsfeiern oder Yoga-Kurse in der Firma, gemeinsame Pizza-Essen und Tischfußball nach Feierabend. Getrieben werde dies von Start-ups und hippen US-Technologiekonzernen, sagt Siemer: „Die Unternehmen wollen zeigen, dass bei ihnen die Arbeit Spaß macht.“ Entsprechend nutzten sie Benefits, um ihre Kultur herauszustellen.

Die beliebstesten Dienstwagen

Manche Angebote werden indes auch von Bewerbern gefordert. „Die Leute sind anspruchsvoller geworden“, beobachtet Frank Schabel vom Personalvermittler Hays. „Gerade flexible Arbeitszeiten haben in vielen Gesprächen einen hohen Stellenwert.“ Viele Bewerber legten Wert auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit oder auf die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten.

Dies zeigt auch eine Umfrage der Beratungsfirma Mercer unter 5400 Beschäftigten weltweit. Demnach stehen flexibles Arbeiten und mehr Auszeiten oben auf der Wunschliste - weit vor Sportangeboten oder Orten zum Entspannen. Firmen reagierten zunehmend darauf, heißt es im Papier, denn sie erwarteten einen härteren Kampf um Talente.

Dienstfahrrad ist im Kommen

Die Angebote spiegeln daher auch den Zeitgeist wider. Der Softwarekonzern SAP bietet etwa an, statt Firmenwagen ein Dienstfahrrad im Wert von bis zu 10.000 Euro zu leasen. Der Firmenwagen gilt zwar noch als Statussymbol, hat aber gerade bei Jungen an Wert verloren, meint Schabel. Und mit Zuschüssen zur Kinderbetreuung oder eigenem Kindergarten zielten Firmen auf Familien, in denen beide Eltern arbeiten. „Unternehmen kommen ihnen in ihren Lebensumständen entgegen.“

Die Dienstwohnung kommt zurück

Manche Firmen reagieren auf die Nöte von Mitarbeitern. So lockt der Burda-Verlag neue Angestellte mit einer Wohngemeinschaft in München. Im renovierten Altbau in der Isarvorstadt können Neuzugänge bis zu sechs Monate wohnen und derweil auf dem harten Wohnungsmarkt der Stadt eine Bleibe suchen. Miete zahlen sie nicht, nur eine geringe Umlage. Solche Angebote erinnern an Arbeiterwohnungen, die einst Industriekonzerne wie BASF in großem Stil errichteten.

Manche Firmen lassen sich spektakuläre Belohnungen für Mitarbeiter einiges kosten. So sorgte Xing jüngst für Aufsehen, als das Karriereportal die Belegschaft zum Dank für erreichte Geschäftsziele für drei Tage zur Firmenveranstaltung nach Mallorca fliegen ließ.

Firmen setzen die Angebote aber nicht ohne Eigennutz ein. „Gemeinsame Reisen können Mitarbeiter zusammenschweißen und die Identifikation mit dem Unternehmen fördern“, sagt Schabel. „Und natürlich reden die Leute darüber“. Unternehmen, die Sportzentren haben oder den Vertrag im Fitnessstudio bezuschussen, hoffen so, die Mitarbeiter gesund zu halten und Ausfälle durch Krankheiten zu senken.

Privatleben und Job mischen sich immer mehr

Kritiker sehen zudem die Gefahr, Privates und Berufliches immer mehr zu vermischen. „Das schafft den Anreiz, sich völlig für die Arbeit aufzugeben“, sagt Heiko Schulz, Arbeitspsychologe an der Universität Leipzig. Zwar seien Sportangebote für viele begrüßenswert. Doch statt am Feierabend Freunde zu treffen, umgebe man sich so wieder mit Kollegen. „Manche kommen aus der Arbeitswelt nicht mehr heraus.“

Sinnvoll seien Benefits, die auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern ohne Zwänge eingingen, etwa Elternzeit. Auch steigerten nicht alle Angebote nachweislich die Leistung oder Zufriedenheit von Mitarbeitern. „Es nützt nichts, wenn es einen Tischkicker und freies Obst für das Team gibt, aber der Chef die Leute nicht fördert.“

Gegen den Fachkräftemangel dürften indes selbst üppige Angebote samt Sabbatical, Sport und Wohlfühlatmosphäre alleine nicht reichen, meint Hays-Experte Schabel. An erster Stelle stünden für die meisten Bewerber ein marktgerechtes Gehalt, persönliche Entwicklungschancen und die Firmenkultur. „Vergünstigungen nimmt man dann gerne mit.“

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