Kinder aus schlechtem Hause werden keine Uniprofessoren, keine Ingenieure und auch keine Meeresbiologen. Das scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein. Zumindest in Deutschland. Die soziale Mobilität - also die Aufstiegschancen junger Menschen - wird hierzulande in jeder guten Bildungsstudie kritisiert. Wenn die Eltern nicht studiert haben, so der Eindruck, helfen sie weder bei den Hausaufgaben, noch interessieren sie sich für die Förderung des Nachwuchses.
Richtig ist, dass es leichter ist, vom Gymnasium auf die Realschule zu wechseln, als umgekehrt. Aber in punkto soziale Mobilität - also bei den Aufstiegschancen - liegt Deutschland mit seinem bewährten System der dualen beruflichen Bildung international in der Spitzengruppe. Denn unabhängig vom Elternhaus kann jeder eine Berufsausbildung machen.
Doch davon einmal ganz abgesehen, haben Forscher aus Illinois herausgefunden, dass der Einfluss des Elternhauses auf die eigene berufliche Laufbahn nicht so groß ist, wie bislang angenommen. Die Methode: Für die Langzeitstudie "Project Talent" wurden 1960 mehr als 80.000 junge Menschen im Alter von 14 bis 17 Jahren zu ihrem Elternhaus, ihrem Bildungsstand und ihren beruflichen Zielen befragt.
Die großen Karriere-Irrtümer
Viele ambitionierte Menschen verlassen sich auf logisch erscheinende Theorien, die nur auf Erfahrungen Einzelner basieren. Natürlich gibt es auch nützliches Erfahrungswissen, aber ohne psychologische Reflexion und systematische Aufbereitung bleibt es Einzelwissen.
Beim Mentoren-Prinzip fördern erfolgreiche Top-Manager ihre jüngeren, unerfahrenen Kollegen. Der Mentor will dem Mentee nach bestem Wissen und Gewissen sagen, „wo es lang geht“. Ist der Mentor gut, schrumpft das Wissensgefälle nach kurzer Zeit – und damit auch die Wichtigkeit des Mentors. Dieser wird dann oft wütend und eifersüchtig und ist versucht, die Karriere seines Schützlings zu hemmen.
Es ist eine verbreitete, aber falsche Annahme, dass Chefs offene und konstruktive Kritik benötigen, um besser zu werden. Denn diese wirkt sich oft desaströs auf die Karriere des Kritisierenden aus. Zumindest unbewusst will sich kein Chef Kritik anhören, schon gar nicht in seiner Position.
Es ist die Haltung des Gebens, die zum Erfolg und damit zur Karriere führt. Auch als unerfahrener Mitarbeiter kann man seinem Mentor etwas „geben“. Anstatt eine Beziehung zu seinem Mentor anzustreben, in der man nur selbst profitieren will, macht man seinem Vorbild Komplimente, zeigt seine Bewunderung und bittet um Rat und Hilfe.
Man muss nicht unbedingt mehr im Unternehmen arbeiten, wenn man höherwertige Positionen im Unternehmen erreicht. Top-Manager müssen vor allem die Verbindung zwischen der eigenen beruflichen und privaten Person intensivieren und als Persönlichkeit auf das Unternehmen wirken und dieses repräsentieren.
Karrieren hängen nicht von einzelnen Situationen ab, sondern entwickeln sich über einen langen Zeitraum. Bei Entscheidungen unter Zeitdruck ist es unerlässlich, innezuhalten. Je länger sie pausieren, ohne nachzudenken, umso unwahrscheinlicher ist eine Fehlentscheidung.
Talent ist zu vernachlässigen, wenn alle anderen Dimensionen für eine Karriere – wie das Streben nach höchstem Können und eine stabile Psyche – stimmen.
Die individuelle Karriere folgt keiner Normalverteilung. Für sie gibt es keine berechenbare Wahrscheinlichkeit. Die realen Einflussgrößen sind Widerstände und Krisen, die zu bestehen sind und an denen man wachsen kann.
Wer das System Karriere nicht durchschaut, hält die Erfolge seiner Karriere für Zufall. Es ist jedoch nicht Glück, sondern der autonomer Wille der Ambition – also harte Arbeit unter der Regie seiner Ziele.
1971 befragte man die gleichen Jugendlichen nochmals. 44 Jahre später nahmen sich Ioana Damian von der Universität Illinois und ihre Kollegen haben sich die Daten nochmals vor und untersuchten, wie die sich Intelligenz, Persönlichkeit und der sozioökonomische Status der Eltern der Teenager von 1960 auf den erreichten Bildungsstatus, das Jahreseinkommen, und das Prestige des Berufs der jungen Erwachsenen von 1971 ausgewirkt haben.
Dem Klischee nach hätten nun Kinder aus sozial schwachen Familien schlecht bezahlte Jobs mit geringem Prestige haben müssen, wogegen Kinder aus gutem Hause Ärzte, Anwälte oder Piloten sein müssten.
Doch dem war nicht so: ausschlaggebend für den späteren Berufserfolg sei die Intelligenz gewesen - unabhängig von Herkunft und Persönlichkeit. Wer als Teenager intelligent war, machte einen Masterabschluss und übte später einen angesehenen Beruf mit entsprechendem Einkommen aus.
Gemäß dem Grundsatz "wer hat, dem wird gegeben", konnten zwar intelligente Kinder aus gutem Hause einen sehr guten Abschluss machen und einen entsprechenden Beruf erreichen. Doch Kinder aus sozial schwachen Familien konnten allein durch Köpfchen ihre schlechten Startbedingungen wettmachen. Clevere Kinder aus den ärmsten Familien verdienten als erwachsene 39 Prozent mehr, als Kinder aus gutem Hause mit wenig Grips.
Was verwundert ist, dass die Persönlichkeit wenig mit dem beruflichen Erfolg zu tun hatte.