Das Nicht-Nein-sagen-können ist ein Problem, das nicht vor Geschlecht oder Alter Halt macht. Sicherlich hat jeder schon einmal irgendetwas zugestimmt, was er eigentlich lieber nicht getan hätte. Es gibt aber Menschen, die eher dazu neigen, in die Gutmütigkeitsfalle zu tappen. "Was die Sozialisation beziehungsweise die Erwartungen anbelangt, haben Frauen eher eine Schwäche dafür, nicht Nein sagen zu können", sagt Frick. Männer beherrschten die Ja-Sagerei zwar auch, aber von Mädchen werde nun mal erwartet, dass sie brav und folgsam sind, wohingegen Jungs auch mal wild und stur sein dürfen.
Außerdem gibt es Berufe, die eine Nein-Schwäche fördern: "Wenn Sie im Lidl Büchsen ins Regal einsortieren und die Palette leer ist, wissen Sie, dass Sie Ihren Job erledigt haben. Aber es gibt eben auch Berufe, wo man immer noch mehr machen, sich immer noch besser vorbereiten kann", weiß Frick.
Helfersyndrom führt zum Burnout
So zeigt eine Studie der American Sociological Association, dass Krankenschwestern zur Ja-Sageritis tendieren. Und je mehr sie den Wunsch haben, durch ihr Tun anderen zu helfen, desto eher reiben sie sich auf. Bei einer Untersuchung unter 700 Krankenschwestern zeigte sich, dass diejenigen, die den Beruf hauptsächlich ergriffen haben, um anderen zu helfen, deutlich häufiger an Burnout erkrankten als andere Kolleginnen. Ein ähnliches Phänomen trete auch beim Lehrpersonal auf, weiß Frick. "Die haben hohe Ideale, wollen es gut machen und haben Schwierigkeiten, einen Punkt zu setzen", sagt er.
In acht Schritten zum Burn-Out
Es beginnt alles mit dem Wunsch, sich zu beweisen. Dieser aber treibt einen in den Zwang, sich noch mehr anzustrengen, noch mehr zu leisten bzw. es allen recht zu machen. Man nimmt jeden Auftrag an, sagt immer seltener Nein. Jettet von Termin zu Termin. Und nimmt abends Arbeit mit nach Hause.
(Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Man nimmt seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahr. Schläft zu wenig, isst hastig oder gar nichts. Sagt den Kinobesuch mit Freunden ab.
Man missachtet die Warnsignale des Körpers, wie Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen, hoher Blutdruck, flaches Atmen, Konzentrationsschwäche.
Um wieder funktionieren zu können, greifen manche zu Drogen wie Schmerzmitteln, Schlaftabletten, Alkohol, Aufputschern.
Das eigene Wertesystem verändert sich. Die Freunde sind langweilig, der Besuch mit dem Kollegen im Café verschwendete Zeit. Die Probleme mit dem Partner oder Familie nimmt man einfach nicht mehr wahr. Man zieht sich zurück aus gesellschaftlichen Kontakten. Und endet oft in völliger Isolation.
Die Persönlichkeit verändert sich. Alles dreht sich nur noch darum, zu funktionieren, zu arbeiten. Gefühle und Emotionen werden verdrängt. Man verliert den Humor, reagiert mit Schärfe und Sarkasmus, empfindet Verachtung für Menschen, die das Faulsein genießen. Man verhärtet.
Man verliert das Gefühl für die eigene Persönlichkeit. Spürt nur noch Gereiztheit, Schmerzen, Erschöpfung, Überlastung, Angst vor einem Zusammenbruch. Und sonst nichts mehr. Keine Freude, keine Fröhlichkeit, keine Neugierde. Der Mensch funktioniert wie eine Maschine. Die Seele erstarrt.
Die wachsende innere Leere, genährt von dem Gedanken "Wenn ich nicht arbeite, was bin ich dann?", führt zur Depression, zur völligen Erschöpfung, zum Zusammenbruch, zum Ausgebranntsein.
Die erwähnte Emnid-Umfrage hat auch gezeigt, dass besonders die Jüngeren ein Problem mit dem Wort Nein haben. 85 Prozent der 30- bis 39-Jährigen gaben an, ein Problem damit zu haben, auch einmal eine Bitte abzulehnen. Bei den Teilnehmern, die schon über 60 waren, sagten das 77 Prozent. Wenig verwunderlich, findet Frick: "Die 20- bis 30-Jährigen stehen beruflich noch am Anfang, da kann es negative Auswirkungen für die Karriere haben, wenn man sperrig ist und oft Nein sagt."
Das Alter bringt die Gelassenheit
Bei den älteren Semestern sei einfach die Gelassenheit größer und die Angst vor Konsequenzen geringer. Wer kurz vor der Pensionierung stehe, mache sich nicht mehr allzu viele Gedanken, was ihm blühen könnte, wenn er mal keine Überstunden macht. Es gebe natürlich die Fälle, dass Angestellte entlassen werden, weil sie sich weigern, etwas zu tun. "Es kann aber auch passieren, dass das Gegenüber einem dafür gratuliert, dass man einen Einspruch gewagt hat", so Frick.
Das bestätigt auch die Hamburger Karriereexpertin Kerstin Hof: "Wenn ich auch mal Nein sage, kann ich mir sogar Respekt verschaffen, auch beim eigenen Chef." Denn schließlich ist das Geheimnis produktiver Menschen das Nein-Sagen. Denn nur dann kommt man überhaupt dazu, seine eigene Arbeit zu erledigen.
Doch wie kommt man denn nun weg davon, jede noch so sinnfreie Arbeit anzunehmen, damit niemand enttäuscht ist?