Karriere im Hightech-Sektor IT-Nerds: Verzweifelt gesucht!

Langweiler mit dicken Hornbrillen und fettigem Haar? Das war mal. Inzwischen sind die Computerspezialisten auf dem Vormarsch, denn der Expertenmangel lässt die Branche zittern. Selbst Quereinsteiger haben gute Chancen.

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Nicht schlecht: Der durchschnittliche Stundenlohn eines IT-Freelancer liegt bei 73 Euro. Quelle: dpa

Als sich Xenofon Grigoriadis im Jahr 2005 nach fünf Jahren Festanstellung aus der Not heraus selbständig machte, war es nicht leicht für den Software-Entwickler, seinen ersten Auftrag zu ergattern. Heute kann sich der 42-Jährige, der auf Oracle-Datenbanken spezialisiert ist, seine Projekte und Auftraggeber aussuchen.

Als viele der großen Firmen nach dem Platzen der Internetblase in den Jahren nach der Jahrtausendwende Einstellungsstopps verhängten, aber nach wie vor Freiberufler beschäftigten, entschied sich Grigoriadis für die Selbständigkeit und ist heute Freelancer aus Überzeugung. Neben einer guten Auftragslage schätzt er die Möglichkeit, sein Wissen permanent erweitern zu können.

Er ist einer von etwa 80.000 freiberuflichen IT-Experten in Deutschland. Der durchschnittliche Stundenlohn der IT-Freelancer liegt bei 73 Euro. Die begehrtesten sind derzeit SAP-Experten, die im Schnitt für 87 Euro die Stunde arbeiten.

Doch nicht nur Freiberufler sind in der Branche sehr gefragt. Derzeit gibt es 38.000 offene Stellen für IT-Experten, wie der Bundesverband  Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) mitteilt. Innerhalb eines Jahres ist der Bedarf an Fachkräften in der IT um 36 Prozent angestiegen. Und auch die schwächeren Aussichten der Gesamtkonjunktur zeigten laut Verband zur Zeit keine Auswirkungen auf den Hightech-Sektor.

Besonders begehrt bei Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) sind Software-Entwickler: 84 Prozent der von Bitkom befragten ITK-Unternehmen gaben an, auf der Suche nach solchen Experten für die Entwicklung neuer Anwendungen zu sein.


Durchschnittliches Bruttojahresgehalt: 60.100 Euro

Nicht nur die Nachfrage steigt, auch die Gehälter in der ITK-Branche entwickeln sich positiv: Eine Untersuchung der Personalberatung Kienbaum prognostiziert, dass die Gehälter von IT-Spezialisten im laufenden Jahr im Schnitt um 4,7 Prozent steigen werden. Im Jahr 2010 lag ihr durchschnittliches Bruttojahresgehalt bei 60.100 Euro.

Damit liegt die ITK-Branche noch vor den Energieversorgern, der chemischen Industrie und dem Fahrzeugbau. Auch für Absolventen sind die Aussichten gut: Rund ein Drittel der Berufseinsteiger mit Informatik-Studium startet mit einem Einstiegsgehalt zwischen 41.000 und 44.000 Euro, wie die Staufenbiel-Studie „JobTrends Deutschland 2012“ zeigt.

Auch das durchschnittliche Jahreseinkommen von Führungskräften steigt. Im Jahr 2011 wurde ein Zuwachs von 5,2 Prozent verzeichnet. Laut einer Studie der Vergütungsberatung Personalmarkt, die von der Fachzeitung Computerwoche in Auftrag gegeben wurde, verdient ein IT-Bereichsleiter in einem großen Anwenderunternehmen im Schnitt 245.000 Euro, darin enthalten sind 64.000 Euro Bonuszahlungen.

Ein Bereichsleiter in einem Softwarehaus erhält durchschnittlich 174.000 Euro im Jahr. Bei den Branchen, die IT-Führungskräfte am besten bezahlen, liegen die Banken ganz vorne, dahinter folgen Automobilindustrie, Telekommunikation und Softwareindustrie.


IT-Fachkräftemangel: Einbußen in Milliardenhöhe

Doch trotz dieser verlockenden Aussichten sind IT-Spezialisten Mangelware auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Lage ist angespannt, der Fachkräftemangel hat jährliche Umsatzeinbußen von elf Milliarden Euro zur Folge, wie eine aktuelle Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und des Bitkom zeigt.

„Ich sehe ein Problem darin, dass in vielen Köpfen das alte Bild des Informatikers hängen geblieben ist“, sagt Oliver Grün, Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand (Bitmi). Längst bestehe der Job nicht mehr nur aus Programmieren, sondern habe sich zu einem vielseitigen „Querschnittsberuf“ entwickelt.

Das hat zur Folge, dass immer mehr Arbeitsplätze entstehen. „Besonders gefragt sind zur Zeit Wirtschaftsinformatiker, die die Sprache der Anwender sprechen, aber auch die IT-Welt verstehen“, sagt Grün. Zwar mangele es auch an Programmierern, doch könne hier zumindest ein Teil über Outsourcing von Projekten gedeckt werden.


Spezialisten statt Generalisten gefragt

Dann springen freiberufliche IT-Experten wie Xenofon Grigoriadis ein, der neben der Software-Entwicklung bei Bedarf auch die Leitung und das Management der Projekte übernimmt. Diese dauern in der Regel zwischen einem Dreivierteljahr und zwei Jahren. Zu seinen Kunden zählen Großunternehmen aus der Automobilindustrie, der Telekommunikation, der Verwaltung und dem Bankenbereich.

Grigoriadis weiß, dass es besonders für Selbständige in der IT wichtig ist, sich zu spezialisieren. Er ist nicht nur Experte für Oracle-Datenbanken, sein zweiter Kernbereich ist die Programmiersprache Java. „Als Freelancer muss man sich dessen bewusst sein, dass Expertenwissen gefragt ist und diese Expertise klar nach außen hin kommunizieren.“ Es gelte, die bestehenden Kenntnisse fortlaufend zu vertiefen, aber auch, das Fachwissen strategisch weiterzuentwickeln.

Etwa, in dem man sich überlege, welche benachbarten Fachgebiete zu dem eigenen Profil passen. „Java zum Beispiel ist ein eigener Kosmos, da würde mir niemand abnehmen, wenn ich sage 'Ich kann alles!'“, so Grigoriadis. Darum hat er sich in diesem Bereich auf Technologien spezialisiert, die eine Schnittstelle zum Thema Datenbank darstellen.

Auch mit der Sicherheit von Datenbanken beschäftigt sich der Bonner; ein Thema, das immer mehr gefragt ist. „Bei der Auswahl des nächsten Projektes schaue ich nicht immer nur auf die Bezahlung, sondern wähle auch danach aus, wo ich mein Wissen weiterentwickeln kann.“


Positiver Effekt für Bewerber und Freelancer

Für Freelancer wie Grigoriadis hat der Fachkräftemangel einen positiven Effekt. Er führt nicht nur zu einer guten Auftragslage, sondern stärkt auch die Verhandlungsposition der Freiberufler. „Die Unternehmen wissen, dass sie den Freelancern gegenüber Zugeständnisse machen müssen, um sie für sich zu gewinnen. Die Angebote werden immer flexibler“, sagt Grigoriadis, der sich im Berufsverband Selbständige in der Informatik (Bvsi) engagiert. So sei es ihm zum Beispiel häufiger möglich, vom Home Office aus für seine Kunden zu arbeiten.

Auch der Mittelstand bemühe sich um attraktive Arbeitsplätze, so Oliver Grün vom Bundesverband IT-Mittelstand. „Es ist klar, dass hier nicht mit den gleichen Gehältern agiert werden kann, wie in Großkonzernen, dennoch will man verstärkt Anreize schaffen.“ Etwa mit flexibleren Arbeitszeiten oder Angeboten, die zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen sollen.

In der nach wie vor männerdominierten IT-Branche sind die Aussichten für weibliche Fachkräfte besonders gut. Das zeigt eine Studie des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE), der über drei Jahre den Übergang vom Studium ins Berufsleben junger Frauen aus der Elektro- und IT-Branche untersuchte. „Unternehmen haben gelernt, dass gemischte Teams schlicht und einfach besser arbeiten als reine Männerteams“, sagt Walter Börmann vom VDE.

Zudem studieren Frauen scheinbar intensiver und umfangreicher als ihre männlichen Kommilitonen, bringen bessere Fremdsprachenkenntnisse und mehr Praxiserfahrung mit und sind bei Bewerbungen dementsprechend häufig erfolgreicher. Beim Berufseinstieg ist ihr Gehalt in der Regel mindestens genauso hoch wie das der Männer. Nach fünf Jahren dann ändert sich das Bild, dann liegen die Männer meist vorne.

„Das hängt auch damit zusammen, dass Frauen häufig eine Karriere in der Wissenschaft einem Job in der freien Wirtschaft vorziehen“, erklärt Börmann. Hochschulen bieten im Schnitt mehr Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf an, außerdem haben 70 Prozent von ihnen frauenspezifische Förderprogramme. 

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