Karriere Raus aus der Sackgasse

Eine vermeintlich attraktive Stelle entpuppt sich bisweilen als Enttäuschung. Wie lässt sich dieser fatale Fehler vermeiden?

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Wann es Zeit für einen Jobwechsel ist
FrustWenn Sie gar keine Freude mehr an dem haben, was Sie tun, wenn Sie schon morgens mit Bauchschmerzen aufstehen und die positivste Stimmung, zu der Sie an der Arbeit fähig sind, eine genervte Grundhaltung ist, sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie dauerhaft so weitermachen wollen. Die Düsseldorfer Outplacement-Beraterin Heike Cohausz rät in einem solchen Fall: "Stellen Sie sich zunächst folgende Fragen: Was genau hat meinen Frust ausgelöst? Wieso möchte ich nicht mehr mit meinem Chef arbeiten? Welche konkreten Situationen haben dazu geführt, dass ich gehen will?" Können Sie die Faktoren, die Ihren Frust auslösen, nicht verändern oder beeinflussen, sollten Sie ernsthaft über einen Jobwechsel nachdenken. Quelle: Fotolia
Zu wenig GehaltIhre Arbeit sollte Ihrem Chef mehr Geld wert sein? Dann sollte Sie natürlich der erste Weg zu Ihrem Vorgesetzten führen. Wenn Ihr Unternehmen wegen seiner wirtschaftlichen Lage aber nicht mehr zahlen kann, gibt es zwei Möglichkeiten: das Ganze so hinnehmen oder gehen. Gerade für Arbeitnehmer, die bereits öfter bei Lohnerhöhungen übergangen worden sind, wäre letzteres der richtige Weg. Laut einer Studie von TNS Infratest zusammen mit der Personalberatung Cribb ist gerade für Männer die Unzufriedenheit mit ihrem aktuellen Gehalt ein Wechselgrund. Von einem Jobwechsel versprechen sich laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Online-Stellenbörse Jobware rund 30 Prozent der Befragten ein höheres Einkommen - und das kriegen Sie in der Regel auch. So bestätigt eine Umfrage des Personaldienstleisters Experis unter 1049 Arbeitnehmern, dass 56 Prozent der Befragten mit dem neuen Arbeitsplatz auch mehr Gehalt bekommen. Marcus Schmidt, Geschäftsführer der Personalberatung Hanover Matrix, sagt: "Steigerungen um zehn Prozent liegen dabei im Normbereich." Quelle: Fotolia
Gestiegene AnforderungenImmer mehr, immer schneller: Sie müssen immer mehr Arbeit bestenfalls in der gleichen, am liebsten aber in der Hälfte der Zeit, erledigen? Kollegen, die in den Ruhestand gehen oder kündigen werden nicht ersetzt, sondern die Arbeit bleibt an den übrigen Mitarbeitern hängen? Wenn es sich nicht nur um kurze Stressphasen - beispielsweise wegen Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen - handelt, sind stetig steigende Anforderungen ohne entsprechende (pekuniäre) Würdigung für 17 Prozent ein Grund für eine Kündigung. Wenn Sie dem wachsenden Arbeitsberg nicht mehr Herr werden und auch keine Besserung in Sicht ist, wäre ein Jobwechsel eine Option.(Quelle: Umfrage des Personaldienstleisters Kelly Services unter 2200 Beschäftigten) Quelle: Fotolia
LangeweileDoch auch das Gegenteil gibt es häufig: Die Aufgaben, die Sie zu erledigen haben, sind überschaubar - und vor allem monoton. Sie langweilen sich nine to five. Bei einer Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half unter mehr als 2400 Fachkräften sagte beispielsweise jeder zweite deutsche Arbeitnehmer, dass er für die Chance auf mehr Abwechslung sofort bei einem neuen Arbeitgeber anheuern würde. Und ein Jobwechsel kann dann tatsächlich etwas bewirken. Die Experis-Umfrage unter 1049 Jobwechslern zeigt, dass 46 Prozent derer, die den Schritt gewagt und gekündigt haben, ihre Tätigkeit nun für vielfältiger halten. Ein Viertel der Studienteilnehmer bemerkte, dass sich das sehr positiv auf die eigene Motivation auswirkte. Quelle: dpa
Wichtigstes Kriterium bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers: Der Standort Quelle: AP
Zeit für die FamilieOb wegen Pendelei, Arbeitsberg oder Überstunden - manchmal fehlt einfach die nötige Zeit für Freunde, Familie und Privatleben. In diesem Fall müssen Sie sich die Frage stellen, ob Ihnen Ihr Job das Wert ist. "Jede Lebenssituation ist anders und auch die Ziele können im Lauf der Zeit variieren", sagt Beraterin Cohausz. Wenn es für den Berufseinsteiger noch völlig in Ordnung war, 60 Stunden die Woche zu arbeiten und durch die Welt zu jetten, ist dieses Modell für junge Eltern gänzlich ungeeignet. Auch für den älteren Arbeitnehmer wäre ein anderes Arbeitsmodell eventuell sinnvoll, auch wenn das alte Jahre lang gut funktioniert hat. "Ein Seiten- oder Rückschritt kann für eine ruhigere Phase im Leben, etwa um mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können, sinnvoll und wichtig sein", sagt Cohausz. Auch ein Funktions- oder Branchenwechsel können sinnvoll sein. Fragen Sie sich: Wo möchte ich in zehn Jahren stehen? Bringt mich der Schritt dorthin? Ist mir Führungsverantwortung wirklich wichtig? Quelle: Fotolia
KarrierechancenFür viele soll es allerdings nicht seit- oder rückwärts, sondern nach vorne gehen. Aber viele können in ihrem Unternehmen maximal 67 werden, mehr geben die Perspektiven nicht her. Wer mehr von seinem Berufsleben möchte, muss sich in diesem Fall nach einem neuen Job umsehen. Tiemo Kracht, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Kienbaum empfiehlt unzufriedenen Arbeitnehmern zu überprüfen, ob die Unternehmens- und Ertragsentwicklung eine tragfähige Basis für eine weitere Karriere bietet. "Wenn die nächste Führungsebene, für die Sie sich vorbereitet haben, mit einem Kandidaten besetzt wird, der jünger, im gleichen Alter oder geringfügig älter ist, kann der nächste Karriereschritt auf Jahre versperrt sein ", sagt er. Quelle: Fotolia

"Höher, schneller, weiter." Nach der sportlichen Maxime agieren auch Angestellte bei der Jobsuche. Egal ob Fach- oder Führungskräfte, viele lassen sich von einem Stellenangebot verführen. Den einen lockt ein höheres Gehalt, der andere strebt nach mehr Sozialprestige oder einer steileren Karriere.

Bisweilen folgt die Ernüchterung. Dann nämlich, wenn sich die neue Stelle als berufliche Sackgasse erweist.

So wie zum Beispiel bei Nicole Nagel*. Die 39-jährige Betriebswirtin fast ein Jahrzehnt als Controllerin für einen Konzern im Rheinland. Dann erhielt sie von einem mittelständischen Maschinenbauer in Schwaben das Angebot, dessen Controlling neu aufzubauen.

Nagel reizte neben der Aufgabe auch die Position und das Gehalt. Also sagte sie spontan ja. Doch dann saß das Stadtkind in der schwäbischen Provinz und merkte: Die ticken hier ganz anders.

In Köln hatte sie mit ihren Kollegen über neue Filme und Theaterstücke gesprochen und war in angesagte Bars gegangen. Doch in ihrer neuen Heimat drehen sich die Gespräche um den örtlichen Feuerwehrverein.

Und der Geschäftsführer sagte zwar bei den Auswahlgesprächen, sie erhalte beim Aufbau des Controllings weitgehend freie Hand. Doch faktisch mischt er sich in fast jeden Handgriff ein. Bereits nach wenigen Tagen bereute Nagel ihren Entschluss und sehnte sich nach Köln zurück.

Deshalb war sie auch nicht enttäuscht, als der Geschäftsführer ihr nach drei Monaten mitteilte: "Wir beenden die Zusammenarbeit mit Ihnen". Ohne Angabe von Gründen. Denn Nagel spürte, dass die Chemie nicht stimmte.

In leichte Panik geriet die Controllerin erst, als sie wieder in Köln in ihrer Wohnung saß. Denn nun wurde ihr allmählich klar, dass sie sich für eine neue Stelle bundesweit bewerben müsste – obwohl sie gerne in Köln bleiben würde. Doch ihre alte Stelle ist nun weg.

Welche Konsequenzen hätte ein Flop?

Ähnliche Fehler begehen hoch qualifizierte Stellensucher oft. Sie manövrieren sich, weil sie die Konsequenzen eines Stellenwechsels nicht ausreichend reflektieren, in eine unangenehme Situation.

Für einen Handwerker ist es meist kein Problem, wenn ein neuer Job sich als Flop erweist. Er findet meist am selben Ort oder zumindest in derselben Region einen neuen Arbeitsplatz.

Anders geht es hochqualifizierten Spezialisten oder Führungskräften. Erweist sich bei ihnen ein neuer Job als Flop, dann müssen sie einen erneuten Umzug in Kauf nehmen – und möglicherweise eine Wochenendehe führen.

Mehr Arbeit. Mehr Stress. Burn-out.

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von Kristin Rau

Was dies bedeutet, unterschätzen viele. Auch Diplom-Kaufmann Claus Steger. Er erhielt von seinem Hamburger Arbeitgeber vor fünf Jahren das Angebot, in dessen Münchner Zentrale "Salesmanager Europe" zu werden. Steger schmeichelte das Angebot, und er rechnete sich aus: Wenn ich den Job zehn Jahre mache, habe ich ausgesorgt.

Seine Frau war weniger begeistert. Sie wollte mit den pubertierenden Kindern keinesfalls nach München umziehen. Also wollte Steger am Wochenende pendeln. Doch er hatte den Aufwand unterschätzt.

In seiner Position musste er immer wieder ins Ausland reisen. Folglich wurde aus den Wochenendflügen nach Hamburg oft nichts. Und wenn doch, dann mit Taschen voller Arbeit.

Nach eineinhalb Jahren erlitt er einen Burn-out. Nachdem er ein halbes Jahr krankgeschrieben war, unterschrieb er einen Auflösungsvertrag. Zwar ist Steger wieder gesund. Doch eine neue Festanstellung hat der heute 54-Jährige in den vergangenen drei Jahren nicht gefunden. Stattdessen jobbt er monatsweise als Interimsmanager – oder, wie er selbst ironisch sagt, als "gutbezahlter Leiharbeiter".

Was ist mir im Leben wichtig?

Den Fehler von Steger begehen hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte immer wieder. Sie reflektieren nicht ausreichend, was eine neue Stelle konkret bedeutet.

Mehr Arbeit. Mehr Stress. Mehr Reisen. Ein höheres Kündigungsrisiko. Oder auch eine sehr starke Spezialisierung, die sich langfristig als Sackgasse erweisen könnte.

Noch weniger reflektieren sie: Passt die neue Stelle zu meiner Vorstellung von einem glücklichen und erfüllten Leben? Dabei sollten Sie sich vor allem einige Fragen beantworten:

  • Macht mir die Arbeit voraussichtlich langfristig Spaß und erachte ich sie als sinnvoll?

  • Kann ich abends bei meiner Familie sein?

  • Kann ich weiterhin meinen Hobbies frönen?

  • Kann ich mich spontan mit Freunden treffen?

Wer mit seinen Lebensumständen unzufrieden ist, bringt bald auch keine Top-Leistungen mehr.

Drum prüfe, wer sich bindet…

Zugegeben: Heimat ist nicht für jeden wichtig. Kai Diemler zum Beispiel würde das hessische Kronberg gern seltener sehen. Der Betriebswirt verlor 2008 seinen Job als Geschäftsführer der deutschen Niederlassung eines Automobilzulieferers. Nach fast einem Jahr erzwungener Auszeit nahm er die Geschäftsführer-Stelle bei einem mittelständischen Baumaschinen-Hersteller an, obwohl er wusste: Dessen Inhaber hat in den zurückliegenden vier Jahren drei Geschäftsführer verschlissen.

Fortan pendelte Diemler zwischen dem Wohnort seiner Familie und dem 400 Kilometer entfernten Standort des Unternehmens hin und her. Was weder ihm noch seiner Frau etwas ausmachte. Zunächst zumindest.

Wann die Alarmglocken angehen sollten

Welche Berufe glücklich machen
die glücklichsten Menschen arbeiten in Hamburg Quelle: dpa
Die Jobsuchmaschine Indeed hat sich der Zufriedenheit deutscher Arbeitnehmer angenommen und nachgefragt, wer mit seinem Job besonders zufrieden ist. Die glücklichsten Berufe in Deutschland sind demnach eine bunte Mischung aus allen Ausbildungswegen und Hierarchiestufen. So gehören zu den Top 20 der zufriedensten Berufe viele traditionelle Handwerksberufe wie Maurer, Tischler oder Elektriker. Zufrieden sind allerdings auch - entgegen aller Klischees - Lehrer und Krankenschwestern. An der Spitze der Liste stehen Trainer, studentische Hilfskräfte und, wenig überraschend, Geschäftsführer. Laut dem Meinungsforschungsinstituts YouGov sind allgemein nur sieben Prozent der Deutschen wirklich unzufrieden mit ihrem Job, 75 Prozent der Arbeitnehmer macht ihre Arbeit mehrheitlich Spaß. Damit sie sich im Beruf wohl fühlen, brauchen 27 Prozent der Beschäftigten neue Herausforderungen, für 18 Prozent ist ein abwechslungsreicher Arbeitsalltag wichtig, für 15 Prozent bessere Gehaltsaussichten. Immerhin 14 Prozent wollen „etwas Sinnvolles“ für die Gesellschaft tun. Die folgenden Berufe erfüllen diese Kriterien - und machen glücklich. Quelle: Fotolia
Gärtner und Floristen sind zu 87 Prozent glücklich. "Ich arbeite in einer Umgebung, die ich mag, und tue etwas lohnendes und sinnvolles", gaben sogar 89 Prozent von ihnen an. Quelle: Fotolia
Jemand frisiert einen Puppenkopf Quelle: dpa
Männer arbeiten an Toiletten. Quelle: AP
Die ersten Nicht-Handwerker in der Glücksrangliste sind ausgerechnet Marketing- und PR-Leute (75 Prozent). Die Wahrheit steht offenbar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Glück. Quelle: Fotolia
Jemand hält einen Glaskolben mit einer Flüssigkeit darin. Quelle: AP

Doch 15 Monate später war Diemler arbeitslos – aufgrund persönlicher Differenzen mit dem 77-jährigen Firmeninhaber. Es folgte eine weitere erzwungene Auszeit von über einem Jahr, bevor Diemler Geschäftsführer bei einem Start-up in Bayern wurde. Bis er anderthalb Jahre später wieder ohne Job war.

Seitdem hat Diemler ein echtes Problem. Wenn er sich als potenzieller Geschäftsführer vorstellt, taucht immer eine Frage auf: Warum wurde der in nur sechs Jahren drei Mal entlassen? Dass er zuvor zwölf Jahre erfolgreich Geschäftsführer bei dem Autozulieferer war, nehmen seine potenziellen Arbeitgeber nicht mehr wahr. Er gilt als Risiko und ist allenfalls noch zweite Wahl.

Vorsicht Macher – aufgepasst

Diemler machte zwei Mal denselben Fehler. Er nahm vorschnell eine Stelle an. Ignorierte alle Bedenken. Ohne finanzielle Not.

Nun ist Diemler seit über zwei Jahren arbeitslos. Deshalb hat er ein Beratungsunternehmen gegründet, "als Beschäftigungstherapie".

Dass ihn noch einmal ein größeres Unternehmen zu seinen Konditionen als Geschäftsführer einstellt, diese Hoffnung hat er schon fast aufgegeben. Und das tägliche Joggen sowie Tennis- und Golfspielen? Das hat ein Macher wie er schnell satt.

* Namen geändert.

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