"Höher, schneller, weiter." Nach der sportlichen Maxime agieren auch Angestellte bei der Jobsuche. Egal ob Fach- oder Führungskräfte, viele lassen sich von einem Stellenangebot verführen. Den einen lockt ein höheres Gehalt, der andere strebt nach mehr Sozialprestige oder einer steileren Karriere.
Bisweilen folgt die Ernüchterung. Dann nämlich, wenn sich die neue Stelle als berufliche Sackgasse erweist.
So wie zum Beispiel bei Nicole Nagel*. Die 39-jährige Betriebswirtin fast ein Jahrzehnt als Controllerin für einen Konzern im Rheinland. Dann erhielt sie von einem mittelständischen Maschinenbauer in Schwaben das Angebot, dessen Controlling neu aufzubauen.
Nagel reizte neben der Aufgabe auch die Position und das Gehalt. Also sagte sie spontan ja. Doch dann saß das Stadtkind in der schwäbischen Provinz und merkte: Die ticken hier ganz anders.
In Köln hatte sie mit ihren Kollegen über neue Filme und Theaterstücke gesprochen und war in angesagte Bars gegangen. Doch in ihrer neuen Heimat drehen sich die Gespräche um den örtlichen Feuerwehrverein.
Und der Geschäftsführer sagte zwar bei den Auswahlgesprächen, sie erhalte beim Aufbau des Controllings weitgehend freie Hand. Doch faktisch mischt er sich in fast jeden Handgriff ein. Bereits nach wenigen Tagen bereute Nagel ihren Entschluss und sehnte sich nach Köln zurück.
Deshalb war sie auch nicht enttäuscht, als der Geschäftsführer ihr nach drei Monaten mitteilte: "Wir beenden die Zusammenarbeit mit Ihnen". Ohne Angabe von Gründen. Denn Nagel spürte, dass die Chemie nicht stimmte.
In leichte Panik geriet die Controllerin erst, als sie wieder in Köln in ihrer Wohnung saß. Denn nun wurde ihr allmählich klar, dass sie sich für eine neue Stelle bundesweit bewerben müsste – obwohl sie gerne in Köln bleiben würde. Doch ihre alte Stelle ist nun weg.
Welche Konsequenzen hätte ein Flop?
Ähnliche Fehler begehen hoch qualifizierte Stellensucher oft. Sie manövrieren sich, weil sie die Konsequenzen eines Stellenwechsels nicht ausreichend reflektieren, in eine unangenehme Situation.
Für einen Handwerker ist es meist kein Problem, wenn ein neuer Job sich als Flop erweist. Er findet meist am selben Ort oder zumindest in derselben Region einen neuen Arbeitsplatz.
Anders geht es hochqualifizierten Spezialisten oder Führungskräften. Erweist sich bei ihnen ein neuer Job als Flop, dann müssen sie einen erneuten Umzug in Kauf nehmen – und möglicherweise eine Wochenendehe führen.
Mehr Arbeit. Mehr Stress. Burn-out.
Was dies bedeutet, unterschätzen viele. Auch Diplom-Kaufmann Claus Steger. Er erhielt von seinem Hamburger Arbeitgeber vor fünf Jahren das Angebot, in dessen Münchner Zentrale "Salesmanager Europe" zu werden. Steger schmeichelte das Angebot, und er rechnete sich aus: Wenn ich den Job zehn Jahre mache, habe ich ausgesorgt.
Seine Frau war weniger begeistert. Sie wollte mit den pubertierenden Kindern keinesfalls nach München umziehen. Also wollte Steger am Wochenende pendeln. Doch er hatte den Aufwand unterschätzt.
In seiner Position musste er immer wieder ins Ausland reisen. Folglich wurde aus den Wochenendflügen nach Hamburg oft nichts. Und wenn doch, dann mit Taschen voller Arbeit.
Nach eineinhalb Jahren erlitt er einen Burn-out. Nachdem er ein halbes Jahr krankgeschrieben war, unterschrieb er einen Auflösungsvertrag. Zwar ist Steger wieder gesund. Doch eine neue Festanstellung hat der heute 54-Jährige in den vergangenen drei Jahren nicht gefunden. Stattdessen jobbt er monatsweise als Interimsmanager – oder, wie er selbst ironisch sagt, als "gutbezahlter Leiharbeiter".
Was ist mir im Leben wichtig?
Den Fehler von Steger begehen hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte immer wieder. Sie reflektieren nicht ausreichend, was eine neue Stelle konkret bedeutet.
Mehr Arbeit. Mehr Stress. Mehr Reisen. Ein höheres Kündigungsrisiko. Oder auch eine sehr starke Spezialisierung, die sich langfristig als Sackgasse erweisen könnte.
Noch weniger reflektieren sie: Passt die neue Stelle zu meiner Vorstellung von einem glücklichen und erfüllten Leben? Dabei sollten Sie sich vor allem einige Fragen beantworten:
Macht mir die Arbeit voraussichtlich langfristig Spaß und erachte ich sie als sinnvoll?
Kann ich abends bei meiner Familie sein?
Kann ich weiterhin meinen Hobbies frönen?
Kann ich mich spontan mit Freunden treffen?
Wer mit seinen Lebensumständen unzufrieden ist, bringt bald auch keine Top-Leistungen mehr.
Drum prüfe, wer sich bindet…
Zugegeben: Heimat ist nicht für jeden wichtig. Kai Diemler zum Beispiel würde das hessische Kronberg gern seltener sehen. Der Betriebswirt verlor 2008 seinen Job als Geschäftsführer der deutschen Niederlassung eines Automobilzulieferers. Nach fast einem Jahr erzwungener Auszeit nahm er die Geschäftsführer-Stelle bei einem mittelständischen Baumaschinen-Hersteller an, obwohl er wusste: Dessen Inhaber hat in den zurückliegenden vier Jahren drei Geschäftsführer verschlissen.
Fortan pendelte Diemler zwischen dem Wohnort seiner Familie und dem 400 Kilometer entfernten Standort des Unternehmens hin und her. Was weder ihm noch seiner Frau etwas ausmachte. Zunächst zumindest.
Wann die Alarmglocken angehen sollten
Doch 15 Monate später war Diemler arbeitslos – aufgrund persönlicher Differenzen mit dem 77-jährigen Firmeninhaber. Es folgte eine weitere erzwungene Auszeit von über einem Jahr, bevor Diemler Geschäftsführer bei einem Start-up in Bayern wurde. Bis er anderthalb Jahre später wieder ohne Job war.
Seitdem hat Diemler ein echtes Problem. Wenn er sich als potenzieller Geschäftsführer vorstellt, taucht immer eine Frage auf: Warum wurde der in nur sechs Jahren drei Mal entlassen? Dass er zuvor zwölf Jahre erfolgreich Geschäftsführer bei dem Autozulieferer war, nehmen seine potenziellen Arbeitgeber nicht mehr wahr. Er gilt als Risiko und ist allenfalls noch zweite Wahl.
Vorsicht Macher – aufgepasst
Diemler machte zwei Mal denselben Fehler. Er nahm vorschnell eine Stelle an. Ignorierte alle Bedenken. Ohne finanzielle Not.
Nun ist Diemler seit über zwei Jahren arbeitslos. Deshalb hat er ein Beratungsunternehmen gegründet, "als Beschäftigungstherapie".
Dass ihn noch einmal ein größeres Unternehmen zu seinen Konditionen als Geschäftsführer einstellt, diese Hoffnung hat er schon fast aufgegeben. Und das tägliche Joggen sowie Tennis- und Golfspielen? Das hat ein Macher wie er schnell satt.
* Namen geändert.