Karrierekiller Kind Was Müttern in Deutschland blüht!

Nachwuchs bremst den Aufstieg von Frauen. Schade nur, dass viele Firmen das immer noch nicht verstehen (wollen), klagt Kirsten Ludowig. In Wahrheit wollen diese nicht ran an den eigentlich wunden Punkt: ihre Kultur.

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Die Gleichberechtigung in der Unternehmenswelt liegt noch in weiter Ferne. Quelle: Getty Images

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Die Commerzbank sucht einen neuen Chef beziehungsweise eine Chefin. Es darf nämlich gern eine Frau sein. Damit wäre das Frankfurter Institut der erste Konzern im Leitindex Dax, der den Spitzenposten weiblich besetzt.

Sollte künftig wirklich eine Frau den Männerklub bei Deutschlands zweitgrößter Bank anführen - alle Achtung! Tut sich doch gerade die Finanzindustrie besonders schwer mit dem Thema. Wenn es dann auch noch eine Frau und Mutter wäre - Respekt!

Denn während Frauen sprachlich schon 2013 mit der Aufnahme des Wortes „Vorständin“ in den Duden der Weg in die Führungsetagen geebnet wurde, liegt die Gleichberechtigung in der Unternehmenswelt noch in weiter Ferne: Mitte des vergangenen Jahres waren von den 667 Vorstandsmitgliedern in den Dax-, MDax-, SDax- und TecDax-Konzernen nur 36 weiblich. Das sind gerade mal 5,4 Prozent.

Seit vergangenem Freitag gilt die feste Frauenquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in etwa 100 großen Unternehmen. Rund 3.500 weitere Firmen sind verpflichtet, sich eigene Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Führungsetagen zu setzen.

Das alles kann helfen, eine Lösung ist es nicht. In Wahrheit wollen viele Unternehmen nicht ran an den eigentlich wunden Punkt: ihre Kultur.


Behindern Kinder die Karriere?

Einige klagen lieber, es gebe zu wenig geeignete Kandidatinnen. Gern wird die Schuld auch bei den Frauen selbst gesucht: Ihnen fehle die richtige Verkaufe, das Durchsetzungsvermögen, das Beziehungsnetz. Man müsse ihnen beibringen, wie sie überzeugend auftreten, die Ellbogen einsetzen oder Seilschaften gründen, erst dann werde alles gut. So einfach, so falsch.

Eine Studie der Berater von BCG kommt da überraschend ehrlich daher, obwohl die Realität traurig ist: Kinder, heißt es, behindern den Aufstieg. Frauen ohne Kinder schaffen es dreimal häufiger ins Topmanagement. Das ist ernüchternd, gerade in einem Land, das unter chronischem Babymangel leidet. Zwar war die Geburtenziffer 2014 so hoch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Das, so vermuten Experten, lag aber auch an der wachsenden Betreuungsbereitschaft von Omas und Opas.

Kinder sind in Deutschland Karrierekiller. Leider. Das Problem: Viele Firmen verstehen eine Sache bis heute nicht, wollen sie nicht verstehen. Dort gilt vor allem als Leistungsträger, wer ständig im Büro ist. Stichwort Präsenzkultur.

Dabei ist doch mobil sein die Zauberformel für höhere Aufgaben. Im Schnitt ist jede Fachkraft hierzulande 17 Tage im Jahr auf Geschäftsreise. Dazu kommt: Es wird gependelt, durchschnittlich 46 Kilometer pro Tag. Auch sollte, wer weiterkommen will, mobil erreichbar und immer einsatzbereit sein. Fast drei Viertel der Berufstätigen, die über Weihnachten und zwischen den Jahren frei haben, sind per Handy für Chefs, Kollegen oder Kunden ansprechbar.


Einer muss dem anderen den Rücken freihalten

Flexibilität ist alles, aber die Arbeitszeiten sind alles andere als flexibel. Den Einsatz, den viele Jobs verlangen, kann keine Kita leisten. Und selbst das ausgeklügeltste Betreuungssystem mit Familie, Freunden und Nachbarn fällt schnell in sich zusammen, wenn das Meeting mal länger dauert, die Kita streikt oder das Kind kränkelt. Daraus folgt: Einer muss dem anderen den Rücken freihalten. Und das ist meistens sie. Viele Männer verringern ihre Stundenzahl nur, wenn es gar nicht anders geht. Er bringt in der Regel ja auch mehr Geld nach Hause. Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent weniger. Und so bleibt, schreiben die BCG-Berater, die Hälfte der Frauen in der lebenslangen Babypause.

Da hilft auch die Uni nicht weiter. So hat sich laut BCG die weibliche Studienabschlussquote seit 1992 verdoppelt, der Anteil an Frauen in Spitzenjobs aber dümpelt weiter dahin. Mehr Akademikerinnen bedeuten also nicht mehr Chefinnen. Für viele Frauen ist nach wie vor im mittleren Management Schluss. Auch die von den Unternehmen gern und häufig beworbenen Fördermaßnahmen sind kein Allheilmittel.

Keine Frage: Die Kultur eines Unternehmens zu verändern, sich abzuwenden von seit Jahrzehnten geltenden - teils klischeehaften - Normen und Werten kostet viel Kraft und Zeit. Noch immer wird die Arbeit am heimischen Schreibtisch mit Faulenzen gleichgesetzt, gilt pünktliches Gehen als Zeichen mangelnden Einsatzes, ist der Mann in Teilzeit ein Weichei.

Der Kulturwandel muss gelebt werden, bis nach oben. Denn gerade dort sitzen noch zu viele Manager, die das klassische Rollenmodell leben - und lieben. Ansonsten droht bei immer mehr Frauen die bittere Erkenntnis, dass es vielleicht doch besser ist, keine Kinder zu kriegen. Oder dass Social Freezing - das Einfrieren von Eizellen für den aufgeschobenen Kinderwunsch - eigentlich eine gute Idee ist.

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