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Gibt es den Fachkräftemangel wirklich?

Simone Janson Freie Autorin

Der Fachkräftemangel ist eines der am heißesten diskutierten Themen der deutschen Wirtschaft. Während sich die einen um die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts- und Technikstandortes Deutschland sorgen, vertreten andere die Haltung, der angebliche Fachkräftemangel sei ein subjektives Problem einzelner Unternehmen. Was stimmt denn jetzt?

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Computermonitore Quelle: dpa

Schon 2010 prognostizierte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, dass bis 2015 fast 50 Prozent der Unternehmen einen Fachkräftemangel erwarten würden. Gleiches verkündeten 2012 auch Studien von Forsa oder Kienbaum. Und nach Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure fehlen in Deutschland sogar über 80.000 Ingenieure. Diese Zahl hat der VDI errechnet, indem er die Anzahl der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Stellen mit sieben multipliziert hat. Grund: Nach einer Umfrage von 2009 wird nur jede siebte Stelle der Arbeitsagentur auch gemeldet.

Aber Prognosen liegen bekanntlich mal daneben und auch so manches Rechenkunststück wurde von der Realität längst eingeholt. Martin Gaedt, Gründer und Geschäftsführer der YOUNNECT GmbH Berlin, hat die Fakten zum Thema im vergangenen Jahr mit seinem Buch "Mythos Fachkräftemangel" genauer unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Das Problem ist vor allem hausgemacht. Unternehmen bilden zu wenig weiter, verhalten sich arrogant gegenüber Bewerbern oder haben schlicht nie gelernt, sich und ihre Jobs als attraktive Marke zu präsentieren. Der sogenannte Fachkräftemangel ist für Gaedt vor allem ein Mismatch zwischen Arbeitgebern und qualifizierten Bewerbern, von einem flächendeckenden Fachkräftemangel könne keine Rede sein.

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Grund: Unternehmen, die über Bewerbermangel klagen, bieten häufig unattraktive Arbeitsbedingungen, zu wenig Gehalt und sind an Standorten angesiedelt, an denen keiner leben möchte. Auch der Bekanntheitsgrad spielt eine Rolle: Es gibt mittelständische Unternehmen, die auf ihrem Spezialgebiet absolute Marktführer, auf dem Bewerbermarkt aber völlig unbekannt sind.

Sind die Arbeitgeber selbst schuld?

Wenn dann noch Bewerbungsprozesse schleppend verlaufen, zum Beispiel weil die Kommunikation zwischen Fach- und Personalabteilung nicht funktioniert, dann sind die qualifizierten Mitarbeiter in spe schnell bei der Konkurrenz.

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Sind die Arbeitgeber also selbst schuld, wenn sie keine Mitarbeiter finden? Dem widerspricht Dr. Ole Mensching, Gründer und Geschäftsführer des Personalvermittlers Careeteam, die sich auf Old-Economy-Unternehmen in der Digitalisierung spezialisiert hat. "Die Digital-Branche hat heute schon starke Probleme, Fachkräfte zu finden", erklärt er. "Und sie ist in vielen Punkten ein Gradmesser für die Unternehmen der Old Economy: Diese werden in zehn Jahren vor den selben Problem stehen." 

Den Grund dafür sieht Mensching in verschiedenen Faktoren: "Einerseits fehlen Trainee-Programme und Studienangebote. Vor allem die Hochschulen kommen bei Entwicklung von Angeboten, die den digitalen Bedürfnissen von Unternehmen Rechnung tragen, kaum nach. Umgekehrt werden aber auch Trainee-Programme von Unternehmen im Digitalbereich nur sehr zögerlich aufgelegt", so der Headhunter. "Viele Unternehmen wollen nicht ausbilden, weil ihnen die professionellen Strukturen fehlen." Gleichzeitig suchten Unternehmen aber verstärkt Spezialisten, weiß Mensching aus Erfahrung: "Vor einigen Jahren wurden einfach Leute fürs Marketing gesucht, heute werden ganz gezielt bspw. SEO-, Affiliate- oder Real-Time-Bidding-Manager nachgefragt."

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