Karriereplanung Beim Jobwechsel nichts überstürzen

Gerade zu Beginn des Jahres denken viele Arbeitnehmer über einen Jobwechsel nach. Doch eine überstürzte Kündigung ist häufig die falsche Entscheidung. Wie Sie Für und Wider abwägen.

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Viele Arbeitnehmer denken grade zu Beginn des Jahres über einen Jobwechsel nach. Dieser sollte aber nicht nur gut überlegt, sondern auch geplant sein. Quelle: dpa

Sieben Prozent der deutschen Arbeitnehmer planen für das Jahr 2013 einen Jobwechsel, weitere 28 Prozent sind für einen Arbeitgeberwechsel offen. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des sozialen Netzwerks Xing. Und das obwohl gerade das erste halbe Jahr nicht von üppigen Stellenangeboten geprägt sein dürfte. "Wenn Sie aktuell keine spannende Position in Aussicht haben, sondern grundsätzlich über einen Jobwechsel nachdenken, sollten Sie bis zum Sommer warten", rät auch Jan Müller, Leiter des Europageschäfts von Futurestep, einem Spezialisten für Personalbeschaffung.

Doch etwa ein Fünftel der Arbeitnehmer wird diesen Rat nicht hören wollen, denn sie sind unzufrieden mit ihrem Arbeitgeber. Aber anstatt gleich das Weite zu suchen, schlägt Karriereberater Jürgen Hesse vom Büro für Berufsstrategie Hesse/Schrader eine genaue Analyse vor, um zu sehen, was einen stört und wie man sich vielleicht doch wieder im alten Betrieb wohlfühlen kann.

10 Tipps für den Jobwechsel
1. Klarheit schaffenBevor Sie überstürzt kündigen, wagen Sie eine ehrliche Bestandsaufnahme: Wollen Sie wirklich den Job wechseln? Oder flüchten Sie vor temporären Problemen? Haben Sie diese Fragen für sich klar beantwortet, bewahrt Sie das vor einer Kurzschlussreaktion, die Sie im Nachhinein womöglich bereuen. Quelle: Fotolia
2. Rat holenFragen Sie enge Freunde, Kollegen oder professionelle Coaches um Rat. Stellen Sie eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf: Was geben Sie auf, was riskieren Sie - und was können Sie gewinnen? Außerdem sollten Sie Ihre finanziellen Reserven prüfen: Können Sie sich Einbußen leisten, kommt ein eventueller Umzug infrage? Quelle: dpa
3. Zukunft planenNicht jeder macht sich mit einer erfolgreichen Geschäftsidee selbstständig. Falls Sie sich in einer anderen Branche um einen festen Job bewerben, bereiten Sie sich schon mal auf kritische Fragen vor: In künftigen Vorstellungsgesprächen müssen Sie Ihre Entscheidung begründen. Sprechen Sie nicht von etwaiger Überforderung im aktuellen Job. Sondern machen Sie klar, dass der angestrebte Posten Ihren Talenten und Zielen entspricht. Quelle: Fotolia
4. Kündigen Sie korrektDie Kündigung muss schriftlich erfolgen, außerdem sollten Sie sie persönlich abgeben. In der Regel müssen Sie die Kündigung begründen, auch wenn das formal nicht erforderlich ist. Widerstehen Sie aber der Verlockung, in dem Schreiben abzurechnen: Es ist der neue Job, der Sie lockt – und nicht der alte, der Sie schockt. Quelle: Fotolia
5. Analysieren Sie die TrennungWelchen Anteil hatten Sie selbst an der Trennung? Hätten Sie etwas besser machen können? Wie können Sie sich künftig für solche Situationen wappnen? Die Antworten helfen Ihnen nicht nur dabei, sich vom alten Job zu lösen – sondern auch, sich auf eine neue Herausforderung einzulassen. Quelle: Fotolia
6. Bleiben Sie engagiertSeien Sie weiterhin pünktlich und zuverlässig, auch wenn es Ihnen schwer fällt. Bringen Sie Projekte zu Ende, verhandeln Sie wichtige Vorhaben selbst. Und bieten Sie an, einen eventuellen Nachfolger einzuarbeiten. Quelle: Fotolia
7. Schaffen Sie OrdnungUnd zwar wortwörtlich. Räumen Sie Ihr Büro auf, bevor Sie kündigen. Bringen Sie persönliche Dinge nach Hause – aber auch nur solche, die Ihnen wirklich gehören, löschen Sie private Dateien vom Computer. Nach der Kündigung haben Sie dazu vielleicht keine Gelegenheit mehr. Quelle: gms

Der Karriereexperte nennt vier zentrale Komponenten, die die Arbeitsstelle zum Top-Job oder eben zum riesen Flop werden lassen: der Vorgesetzte, die Kollegen, die Aufgaben und das Gehalt beziehungsweise die Arbeitsbedingungen.

Um zu sehen, ob die Lust am aktuellen Job noch zu retten ist, sollen die Arbeitnehmer diese vier Faktoren genau betrachten und sich folgende Fragen stellen:

Der Vorgesetzte

Was für ein Mensch ist mein Chef? Arbeite ich gerne für ihn? Erkennt er meine Leistung an? Sollten Sie feststellen, dass ihr Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten problematisch ist, stellen Sie sich eine weitere entscheidende Frage. Beruhen die Probleme auf seiner Persönlichkeit oder gibt es noch Wege, die zu einer besseren Zusammenarbeit führen könnten?

"Blind zu wechseln ist meist ein Fehler"

Wann es Zeit für einen Jobwechsel ist
FrustWenn Sie gar keine Freude mehr an dem haben, was Sie tun, wenn Sie schon morgens mit Bauchschmerzen aufstehen und die positivste Stimmung, zu der Sie an der Arbeit fähig sind, eine genervte Grundhaltung ist, sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie dauerhaft so weitermachen wollen. Die Düsseldorfer Outplacement-Beraterin Heike Cohausz rät in einem solchen Fall: "Stellen Sie sich zunächst folgende Fragen: Was genau hat meinen Frust ausgelöst? Wieso möchte ich nicht mehr mit meinem Chef arbeiten? Welche konkreten Situationen haben dazu geführt, dass ich gehen will?" Können Sie die Faktoren, die Ihren Frust auslösen, nicht verändern oder beeinflussen, sollten Sie ernsthaft über einen Jobwechsel nachdenken. Quelle: Fotolia
Zu wenig GehaltIhre Arbeit sollte Ihrem Chef mehr Geld wert sein? Dann sollte Sie natürlich der erste Weg zu Ihrem Vorgesetzten führen. Wenn Ihr Unternehmen wegen seiner wirtschaftlichen Lage aber nicht mehr zahlen kann, gibt es zwei Möglichkeiten: das Ganze so hinnehmen oder gehen. Gerade für Arbeitnehmer, die bereits öfter bei Lohnerhöhungen übergangen worden sind, wäre letzteres der richtige Weg. Laut einer Studie von TNS Infratest zusammen mit der Personalberatung Cribb ist gerade für Männer die Unzufriedenheit mit ihrem aktuellen Gehalt ein Wechselgrund. Von einem Jobwechsel versprechen sich laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Online-Stellenbörse Jobware rund 30 Prozent der Befragten ein höheres Einkommen - und das kriegen Sie in der Regel auch. So bestätigt eine Umfrage des Personaldienstleisters Experis unter 1049 Arbeitnehmern, dass 56 Prozent der Befragten mit dem neuen Arbeitsplatz auch mehr Gehalt bekommen. Marcus Schmidt, Geschäftsführer der Personalberatung Hanover Matrix, sagt: "Steigerungen um zehn Prozent liegen dabei im Normbereich." Quelle: Fotolia
Gestiegene AnforderungenImmer mehr, immer schneller: Sie müssen immer mehr Arbeit bestenfalls in der gleichen, am liebsten aber in der Hälfte der Zeit, erledigen? Kollegen, die in den Ruhestand gehen oder kündigen werden nicht ersetzt, sondern die Arbeit bleibt an den übrigen Mitarbeitern hängen? Wenn es sich nicht nur um kurze Stressphasen - beispielsweise wegen Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen - handelt, sind stetig steigende Anforderungen ohne entsprechende (pekuniäre) Würdigung für 17 Prozent ein Grund für eine Kündigung. Wenn Sie dem wachsenden Arbeitsberg nicht mehr Herr werden und auch keine Besserung in Sicht ist, wäre ein Jobwechsel eine Option.(Quelle: Umfrage des Personaldienstleisters Kelly Services unter 2200 Beschäftigten) Quelle: Fotolia
LangeweileDoch auch das Gegenteil gibt es häufig: Die Aufgaben, die Sie zu erledigen haben, sind überschaubar - und vor allem monoton. Sie langweilen sich nine to five. Bei einer Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half unter mehr als 2400 Fachkräften sagte beispielsweise jeder zweite deutsche Arbeitnehmer, dass er für die Chance auf mehr Abwechslung sofort bei einem neuen Arbeitgeber anheuern würde. Und ein Jobwechsel kann dann tatsächlich etwas bewirken. Die Experis-Umfrage unter 1049 Jobwechslern zeigt, dass 46 Prozent derer, die den Schritt gewagt und gekündigt haben, ihre Tätigkeit nun für vielfältiger halten. Ein Viertel der Studienteilnehmer bemerkte, dass sich das sehr positiv auf die eigene Motivation auswirkte. Quelle: dpa
Wichtigstes Kriterium bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers: Der Standort Quelle: AP
Zeit für die FamilieOb wegen Pendelei, Arbeitsberg oder Überstunden - manchmal fehlt einfach die nötige Zeit für Freunde, Familie und Privatleben. In diesem Fall müssen Sie sich die Frage stellen, ob Ihnen Ihr Job das Wert ist. "Jede Lebenssituation ist anders und auch die Ziele können im Lauf der Zeit variieren", sagt Beraterin Cohausz. Wenn es für den Berufseinsteiger noch völlig in Ordnung war, 60 Stunden die Woche zu arbeiten und durch die Welt zu jetten, ist dieses Modell für junge Eltern gänzlich ungeeignet. Auch für den älteren Arbeitnehmer wäre ein anderes Arbeitsmodell eventuell sinnvoll, auch wenn das alte Jahre lang gut funktioniert hat. "Ein Seiten- oder Rückschritt kann für eine ruhigere Phase im Leben, etwa um mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können, sinnvoll und wichtig sein", sagt Cohausz. Auch ein Funktions- oder Branchenwechsel können sinnvoll sein. Fragen Sie sich: Wo möchte ich in zehn Jahren stehen? Bringt mich der Schritt dorthin? Ist mir Führungsverantwortung wirklich wichtig? Quelle: Fotolia
KarrierechancenFür viele soll es allerdings nicht seit- oder rückwärts, sondern nach vorne gehen. Aber viele können in ihrem Unternehmen maximal 67 werden, mehr geben die Perspektiven nicht her. Wer mehr von seinem Berufsleben möchte, muss sich in diesem Fall nach einem neuen Job umsehen. Tiemo Kracht, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Kienbaum empfiehlt unzufriedenen Arbeitnehmern zu überprüfen, ob die Unternehmens- und Ertragsentwicklung eine tragfähige Basis für eine weitere Karriere bietet. "Wenn die nächste Führungsebene, für die Sie sich vorbereitet haben, mit einem Kandidaten besetzt wird, der jünger, im gleichen Alter oder geringfügig älter ist, kann der nächste Karriereschritt auf Jahre versperrt sein ", sagt er. Quelle: Fotolia

Die Kollegen

Wie läuft's mit der Kommunikation im Team? Wie klappen die täglichen Arbeitsabläufe? Was denke ich über meine Kollegen? Was denken sie über mich?

Die Aufgaben

Bin ich überfordert oder vielleicht eher unterfordert? Kann ich mich mit meinen Aufgaben identifizieren? Erzähle ich anderen gerne von meinem Job?

Gehalt und Arbeitsbedingungen

Werde ich meinem Einsatz entsprechend bezahlt? Wie lange brauche ich, um mich von der Arbeit zu erholen.

Haben die Arbeitnehmer alle Fragen für sich beantwortet, geht es an die Analyse. Laut Karriereberater Hesse wird kein Mitarbeiter ausschließlich positive Ergebnisse vorfinden, doch gute und schlechte Bewertungen in den einzelnen Bereichen sollten sich die Waage halten. Hat der Arbeitnehmer die Probleme identifiziert, sollte er Gespräche mit den Beteiligten führen und auf eine Verbesserung der Situation hinarbeiten. Er könnte in einem Gespräch mit seinem Chef zum Beispiel Gehalt und Arbeitszeiten neu verhandeln oder mit ihm über mögliche Veränderungen bei den Aufgaben sprechen.

Doch nicht alle Probleme können so aus dem Weg geräumt werden. Ergibt die Selbstbefragung, dass der Arbeitnehmer mit keinem der vier Punkte zufrieden ist, rät auch Hesse zum Jobwechsel.

Aber Vorsicht – selbst in diesem Fall sollte der Arbeitsplatzwechsel nicht überstürzt werden. Wichtige Fragen lauten dann: Ist das Unternehmen gesund? Identifiziere ich mich mit den Werten der neuen Firma? Hat meine Position Zukunft? Finde ich die neuen Aufgaben auch in ein oder zwei Jahren noch interessant? Der Wechsel will also nicht nur gut überlegt, sondern auch geplant sein. "Blind zu wechseln, nur weil sich die Chance bietet, ist meist ein Fehler", sagt Jan Müller.

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