WirtschaftsWoche Online: Wenn der neue Chef beschließt, dass er seine Mitarbeiter kennen lernen will…
Bernhard Zirkler: …ist die Aufregung groß. Es gibt zwei Sachen, die in letzter Zeit zu beobachten sind. Einmal, dass die Vorgesetzten zu ihren Mitarbeitern nach Hause kommen, das ist aber noch die Ausnahme.
Sandra Götsch: Diese Handlung vom Vorgesetzten entspricht auch nicht der Etikette. Man lädt sich nicht bei anderen ein. Wenn der Vorgesetzte zuerst zu sich nach Hause einlädt, kann er damit rechnen, dass eine Gegeneinladung folgt.
Bernhard Zirkler: Das Zweite ist, dass Vorgesetzte mit ihren Mitarbeitern Essen gehen.
Die Personen
Bernhard Zirkler ist Betriebswirt mit der Fachrichtung Personal und Ausbildung. Seit 1994 ist er Trainer für Stil und Etikette.
Sandra Götsch ist selbständige zertifizierte Kniggetrainerin und Gründungsmitglied der Knigge Gesellschaft für Moderne Umgangsformen.
Das klingt doch ganz nett.
Bernhard Zirkler: Dabei geht es aber darum zu sehen, wie sich die Angestellten bei einem Business-Essen verhalten. Das ist eine sehr interessante Sache.
Also geht es bei diesem Kennenlernen mehr darum, zu sehen, ob jemand Messer und Gabel richtig halten kann?
Bernhard Zirkler: Ja und auch darum, ob jemand mit ungewohnten Situationen fertig wird und die souverän meistert. Die Basics müssen natürlich auch stimmen: Wie benutzt man welches Besteck, welches Getränk kommt zu welchem Gang...
Sandra Götsch: Manchmal testen Vorgesetzte ihre Mitarbeiter und legen schlechte Manieren an den Tag: Deshalb sollte man sich dem niemals anpassen.
Diese Regeln gelten bei einem Geschäftsessen
Wenn der Aperitif vor dem Essen gereicht wird, sollte das Glas nicht zum Tisch mitgenommen werden; das erledigen Kellner. Eingedeckte Gläser werden von rechts nach links, Besteck von außen nach innen verwendet. Gläser werden nur bis zum ersten Drittel eingeschenkt und nur am Stiel angefasst, falls sie einen haben.
Es wird nicht getrunken, bevor der Gastgeber dazu aufgefordert hat. „Guten Appetit“ wird kaum noch gewünscht. Kommt das vom Gastgeber und Koch, riecht es nach Eigenlob; wünscht es der Gast, könnte man meinen, es sei nötig. Wünschen Sie lieber einen netten Abend und gute Gespräche. Und angestoßen wird nur mit weinhaltigen Getränken, zunicken und zuprosten ist aber dezenter. Cheers!
Einmal aufgenommenes Besteck berührt die Tischdecke nicht wieder, bei Pausen wird es auf dem Teller geparkt.
Erlaubt ist, jederzeit zum Büfett zu gehen, um einen weiteren Gang zu holen. Tabu ist hingegen, den Teller bis zum Anschlag vollzupacken. Speisen nie am Büfett verzehren oder probieren! Und nie mit gebrauchtem Geschirr zurück ans Büfett (Ausnahme: privat).
Das Brot vor dem Essen ist keine Vorspeise, sondern eine Beilage zur Vorspeise. Es wird nur gebrochen, nie wie eine Stulle mit Butter bestrichen und gegessen! Richtig: Brot in Happen brechen, jedes Stück einzeln bestreichen und essen.
Heiße Getränke, die in Tassen nach dem Essen gereicht werden, dürfen erst serviert werden, wenn alle Besteckteile (Messer, Gabel, Teller) abgeräumt sind.
Artischocken, Austern, Canapés, Garnelen, Muscheln, Spareribs, Wachteln dürfen mit den Fingern gegessen werden. Ebenso Geflügel – aber nur, wenn es nicht anders geht.
Sie stoßen ein Weinglas um und bekleckern den Nachbarn: alles kein Desaster! Bitten Sie den Kellner diskret heran. Er beseitigt die Spuren. Den Nachbarn bitten Sie um Entschuldigung und bieten an, für etwaige Reinigungskosten aufzukommen. Sind nur Sie betroffen, ziehen Sie sich diskret auf die Toilette zurück.
Gastgeber mit Stil fragen: Was halten Sie von einem Menü? Wollen wir eine Vorspeise nehmen? Möchten Sie Wein dazu trinken? Anschließend passt er sich den Wünschen der Gäste an und lässt ihnen bei der Bestellung den Vortritt. Er bezahlt auch nicht am Tisch, sondern am Empfang.
Wird ausgebreitet und einmal gefaltet auf den Schoß gelegt. Fällt sie beim Essen runter, bitten Sie das Personal um eine neue. Nicht aufheben! Wer aufstehen muss, legt die Serviette locker links neben den Teller (amerikanisch: auf den Stuhl). Der Gastgeber deutet mit derselben Geste an, dass das Essen beendet ist.
Niemals bei Tisch! Make-up auffrischen, Lippenstift nachziehen, Augen nachtuschen – dazu zieht sich die Dame stets zurück.
Einzig richtig: nicht pusten, nicht mit dem Brot tunken, den Löffel nur mit der Spitze zum Mund führen. Cremesuppen und Suppen mit Einlagen werden nur ausgelöffelt, klare Brühen dürfen auch ausgetrunken werden.
Was gehört denn zu den Anforderungen? Muss ich einen Hummer aus seiner Schale lösen können?
Bernhard Zirkler: Nein, das ist gar nicht nötig. Ich kann selbst auch keinen Hummer zerlegen. Das ist eine manuelle Fertigkeit, die man üben müsste. Dafür gibt es Spezialisten, die das übernehmen. Ich war neulich mit Führungskräften bei einem Sieben-Gänge-Menü, bei dem wir auch die schwierigen Dinge geübt haben, also Fisch filetieren und welche Bestecke man dazu verwendet. Da sollte eine gewisse Souveränität gegeben sein.
Den Hummer zerlegt also der Kellner, die Scholle muss ich selber filetieren machen.
Bernhard Zirkler: Das sollte man können, ja. Sie sollten wissen, wie der Fisch aufgebaut ist, dass es Knorpelfische gibt, die ganz normal mit Messer und Gabel isst und dass es Grätenfische gibt, die mit einem Fischbesteck zerteilt werden, damit ich die Gräten nicht im Mund habe.
Aber in einem guten Restaurant sollte ich doch das entsprechende Besteck zum jeweiligen Fisch bekommen…
Bernhard Zirkler: Ich habe es selbst in Düsseldorf bei einem Lehrgang in einem sehr guten Restaurant erlebt, dass ich einen Seeteufel bestellt habe und ein Fischbesteck dazu bekommen habe. Und als ich den Kellner gefragt habe, warum er mir ein Fischbesteck gibt, hat er gesagt: Wir wissen, dass das nicht richtig ist, aber die Gäste verlangen es immer.
Wie verhält es sich mit den Getränken? Muss es Wein sein oder ist auch Bier erlaubt?
Sandra Götsch: Wenn Sie ein Bier trinken wollen, trinken Sie ein Bier. Aber dann bleiben Sie bitte auch dabei: Einmal Bier, immer Bier. Das gilt auch beim Wein: Man trinkt von hell nach dunkel - Wasser, Weißwein, Rotwein - und wechselt dann nicht mehr von Rotwein zurück auf Weißwein.
Gibt es einen Fauxpas, den man auf jeden Fall vermeiden sollte?
Sandra Götsch: Zahnstocher bitte auf keinen Fall am Tisch verwenden – auch nicht hinter vorgehaltener Hand. Dafür geht man in den Waschraum.
Bernhard Zirkler: Und ganz wichtig: Schlüsselbund, Handy, Geldbeutel, Zigaretten und Ellenbogen gehören nicht auf den Tisch.
Vorgesetzter droht mit Hausbesuch
Was muss man beachten, wenn der Vorgesetzte - auf eine Gegeneinladung oder selbsteingeladen - zu den Mitarbeitern nach Hause kommt?
Bernhard Zirkler: Es gibt da ein Zauberwort, das heißt Authentizität. Das ist das Wichtigste. Wenn ich in eine fremde Wohnung komme, merke ich sofort: Ist das gekünstelt, ist das nur für meinen Besuch zurechtgemacht worden oder ist das echt und entspricht das der Person, die dort lebt? Dass es sauber und ordentlich ist, darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten, aber es sollte authentisch bleiben.
Unordnung ist nicht authentisch?
Bernhard Zirkler: Das kann schon von Nachteil sein. Das ist das Gleiche beim Essen: Wenn jemand keine Tischmanieren hat, wirkt sich das sofort auf das Gesamtbild aus: Mir hat bei einem Essen in Ingolstadt der Restaurantchef erzählt, dass ein Manager bei Tisch den Zahnstocher mit großem Erfolg benutzt und das Ergebnis in einer übrig gebliebenen Kartoffel auf seinem Teller drapiert hat. Dann nahm er die Stoffserviette, schnäuzte hinein und legte sie in der Bratensauce ab. Ich frage in solchen Situationen immer: Würden Sie sich bei so jemanden eine Rechtsberatung holen beziehungsweise würden Sie sich von ihm die Zähne sanieren lassen, wenn Sie sowas gesehen haben?
Das heißt aber auch, dass trotz aller Authentizität Abendkleid oder Smoking angemessener sind als Jeans und T-Shirt.
Bernhard Zirkler: Über den Dresscode für die Einladung spricht man vorher. Den Dresscode gibt vermutlich der Chef vor. Eine Krawatte kann man während des Essens lösen, wenn der Chef auch lockerer wird. Das klärt sich aber am Abend.
Das bedeuten die verschiedenen Business-Dresscodes
Bedeutet gehobene Freizeitkleidung, also: Baumwollhose, Polohemd, Jackett. Beim Business Casual putzen sich die Leute mehr heraus: Frauen tragen Kostüm oder Hosenanzug, nicht zu hohe Schuhabsätze, unsichtbare Zehen. Männer tragen eine Kombination, die Krawatte kann im Schrank bleiben.
Meist bei Einladungen nach der Arbeit. Konservativ: Er trägt Anzug, aber keine Brauntöne. Sie: Kostüm oder Hosenanzug, aber keine großen Handtaschen mit Schulterriemen. Einzig richtig: Clutchbags – kleine Handtäschchen ohne Riemen. Rocklänge: nie kürzer als eine Handbreit über dem Knie.
Damen: halblange, elegante Kleider
Herren: dunkelgraue oder schwarze Anzüge.
Gerne zu Abendanlässen.
Er: Smoking, Hemd mit Doppelmanschetten, Kummerbund und Einstecktuch, schwarze Fliege, schwarze Schuhe.
Sie: schwarze lange Robe, Tasche (kleiner als der Kopf). Accessoires gerne farbig.
Er: Frack, weiße Weste mit tiefem Ausschnitt, Stehkragenhemd mit verdeckter Knopfleiste, weiße Fliege, Lackschuhe.
Sie: bodenlanges Abendkleid in Schwarz, Weiß oder Grau (Schultern bei Ankunft bedeckt). Zum Ballkleid geschlossene Schuhe mit Seidenstrümpfen. Findet der Ball im Hochsommer statt, auch hohe Sandaletten – dann ohne Strümpfe.
Zu eleganten Partys und Vernissagen ab 16 Uhr.
Er: dunkler Anzug, Hose mit Bügelfalte, einfarbiges Hemd, dunkle Krawatte, lässiger Schnürschuh.
Sie: das kleine Schwarze. Schultern, Dekolleté und Bein dürfen gezeigt werden.
Werden oft falsch zugeknöpft. So ist es richtig: Zweireiher immer geschlossen. Sakko mit zwei Knöpfen: ein Knopf geschlossen, wahlweise der untere oder der obere. Drei-Knopf-Sakko: beide oberen Knöpfe zu oder nur der mittlere. Vier-Knopf-Sakko: die beiden mittleren oder die drei oberen Knöpfe geschlossen. Fünf-Knopf-Sakko: alle Knöpfe bis auf den untersten bleiben zu. Frack: wird immer offen getragen. Weste: alle Knöpfe bis auf den untersten bleiben geschlossen.
Unter Sakkos tabu! Die Hemdmanschette muss unter dem Ärmel herausschauen. Richtig: Die Ärmel des Sakkos enden knapp über dem Handrücken, die Hemdmanschette schaut darunter einen Zentimeter heraus.
Klassisch aus weißer Baumwolle, modern aus farbiger Seide oder Kaschmir. Hat nie (!) dasselbe Muster wie die Krawatte, passt aber farblich dazu.
Sie reicht exakt bis zur Gürtelschnalle, nicht länger, nicht kürzer. Der Knoten darf nie so dick werden, dass er den Kragen vom Hemd abdrückt.
Ungepflegte Galoschen enttarnen jedes stilvolle Outfit als Verkleidung. Das Minimum ist ein Paar schwarzer Schnürschuhe aus Leder. Etwa ein Oxford – glatt mit schlichter Kappe. In Braun passt er auch zu Sportjacketts oder Tweedanzügen. Der Semi-Brogue eignet sich zu gemusterten Anzügen und weichen Stoffen. Auch er hat eine Kappe, die weist aber dezente Lochmuster wie beim Brogue auf. Der wird auch Budapester genannt und passt mit seinem typischen Lochmuster auf der geschwungenen Kappe und den Seitenflügeln zu Anzügen aller Art. Wirkt aber stets etwas konservativ.
Und was wird am besten serviert?
Sandra Götsch: Wenn der Vorgesetzte nach Hause kommt, geht es in erster Linie um das Persönliche, nicht um die Kochkünste. Man muss sich da nicht in Unkosten stürzen, Hummer und Austern müssen es also nicht sein.
Bernhard Zirkler: Wenn man sich nicht sicher ist, sagt man einfach: Wir hatten vor, das und das zu servieren, gibt es da von Ihrer Seite Einschränkungen: Gibt es irgendwelche Allergien, Abneigungen, sind Sie Vegetarier?
Wie verhält es sich mit den Getränken? Alkohol ja oder nein, Rotwein oder Weißwein?
Sandra Götsch: Fragen Sie ruhig: Trinken Sie Alkohol? Mögen Sie lieber Wein oder Bier?
Jetzt sagt der Vorgesetzte, dass e. gerne Wein trinkt und der Mitarbeiter kennt sich mit Wein nicht aus. Was nun?
Sandra Götsch: Wer sich mit Wein gar nicht auskennt, holt sich in einer Weinhandlung eine Empfehlung. Auch da gibt es Weine, die kein Vermögen kosten.
Wo die Deutschen ihren Wein kaufen
Tankstellen, Restaurants, etc.
2012: 5%
2013: 5%
Absatzmengen von Wein in Deutschland nach Einkaufsstätten für die Jahre 2012 und 2013.
Fachhandel
2012: 7%
2013: 7%
Lebensmitteleinzelhandel (bis 1500 qm Ladenfläche)
2012: 12%
2013: 13%
Selbstbedienungswarenhäuser und Verbrauchermärkte
2012: 13%
2013: 13%
Winzer
2012: 15%
2013: 14%
Aldi
2012: 27%
2013: 26%
Discounter (mit Ausnahme Aldi)
2012: 27%
2013: 26%
Absatzmengen von Wein in Deutschland nach Einkaufsstätten für die Jahre 2012 und 2013
Quelle: GfK Consumer Scan
Der Wein muss nicht zwingend teuer sein?
Sandra Götsch: Wenn man im Supermarkt zum 1,99 Euro-Wein greift, kann das in die Hose gehen.
Es gibt Wild, dazu einen korrespondierenden Rotwein. Der Chef trinkt lieber Weißwein...
Sandra Götsch: Zur Not habe ich einen weißen und einen Rotwein zuhause. Dann aber daran denken, den Rotwein vorher zu dekantieren, damit er atmen kann.
Die besten Weine des Gault Millau 2013
2011 Goldlack Trockenbeerenauslese
Schloss Johannisberg (Rheingau)
2011 Saarburger Rausch – 1 –
Zilliken (Saar)
2002 Chardonnay Prestige Brut Blanc de Blancs
Raumland (Rheinhessen)
2011 Ilbesheimer Kalmit "Großes Gewächs"
Kranz (Pfalz)
2011 Forster Pechstein "G.C."
Dr. Bürklin-Wolf (Pfalz)
2010 Wildenstein "R"
Bernhard Huber (Baden)
2011 Rauenthaler Nonnenberg
Georg Breuer (Rheingau)
Wie sieht es mit der Dekoration aus? Muss man extra zum Floristen gehen, ein Blumengesteck kaufen und eine Tischdecke auflegen?
Bernhard Zirkler: Ich habe zum Beispiel einen Designertisch, der sich an Tangram orientiert und den ich nach Gegebenheiten zusammenstellen kann. Da wäre es schade, wenn eine Tischdecke drauf läge. Ich lege einfach nur kleine Platzdeckchen auf. Wer es kann, kann die Serviette ein bisschen drapieren, wer es nicht kann, legt sie einfach auf die linke Seite.
Stoffserviette oder Papier?
Bernhard Zirkler: Es gibt sehr dekorative Papierservietten. Grundsätzlich macht es aber immer etwas her, wenn man Stoffservietten hat.
Muss es das Tafelsilber von der Großtante sein oder tut es auch das Ikea-Besteck?
Bernhard Zirkler: Ganz normales Besteck reicht völlig. Da muss man keinen großen besonderen Aufwand betreiben. In der Winterzeit macht sich eine Kerze ganz gut. Kerzen sind immer schön und unterstreichen den feierlichen Rahmen. Da braucht man dann keine große Dekoration mehr.
Wie lange darf ich meinen Chef alleine in meinem Wohnzimmer warten lassen, bis ich Vorspeise und Hauptgang fertig habe?
Bernhard Zirkler: Man kann einen Gast nicht alleine lassen. Wenn man ein Paar ist, kann einer sich in der Küche um das Essen kümmern und der andere bleibt beim Gast. Aber es sollte so vorbereitet und geplant sein, dass alles weitgehend fertig ist und niemand zu lange in der Küche verschwindet. Eine Viertelstunde ist ein guter Zeitraum.
Familie muss nicht dabei sein
Wenn der Vorgesetzte sagt, dass er zu mir nach Hause kommt, um mich besser kennen zu lernen, betrifft das die gesamte Familie? Müssen auch Partner, Kind und Hund Spalier stehen oder schicke ich die besser ins Kino?
Bernhard Zirkler: Ich stehe einem Tanzverein mit rund 600 Kindern und Jugendlichen vor und da ist jeder anders: Da gibt es welche, die sind richtig lieb, freundlich und höflich. Richtige Sonnenscheinchen. Aber das ist nicht die Regel. Es gibt auch welche, die man beim Besuch des Vorgesetzten lieber geknebelt und gefesselt im Heizungskeller unterbringen möchte.
Also muss ich realistisch einschätzen, ob mein Kind ein Sonnenschein oder ein Fall für den Keller ist.
Bernhard Zirkler: Und das ist ein Riesenproblem. Denn die Eltern sind da oft nicht sehr realistisch. Sie sollten sich überlegen, ob sich Ihre Kinder zwei Stunden lang am Tisch benehmen können. Gerade bei kleinen Kindern sind das Wenige. Es gibt natürlich Teenager, die sind hervorragend erzogen und sagen: Wir essen mit den Eltern und dem Chef und wenn es dann in den Smalltalk geht, verschwinden wir und beschäftigen uns mit dem Computer.
Die zehn Knigge-Basics
Wer niesen muss, tut dies indem er den Handrücken der linken Hand benutzt und sich wegdreht. Hat sich durch die abrupte Bewegung jemand erschreckt, entschuldigt man sich. Daneben kann man in einer kleinen Runde "Gesundheit" wünschen, wenn aber beispielsweise bei großen Besprechungen jemand niest, wird das ohne Kommentar ignoriert.
Wenn man sich am Telefon meldet genügt kein: Guten Tag oder Hallo. Man sollte zumindest den Familiennamen nennen. Außerdem empfiehlt es sich bei mehreren Personen im gleichen Alter, die in einem Haus wohnen, auch noch den Vornamen dazu zu nennen. Ein Gruß wie „Hallo“ oder „Guten Tag“ kann gerne nachgestellt werden, ist jedoch kein Muss.
Nach 21.30 Uhr sollte man nur in äußersten Notfällen bei anderen Personen anrufen. Außerdem empfiehlt es sich, bei älteren Personen auf eine Mittagsruhe zwischen 13 und 15 Uhr zu achten, in denen ebenfalls das Telefon stumm bleiben sollte.
Auch wenn es manchen als spontan und nett erscheinen mag. Unangekündigte Besuche sollte man vermeiden um den Gastgeber nicht zu einer ungelegenen Zeit zu stören, empfiehlt Knigge-Expertin Tosca Freifrau von Korff. Ein Anruf, 30-45 Minuten vorher hilft um zu klären, ob ein kurzfristiger Besuch möglich ist.
Bei offiziellen Anlässen wie Taufen, Hochzeiten oder aber auch einem feinen Abendessen ist es sinnvoll, den Gastgeber vorher nach dem Kleidungswunsch zu fragen, wenn dies nicht auf der Einladung vermerkt ist. So vermeidet man unangenehme Ausrutscher in Sachen Kleidung.
Egal, wie die Frage lautet oder wer sie stellt: Richtig antwortet man nur in ganzen Sätzen. So lautet die Antwort auf die Frage nach dem gewünschten Getränk im Flugzeug nicht „Tomatensaft“, sondern „Ich hätte gerne einen Tomatensaft.“
Schlecht über andere Personen reden empfiehlt sich generell nicht. Wer es dennoch nicht lassen kann, sollte das nur in einem ungestörten Umfeld tun, in dem keine Dritte zuhören. Das Bahnabteil oder den Bus zum Lästern nutzen ist also ein No-Go.
Wer ernste oder problematische Dinge mit anderen zu besprechen hat, sollte den passenden Zeitpunkt abwarten, auch wenn manche Dinge dringend sind. So gehört das Besprechen von Konflikten nicht auf eine Hochzeit oder eine Geburtstagsfeier.
Wer irgendwo Gast ist muss abwarten, wo ihn der Gastgeber hinführt. Eine Besichtigungstour auf eigene Faust a la „Ich schaue mich mal ein wenig um“ ist nicht akzeptabel. Stattdessen lieber gleich den Gastgeber um eine Führung bitten.
Wer Gäste hat, muss ihnen gestatten ihre Schuhe anzulassen. Hausschuhe, die schon von anderen getragen wurden sind keine Alternative. Im Extremfall kann man seine Gäste drum bitten, des Bodens zur Liebe die Schuhe auszuziehen. Allerdings sollte ein aufmerksamer Gast bei schlechtem Wetter gleich ein zweites Paar Schuhe für den Innenraum mitbringen.
Für kleine Kinder fällt das Dinner mit Chef also aus.
Bernhard Zirkler: Kleinere Kinder dürften ein Problem sein, ja. Zumindest, wenn sie nicht früh ins Bett gehen. Wenn kleinen Kindern am Tisch langweilig wird, ist das nämlich nur am Anfang süß. Das Thema Kinder ist bei solchen Treffen jedenfalls nicht zu unterschätzen.
Was setze ich meinem Chef eigentlich vor, wenn ich überhaupt nicht kochen kann?
Bernhard Zirkler: Solange ihr Chef Sie als Computerfachmann und nicht als Koch beschäftigen will, ist das kein Problem. Wenn man etwas nicht kann, kann man auch dazu stehen. Dann bestellt man halt einen Caterer oder lässt sich von einem Restaurant ein Menü liefern.
Kann ich dann nicht gleich sagen: Ich kann überhaupt nicht kochen, lassen Sie uns doch zu meinem Lieblingsitaliener gehen?
Bernhard Zirkler: Damit gehen Sie vielen Problemen aus dem Weg. Sie müssen sich keine Gedanken machen und hinterher nicht aufräumen.
Und wer zahlt den Spaß?
Sandra Götsch: Derjenige, der einlädt, ist der Gastgeber. Der Gastgeber zahlt. Und: Wenn Sie Ihren Chef einladen, reservieren Sie vorher einen Tisch, auch wenn in dem Restaurant sonst immer ein Tisch frei ist. Just an diesem Tag ist vielleicht keiner frei oder nur noch der neben der Toilette.