Viele Bundesbürger stellen ihrem Chef ein Armutszeugnis aus. „Die Deutschen verlieren das Vertrauen in ihren Arbeitgeber“, sagt Volker Jacobs, Managing Director des Research- und Technologieunternehmens CEB. „Stolz auf das Unternehmen, Energie und Optimismus schwinden, zurück bleiben unmotivierte Arbeiter”. Das zeigt der „CEB Global Talent Monitor“.
Das Unternehmen hat weltweit 18.000 Menschen in 20 Ländern zu ihrer Zufriedenheit mit ihrem Arbeitgeber und ihrer Wechselwilligkeit befragt. Eines der Ergebnisse: Nur noch 15 Prozent der Deutschen sind bereit, an der Arbeit mehr zu leisten, als vertraglich vereinbart. Im internationalen Vergleich ist das ein geringer Wert. In den USA liegt die Bereitschaft, sich beruflich stärker zu engagieren, als unbedingt nötig, immerhin bei 24 Prozent. In der Schweiz sind 19 Prozent der Meinung, dass das Pony auch mal höher springen kann, als es muss.
Die Deutschen haben keine Lust mehr, sich reinzuknien. Sie sind mit ihrem Arbeitgeber unzufrieden, zum Teil sogar frustriert, zeigt die Studie. Auch seien die Erwartungen an zukünftige Gehaltserhöhungen bei den Deutschen im Vergleich am geringsten. Mit mehr als einem Inflationsausgleich rechnet demnach niemand. Doch trotz aller Unzufriedenheit: Auf die Idee, zu kündigen, kommen die wenigsten. Wahlweise, weil sie schlechte Aussichten auf eine neue Anstellung hätten, weil sie Gehaltseinbußen befürchten oder ein Jobwechsel mit einem Umzug verbunden wäre. Entsprechend gaben 45 Prozent an, in den sauren Apfel zu beißen und bei dem ungeliebten Arbeitgeber eben nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen. Doch auch das stresst, wie die Studie „Arbeitsmarkt – Perspektive der Arbeitnehmer“ des Personaldienstleisters Orizon zeigt. Und bei rund 46 Prozent ist der Chef der größte Auslöser für Stress und Frust.
Was bei der Arbeit stresst
Die berufstätigen Deutschen sind stark gestresst, wie die Orizon Arbeitsmarktstudie 2015 zeigt. Demnach klagt knapp die Hälfte der Arbeitnehmer über körperliche Belastungen am Arbeitsplatz. Zudem sehen sich 66 Prozent 'hohen' oder 'sehr hohen' psychischen Belastungen ausgesetzt.
Die Gründe für den Stress sind schnell identifiziert: 72,5 Prozent leiden unter einem hohen Arbeitspensum.
45,8 Prozent macht der Chef das Arbeitsleben zur Hölle.
Bei 43,5 Prozent sind es die Kollegen, die das Stresslevel in die Höhe steigen lassen.
Timo Müller vom Institut für Konfliktmanagement und Führungskommunikation (IKuF) nannte den Vorgesetzten einmal den zentralen Gesundheitsfaktor in einem Unternehmen. Denn mit dem Vorgesetzten steht und fällt die Stimmung im Betrieb. An seinem Vorbild orientieren sich die Mitarbeiter, brüllt der Chef rum, ist auch der Umgangston unter Kollegen rauer. Kurz: ein schlechter Chef kann seinem gesamten Team das Leben zur Hölle machen.
Nun gibt es in der Psychotherapie wie auch im Coaching den Grundsatz: Eine Situation lässt sich ändern, verlassen oder ertragen. Doch wie erträgt man einen unerträglichen Vorgesetzten, wenn man wegen der äußeren Umstände nicht kündigen kann? Zum Thema „Umgang mit verrückten Chefs“ gibt es zahlreiche Ratgeber.
Erst kürzlich erschien das Buch „Spaß an der Arbeit trotz Chef“ von Rainer Sachse und Annelen Collatz. „Je nach Ausprägung des Persönlichkeitsstils ist jemand charmant, umgänglich, interessant oder aber eher schwierig, in der Interaktion problematisch und schwer zu handhaben“, so die Psychologin Collatz. Sowohl die beiden Autoren als auch alle anderen Experten, die sich mit dem Thema befassen, empfehlen: Seien Sie ehrlich. Sagen Sie Ihrem Chef also, was Sie stört (und verletzt), und vor allem – versetzen Sie sich in seine Lage.
Mit wem wir uns im Beruf am häufigsten streiten
Je mehr ein Mensch mit einem anderen zu tun hat, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie aneinander geraten. Entsprechend gaben 37 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage "Streit - erfolgreich oder folgenreich" der IHK Frankfurt an, sich häufig mit Kollegen beziehungsweise Mitarbeitern zu streiten.
Mehr als ein Drittel gab an, sich häufig mit Führungskräften zu streiten.
Ein Viertel sagte, dass sie häufig mit der Geschäftsleitung aneinander geraten.
23 Prozent streiten sich häufig mit Kunden.
Bei 14 Prozent sind Zulieferer ein häufiger Streitgrund und -partner.
Elf Prozent streiten sich häufig mit Behörden, mit denen sie beruflich zu tun haben.
Jeweils sieben Prozent gaben an, sich mit Gesellschaftern beziehungsweise Kooperationspartnern in die Haare zu kriegen.
Nur drei Prozent geraten häufig mit Kapitalgebern und Banken aneinander.
Und: Der Ton macht die Musik. Gerade wenn man sehr aufgebracht ist, sollte man ruhig bleiben, bevor man sich in selbigem vergreift. Denn egal, wie wütend man wegen des Verhaltens des Vorgesetzten ist, Kritik sollte immer noch so formuliert sein, dass man sie auch selbst annehmen könnte, ohne verletzt oder sauer zu sein. Brüllen, weinen oder fluchen bringen es nicht. Dann doch lieber kündigen – oder zumindest die Abteilung wechseln.
So geben Sie Ihrem Chef richtig Feedback
Grundsätzlich gilt: Konflikttrainer raten dazu, erst die eigene Sicht der Dinge zu schildern, dann zu sagen, welche Auswirkungen das Verhalten des Gegenübers hat und wie man sich damit fühlt. Dann sollte man nach der Sichtweise des anderen fragen – häufig versteht man Dinge nämlich ganz anders, als sie gemeint waren. Und gerade die Aussage eines Vorgesetzten beziehen Mitarbeiter in der Regel deutlich stärker auf sich, als die eines Kollegen.
Wenn Ihr Chef Sie fälschlicherweise eines Fehlers bezichtigt hat, Sie seiner Meinung nach mit einem Projekt trödeln oder er Ihnen wichtige Informationen für Ihr Projekt nicht oder zu spät mitgeteilt haben, sollten Sie Ihren Ärger nicht herunter schlucken. Bitten Sie um ein Vier-Augen-Gespräch. Dort können Sie Ärger und Enttäuschung klar benennen. Zum Beispiel so: „Ich verstehe, dass Sie sich ärgern. Auch ich hätte das Projekt gerne früher zum Abschluss gebracht.“ Oder: „Ich bin frustriert / enttäuscht, weil ...“
Wenn der Vorgesetzte nicht im pathologischen Sinne verrückt ist, wird er kaum mit der Kündigung wedeln, wenn eine solche Kritik sachlich vorgebracht wird.
So gehen Sie mit einem narzisstischen Chef am besten um
Akzeptieren Sie den Narzissten so, wie er ist. So banal es auch klingt, aber manche Menschen ändern sich nicht – und für diese Sisyphos-Aufgabe sind Sie ohnehin nicht der oder die Richtige.
Stellen Sie seine vermeintliche Großartigkeit nie öffentlich infrage – denn selbst auf konstruktive Kritik reagieren Narzissten häufig allergisch.
Seien Sie auf Detailarbeit vorbereitet – aber erwarten Sie nicht, für Ihre Ideen und Überstunden gelobt zu werden. Denn das Rampenlicht will ein Narzisst nicht teilen. Deshalb sollten Sie Ihre Zufriedenheit nie von seiner Laune und seinem Wohlwollen abhängig machen.
Schützen Sie sich selbst. Bleiben Sie dem Narzissten gegenüber professionell. Ihre Gefühle sollten Sie mit ihm nicht teilen. Dadurch bieten Sie ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich.
Achten Sie auf Ihre Formulierungen. Wenn Sie etwas von einem Narzissten wollen, betonen Sie nicht, was Sie selbst davon haben – sondern welche Vorteile er daraus ziehen könnte.
Schwierig wird es, wenn die gesamte Unternehmenskultur dafür steht, Fehler der Führungskräfte totzuschweigen. Laut der Studie "Einfluss des HR-Managements auf den Unternehmenserfolg" der Personalberatung Rochus Mummert, ist das aber leider in jeder vierten Firma der Fall.
Trotzdem: Auch wenn der Chef als nahezu unfehlbar gilt, muss man sich nicht alles gefallen lassen. Unerträgliche Situationen lassen sich schließlich auch im Kleinen verändern, wenn Kündigung keine Option ist. "Da sich die meisten Konflikte in Unternehmen an Fehlern entzünden, muss es erlaubt sein, auch die der Chefs zu thematisieren", sagt Hans Schlipat, Studienleiter und Managing Partner der RochusMummert-Gruppe. Belassen Sie es hier nicht bei Wünschen oder Bitten, sondern sagen Sie klar, was Sie erwarten und fordern.
Lass uns streiten, Chef
Das Persönlichkeitsmodell der Psychologen Fritz Riemann und Christoph Thomann unterscheidet vier Grundcharaktere.
Der Distanz-Typ grenzt sich von anderen Menschen ab, um sich abzuheben. Er arbeitet lieber eigenständig, liebt die Freiheit, Unabhängigkeit und Autonomie. Am liebsten diskutiert er auf der Sachebene.
Der Nähe-Typ hingegen wünscht sich vertrauten Kontakt in einem Team. Er kann in einer harmonischen Atmosphäre am produktivsten arbeiten, gibt anderen Feedback und hat viel Empathie.
Der Dauer-Typ setzt auf Zuverlässigkeit und Ordnung. Er arbeitet strukturiert, ist sehr gut organisiert, plant mit Vorsicht und Voraussicht. Er mag Macht und klare Hierarchien. Dauer-Typen sind oft in Führungspositionen zu finden, denn sie tragen gern Verantwortung.
Ganz anders ist der Wechsel-Typ. Er ist kreativ, mag den Reiz des Unbekannten. Abenteuer sind ihm lieber als festgefahrene Strukturen. Er ist spontan, hat viel Temperament und neigt in der Teamarbeit zu unorthodoxen Ideen und eigenwilligen Lösungsvorschlägen.
Sozialer Konflikt: Eine Interaktion, bei der es Unvereinbarkeiten gibt, die als Beeinträchtigung erlebt werden.
Innerer Konflikt: Ein Konflikt innerhalb einer Person, bei dem es zwei Impulse gibt, die nicht zu vereinbaren sind.
Struktureller oder organisationsbedingter Konflikt: Ein Konflikt, der durch den Aufbau und die Abläufe einer Organisation verursacht wird.
Daneben gibt es zahlreiche Unterarten wie etwa Verteilungskonflikte. Sie entstehen, wenn die Ressourcen knapp sind. Zielkonflikte treten auf, wenn die Parteien unterschiedliche Interessen hegen. Weiter gibt es noch Beziehungs- und Rollenkonflikte, Macht- und Informationskonflikte, Wert- und Identitätskonflikte.
Nach Konfliktforscher Glasl gibt es neun verschiedene Konfliktstufen.
In Stufe 1 verhärtet sich ein Problem, auf Stufe 2 wird darüber diskutiert. Kommen die Beteiligten nicht zu einer Lösung, kommt es zu Stufe 3: Nun macht sie von Taten statt Worten Gebrauch.
In Stufe 4 schließen die Gegner Koalitionen. Eskaliert ein Streit weiter, kommt es in Stufe 5 zum Gesichtsverlust. Der Gegner wird öffentlich bloß gestellt. In Phase 6 drohen sich die Parteien. Es kommt zur ersten Vernichtungsschlägen (Stufe 7), der andere soll vernichtet werden (Stufe 8) – bis beide am Ende gemeinsam in den Abgrund stürzen (Stufe 9).
Nur: Die offene Kommunikation mit den Vorgesetzten pflegen lediglich 38 Prozent, wie die Orizon-Studie zeigt. Mehr als 60 Prozent haben Angst, ihrem Chef zu sagen, dass er sie nicht anschreien soll und dass sie nun wirklich gerne an der vor Jahren versprochenen Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen wollen.
Die Angst davor, sich mit dem Vorgesetzten auseinanderzusetzen führt häufig zu der sogenannten sozialen Ansteckung. Man macht sich bei den Kollegen Luft über die unmögliche Type in der Führungsetage, die vergessen hat, Bescheid zu sagen, dass sich das Budget verändert hat. Den Verbündeten, bei denen man sich Luft macht, fällt bestimmt auch noch eine Geschichte ein und schon heizt sich die Stimmung auf. Das ist menschlich und nachvollziehbar, aber nicht hilfreich. Der Vorgesetzte merkt gar nicht, dass seine Angestellten unter seiner Schusseligkeit leiden. Und das Team nimmt die Vergesslichkeit des Chefs fortan als bösen Absicht wahr.
Je höher das Eskalationsniveau, desto schwieriger lässt sich ein Streit lösen. Haben sich die Mitarbeiter schon mehrere Wochen lang gegenseitig angestachelt, wie bösartig und ungerecht ihr Vorgesetzter ihnen gegenüber ist, ist die Atmosphäre vergiftet. Das macht ein klärendes Gespräch schwieriger. Am Anfang eines Konflikts lässt sich die Situation dagegen noch konstruktiv und ruhig lösen. Richtig problematisch wird es, wenn der Vorgesetzte wirklich der Auslöser eines Konfliktes ist, also sich tatsächlich im Ton vergriffen oder einen Mitarbeiter absichtlich übergangen hat. In dem Fall bleibt vielen nur der Weg über den Betriebsrat oder die Personalabteilung. Im Zweifelsfall muss ein externer Konfliktmanager das Problem lösen.