Korruptionsgefahr Vorsicht, Weihnachtsgeschenk!

Weihnachtsgeschenke für Geschäftspartner und Kunden sind Tradition in vielen Unternehmen - aber nicht ungefährlich. Compliance-Experten warnen: Die Grenze zwischen netter Geste und versuchter Bestechung ist fließend.

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Ein Weihnachtsgeschenk für den Geschäftspartner? Vorsicht ist geboten! Quelle: dpa

Düsseldorf Utz Claassen hatte sich eine besondere Überraschung ausgedacht. Der frühere EnBW-Chef schickte mit der persönlichen Weihnachtspost 2005 mehrere Gutscheine für WM-Tickets an den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und fünf Landesminister. Eine nette Geste, befand Claassen. Unerlaubte Vorteilsgewährung hingegen vermutete die Staatsanwaltschaft Karlsruhe - und ermittelte gegen den Energie-Manager. Im Prozess wurde Claassen 2007 freigesprochen. Dennoch: ein Fall mit Signalwirkung.

In der Vorweihnachtszeit gehören Grußkarten und Geschenke an Geschäftspartner, Lieferanten und Kunden in vielen Unternehmen zum guten Ton. Man bedankt sich für die Zusammenarbeit und wünscht zum Jahresende alles Gute. Eine harmlose Tradition? Nein, selbst wenn die Präsente um einige Nummern kleiner ausfallen als im Fall von Utz Claassen. Im Gegenteil: Die Geste kann Beschenkten und Absender durchaus in Bedrängnis bringen. Die Grenze zwischen einer solchen Aufmerksamkeit und versuchter Bestechung ist fließend. „Es gibt keine gesetzlichen Wertgrenzen, ab wann ein Geschenk als Bestechung gilt“, sagt Walter Schlegel, Compliance-Experte von Tüv Rheinland.

Auch die oft genannte steuerliche Wertgrenze von 35 Euro stellt keinen verlässlichen Gradmesser dar. Ein Beispiel: Wird eine preisgünstige Flasche Sekt im Vorfeld einer Auftragsvergabe verschenkt, kann das als versuchte Bestechung interpretiert werden und fällt somit in den Bereich der Strafbarkeit. Besonders pikant wird ein solches Präsent, wenn es nur an den verantwortlichen Projektmanager, nicht aber an die gesamte Abteilung geht, und es somit an der notwendigen Transparenz fehlt.

Geldgeschenke gelten zwar mittlerweile als Tabu, teure Zuwendungen wie exklusiven Eintrittskarten oder eine Reise hingegen sind noch verbreitet. Bei dieser Form von Gunstbezeugung sei ebenfalls „höchste Vorsicht geboten“, so Walter Schlegel.


Ein Blick in den Arbeitsvertrag hilft

Weil auch kleine Aufmerksamkeiten zum Nachteil beider Seiten interpretiert werden können, empfiehlt Arbeitsrechtlerin Pia Alexa Becker einen Blick in den Arbeitsvertrag: „Viele Verträge haben einen Passus, in dem geregelt ist, dass ich Geschenke nicht annehmen darf.“ Dann ist die Angelegenheit eindeutig, egal ob nun Kreuzfahrtreise oder Radiergummi geschenkt werden: Der Beschenkte bedankt sich freundlich - und gibt das Präsent zurück. Ein Schritt, den Juristin Becker auch dann empfiehlt, wenn es keinerlei Vorgaben gibt: „Man sollte auf Nummer sicher gehen. In dieser rechtlichen Grauzone ist man schnell auf dünnem Eis.“

Wem das konsequente Zurückschicken zu umständlich ist, denn oft bleibt es nicht bei einem einzigen Präsent, sollte sich zumindest beim Vorgesetzten rückversichern, ob er die Geschenke behalten kann.

Verbindliche Regeln gibt etwa der „Code of Conduct“ vor, den der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) zusammen mit den Unternehmen Henkel, Allianz, Fraport und Thyssen-Krupp erstellt hat. Das Regelwerk lehnt Geschenke grundsätzlich ab. Im Wortlaut heißt es dort: „Geschäftsführung und Mitarbeiter dürfen im Geschäftsverkehr keine Geschenke, Zahlungen, Einladungen oder Dienstleistungen anbieten, versprechen, fordern, gewähren oder annehmen, die mit der Absicht gewährt werden, eine Geschäftsbeziehung in unzulässiger Weise zu beeinflussen oder bei denen die Gefahr besteht, die professionelle Unabhängigkeit des Geschäftspartners zu gefährden.“

Unternehmen, die sich dem „Code of Conduct“ verpflichten, informieren ihre Lieferanten über den Geschenkeverzicht und verweisen auf die Alternative: Spenden an eine gemeinnützige Organisation.

„Grenz- und Zweifelsfälle wird es immer geben“, sagt Sebastian Schröder, Compliance-Experte des BME. Er verweist auf die starke Tradition geschäftsüblicher Gastfreundschaft im Vorderen Orient oder China. So kann die Kiste Tee des chinesischen Lieferanten durchaus als Ausnahme von der Regel gewertet werden.

Heikel bleiben solche Geschenke dennoch. Im Idealfall steht dem Manager deshalb ein Compliance-Beauftragter beratend zur Seite.

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