Dass Nein etwas Positives sein soll, sind wir überhaupt nicht gewöhnt! Schon von Kindesbeinen an werden wir darauf gedrillt, „positiv“ zu sein, offen zu sein, zugänglich und sozial zu sein. Die einzigen Gelegenheiten, zu denen wir als Kinder getrost Nein sagen dürfen, sind die, wenn ein Fremder uns anspricht oder uns ein Eis anbietet. Nein sagt man nämlich nur zu den Bösen!
Darum fällt es uns so schwer. Und dementsprechend bezahlen Sie mit dieser Haltung einen hohen Preis, nämlich einen sozialen: Wer ständig Nein sagt, muss es aushalten, als unbequem, unfreundlich, arrogant oder selbstsüchtig zu gelten. Ihre Standhaftigkeit wird insbesondere dann auf die Probe gestellt, wenn sie mit Ihrem Nein der Meinung der Mehrheit oder der einer mächtigeren Instanz entgegenstehen. Wenn also zum Beispiel Ihr Chef oder die Mehrheit der Kollegen ein Ja von Ihnen fordern. – Diesen Widerspruch auszuhalten, genau das ist die große Kunst!
Natürlich kennt jeder auch Situationen, in denen wir etwas tun müssen, obwohl wir es nicht wollen. Beispielsweise wenn abgestimmt wurde und wir uns als Demokraten der Mehrheitsmeinung beugen müssen. Oder dann, wenn es eine mächtigere Instanz gibt wie Ihren Chef, der eine Anweisung erteilt, die Sie befolgen müssen, wenn Sie ihren Job nicht verlieren wollen. Was also in solchen Situationen tun? Einfach Ja sagen und zur Tagesordnung übergehen?
Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass es sich selbst dann lohnt, trotzdem deutlich vernehmlich unser Nein zu äußern – auch dann, wenn wir gleichzeitig wissen, dass wir zu einem anderen Handeln gezwungen sind. Es geht darum, trotzdem jederzeit genau zu wissen, was wir verneinen, auch wenn wir das nicht durchsetzen können. Warum? Um uns die Freiheit zu bewahren, etwas zu bejahen!
To Do or Not to Do
Für uns bedeuten diese Erkenntnisse, dass wir nicht nur eine To-Do-Liste führen müssen, um jederzeit zu wissen, was zu tun ist, sondern außerdem auch eine To-Don‘t-Liste. Wir tun das übrigens. Wir haben uns daran gewöhnt zu notieren, was wir auf gar keinen Fall machen wollen, wen wir auf gar keinen Fall treffen wollen und womit wir auf gar keinen Fall unsere Zeit verschwenden wollen. Wir müssen wissen, was wir NICHT wollen, damit täglich umso deutlicher zum Vorschein kommt, was wir wirklich wollen.
Derart eingenordet zu sein, bringt eine unglaubliche Befreiung mit sich. Denn nichts löst größeren Stress aus, als Ja zu sagen, wenn man Nein meint. Und genau diesen Stress sollten wir abschaffen. Diese Abgrenzung zu treffen und alles abzulehnen, was nicht auf unser Werk einzahlt, heißt nichts anderes, als selbstverantwortlich festzulegen, welche Tätigkeiten bedeutsam sind und welche nicht – und auch, was für uns gute Arbeit und was miese Arbeit ist. Niemand kann diese Unterscheidung für uns treffen, außer wir selbst!
Wenn wir uns mit dieser entschiedenen Haltung auf die Tätigkeiten fokussieren, die für uns bedeutsam sind, dann haben wir auch die Chance, Bedeutsames zu bewegen. Nein zu sagen, hat eine weitaus größere kreative Kraft als Ideen, Wissen und Talent zusammen!