Lehrlingssuche Suche Azubi, biete Auto

Unternehmen locken mit Begrüßungsgeld, Smartphone oder einem eigenen Wagen. Dennoch bleiben zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres viele Stellen unbesetzt. Vor allem im Osten ist das ein Problem.

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Die Suche nach geeigneten Lehrlingen in Deutschland gestaltet sich für viele Unternehmen immer schwieriger. Quelle: dpa

Bäckermeister Mario Dietrich aus dem sächsischen Colditz greift für seine Azubis tief in die Tasche: 1000 Euro „Begrüßungsgeld“ zahlt er jedem, der die viermonatige Probezeit besteht. Und dennoch sucht Dietrich für seinen 90-Mitarbeiter-Betrieb noch vier Verkäufer- und zwei Bäckerlehrlinge. Es fehle an jungen Leuten aus der Region, aus den umliegenden Großstädten Dresden, Chemnitz oder Leipzig wolle kaum einer aufs Land ziehen.

Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind deutschlandweit zahlreiche Lehrstellen unbesetzt, ungeachtet der insgesamt hohen Zahl suchender Schulabgänger. Die Industrie- und Handelskammern verbuchen in ihrer zentralen Lehrstellenbörse im Internet rund 10.000 freie Ausbildungsstellen. „Die Dunkelziffer ist noch weit höher“, sagt Ausbildungsexperte Markus Kiss vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

Wie es um die Jugend steht

Das liege zum einen daran, dass es weniger Jugendliche gebe - und damit weniger Bewerber. Vor allem in Ostdeutschland habe sich die Zahl der Schulabgänger in den vergangenen zehn Jahren auf rund 114.000 halbiert. Auch der Trend zum Studium bereite den Unternehmen Sorge. Oftmals werden aber auch die Anforderungen nicht erfüllt, wie von Unternehmen zu hören ist.

„Um leistungsstarke Azubis zu gewinnen, bieten viele Betriebe inzwischen Extras an“, erklärt Kiss. Das könnten ein kleiner Dienstwagen sein, höhere Gehälter, Zuschüsse für Bus und Bahn oder ein Smartphone. Mittlerweile haben auch Jugendliche Chancen, die das Zeugnis nicht voller Einser haben.

Vor allem im Handwerk sind materielle Lockmittel ein Thema. Die Handwerkskammer in Erfurt weiß von Betrieben, die ihren Azubis vierteljährlich Tankgutscheine zahlen, zudem Weiterbildungen oder Prämien für gute Noten. Der Handwerkskammer in Halle zufolge übernehmen Firmen oft das Bus- oder Bahnticket zur Berufsschule, Betriebe aus dem Lebensmittelbereich spendieren das Frühstück.

146.000 freie Lehrstellen in Deutschland

Zehn besonders gefragte Jobs
Ein Arzt und eine Spritze Quelle: dpa
Jemand läuft zwischen Bahnschienen entlang Quelle: AP
Eine Frau mit Handschuhen hält Platten mit Polen in die Höhe Quelle: AP
ElektroingenieurWissenschaftler sind überzeugt: Die Zukunft der Handelskonzerne liegt in „Radio-Frequency Identification“, kurz RFID. Bisher wird die Technologie hauptsächlich im Einzelhandel und in der Logistik eingesetzt. Die elektromagnetischen Wellen erleichtern vor allem die Verteilung der Produkte in den Märkten. Die deutsche Metro setzt die Technik schon heute für viele Verkaufsgüter ein. Nach Angaben von McKinsey wird der RFID-Markt in Deutschland bis 2016 jährlich um durchschnittlich 19 Prozent wachsen. Elektroingenieure, die sich mit der Hochfrequenztechnologie auskennen, sind schon heute begehrt. Voraussetzung: In der Regel empfiehlt sich ein Studium für Elektroingenieurwesen oder Nachrichtentechnik. Die renommiertesten Ausbildungsstätten sind die RWTH Aachen, die TU München oder die TU Berlin. Den Feinschliff bekommen die Studenten beispielsweise an einem der Fraunhofer-Institute. Einstiegsgehalt: 45.000 bis 55.000 Euro Quelle: AP
Fotovoltaik-ExperteDie Unternehmensberatung Roland Berger prognostiziert der Fotovoltaik-Branche derzeit ein weltweites Wachstum von 35 Prozent pro Jahr. Hinzu kommt: Aufgrund der globalen Konkurrenz sehen sich insbesondere die deutschen Hersteller gezwungen, die Kosten zu senken und sich auch technologisch weiterzuentwickeln. Dementsprechend optimistisch klingt die Prognose des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik: Die Experten rechnen damit, dass sich der Personalbedarf der Branche bis zum Jahr 2020 mindestens verdoppeln wird. Physiker, die sich auf den Bereich Fotovoltaik spezialisiert haben, müssen daher nicht lange nach einer Stelle suchen. Voraussetzung: Ein abgeschlossenes Physik-Studium und hohe Flexibilität gehören zu den -Grundvoraussetzungen, die jeder Bewerber mitbringen sollte. Viele Absolventen spezialisieren sich nach dem Abschluss -zusätzlich noch in einer anschließenden -Promotion auf den Bereich Fotovoltaik. An den Universitäten in Halle, Ulm oder Oldenburg können Studierende entsprechende Schwerpunkte wählen. Einstiegsgehalt: Etwa 50.000, mit Doktortitel 80.000 Euro Quelle: AP
IT-SicherheitsexperteViele Unternehmen haben ihre Daten in den vergangenen Jahren ins Internet verlagert. Stichwort: Cloud Computing. Daher wächst der Bedarf an Experten, die die Systeme schützen können. 2009 hatte der deutsche Markt für IT-Sicherheit ein Volumen von 2,75 Milliarden Euro, errechnete die Unternehmensberatung Booz & Company im Juli. In den kommenden Jahren soll er jährlich um etwa zehn Prozent wachsen. Davon profitieren auch IT-Sicherheitsexperten, die für Softwarekonzerne Programme zum Schutz von Daten entwickeln oder für Banken und Behörden Angriffe von außen abwehren. Voraussetzung: Gängig ist ein Informatik-Studium, aber auch Physiker oder Mathematiker können sich spezialisieren. Die TU Darmstadt bietet etwa einen Studiengang „Master in IT-Sicherheit“ an. Einen ähnlichen Schwerpunkt gibt es in Deutschland sonst nur an der Ruhr-Universität in Bochum. Unternehmen achten bei der Einstellung vor allem darauf, dass Absolventen sich in die Überlegungen potenzieller Angreifer hineinversetzen können – also erkennen, wo das System seine Lücken hat, und diese schließen. Einstiegsgehalt: 45.000 bis 50.000 Euro Quelle: dpa
MaschinenbauerDem deutschen Maschinenbau fehlen derzeit 5000 Facharbeiter und bis zu 5000 Ingenieure, warnte Thomas Lindner, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, kürzlich in der „Frankfurter Rundschau“. Vor allem durch den demografischen Wandel steuere man bereits „in drei bis vier Jahren auf einen besorgniserregenden Engpass zu“. Soll heißen: Qualifizierte Maschinenbauer sind begehrt. Voraussetzung: Unternehmen achten bei Bewerbern vor allem auf ein abgeschlossenes Maschinenbaustudium. Das ist in dem Bereich keineswegs Normalität – jeder Zweite bricht sein Studium in Deutschland momentan vorzeitig ab. Ersten Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern bekommen Studenten häufig, indem sie ihre Diplomarbeit direkt in einem Unternehmen schreiben. Eine andere Möglichkeit ist ein duales Studium mit festem Praxisanteil. Viele Absolventen starten ihre Karriere bei Mittelständlern – zum einen wegen der familiäreren Atmosphäre, zum anderen wegen besserer Entwicklungsmöglichkeiten als in Großkonzernen. Einstiegsgehalt: 40.000 bis 45.000 Euro Quelle: dpa

Nach einer Mitgliederbefragung der Handwerkskammer Schwerin locken 14 Prozent der Firmen mit erhöhtem Lehrlingsentgelt, 8 Prozent mit Prämien oder Fahrtkostenzuschüssen. Auch in Brandenburg lassen sich Unternehmen einiges einfallen: „Sie werben mit einer Übernahme nach dem Ausbildungsende oder Fortbildungsmöglichkeiten bis hin zum Meister, für den manche sogar die Finanzierung übernehmen“, sagt die Pressesprecherin der Handwerkskammer Potsdam, Ute Maciejok.

Die Restaurantkette Marché etwa stellt ihren fünf besten deutschen Azubis im zweiten Ausbildungsjahr jeweils einen Smart zur Verfügung. Bis zum Ende ihrer Lehre können sie mit damit herumfahren - Benzin und Versicherung inklusive.

Die Bundesagentur für Arbeit meldete im Juli mehr als 146.000 freie Lehrstellen. Gleichzeitig sind rund 200.000 junge Menschen auf der Suche. Häufig passen Wünsche der Betriebe und die Schulabschlüsse nicht zusammen, hieß es.

Die regionalen Unterschiede sind groß: Gut ausgeglichen sind Angebot und Nachfrage danach in Schleswig-Holstein, wo auf 100 Stellenangebote 107 Bewerber kommen, ähnlich sieht es im Saarland oder in Sachsen-Anhalt aus. Problematisch ist die Lage dagegen in Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo es deutlich mehr Bewerber als Plätze gibt.

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