Männer können sich anscheinend überhaupt mehr herausnehmen, dürfen sich in der Öffentlichkeit betrinken, derbe Witze reißen oder mit der Kellnerin flirten, was umgekehrt unmöglich sei: „Man stelle sich vor, eine weibliche Führungskraft würde in alkoholisiertem Zustand in eindeutiger Weise mit dem Kellner flirten!“ Männer, so die Autorin, glaubten auch wie selbstverständlich, dass ihnen ein höheres Gehalt zustehe, Frauen hingegen hätten Angst unverschämt zu wirken und gäben sich mit einem Lob zufrieden – nicht weil sie bescheidener sind, sondern weil sie noch nicht kapiert haben, „dass allein ein forderndes Auftreten zum Erfolg führt, der sich in barer Münze auszahlt“.
Selbstkritik schadet im Job - laut sein, dröhnendes Selbstbewusstsein zeigen, wird dagegen belohnt. Zu den Glanzstücken des Buch zählt das Kapitel über die Manieren im Zoo der Alphatiere. Sie sind so gut wie nicht vorhanden. Von Ausnahmen abgesehen, heißt es, sind im Berufsalltag der Topmanager Umgangsformen außer Kraft gesetzt, „besonders wenn man sich schon länger kennt“. Grobe Unhöflichkeiten seien an der Tagesordnung, Entschuldigungen nicht vorgesehen. Auch nicht gegenüber Frauen, für die es keine Sonderbehandlung gebe. Dabei hätte sie „gegen eine zuvorkommende Behandlung seitens der Männer gar nichts einzuwenden“.
Doch die Dialektik der Emanzipation will, dass der Erfolg im Beruf für weibliche Führungskräfte einen besonders hohen Preis hat: Nicht zuletzt das viele Alleinsein. Nicht nur auf Geschäftsreisen, wo Frauen das Abendessen lieber im Hotelzimmer zu sich nehmen statt im Restaurant oder gar an der Bar, wo „die Atmosphäre einfach zu seltsam ist“ und der Kontakt mit einem anderen allein reisenden Geschäftsmann etwas geradezu Anrüchiges hätte. Auch im Privatleben bedeutet, Karriere zu machen, in jeder Hinsicht „einsame Spitze“: Während Männer in den Augen ihrer Gattinnen durch den Erfolg sexy und begehrenswert werden, schreckt er bei Frauen potentielle Partner eher ab, zumal Frauen nicht gern nach unten heiraten.
Die Folge: Es wartet niemand auf sie zu Hause. „Männer in meiner Position haben beides, Karriere und Kinder“, schreibt die Autorin, „warum sollte ich mich dazwischen entscheiden müssen?“ Sie führt seit vielen Jahren eine Fernbeziehung. Als sie ein Kind von ihrem Freund erwartet, heißt es in der Firma: „Herzlichen Glückwunsch! Freuen Sie sich denn? Ihren jetzigen Job werden Sie nie wieder machen.“ Dass Kinder und Karriere nicht vereinbar sind, hat für ihren Vorgesetzten „den Rang eines Naturgesetzes.“ Genau deshalb würde in deutschen Unternehmen bei gleicher Kompetenz und Qualifikation von Mann und Frau immer der Mann den Top-Job bekommen – weil Männer nicht schwanger werden. Frauen gelten nach wie vor als Risikofaktor.
Die Autorin, einst eine vehemente Gegnerin der Quote, haben derlei Erlebnisse „zur Verfechterin einer Frauenquote werden lassen, die sich das einzelne Unternehmen als Selbstverpflichtung auferlegt“. Vielleicht würden dann endlich auch Manieren im Management einkehren. Frauen sind gewiss nicht die besseren Menschen, aber sie sollen angeblich etwas Zivilisierendes haben.