Macht des Moments "Wer nicht in den ersten Sekunden überzeugt, hat verloren"

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Gelungener erster Auftritt

Dass die Kompetenz darunter nicht leidet, zeigen Untersuchungen von Psychologin Alice Isen an der Cornell-Universität in New York. Demnach sind Menschen, die positiv denken und das auch ausstrahlen, nicht nur belastbarer und zufriedener; sie werden meist sogar öfter befördert. Neben dem Lächeln will sich André Baumgarten künftig auf klare Gesten konzentrieren: „Lieber weniger, aber bewusster.“ Die Hände hektisch zu bewegen wirkt fahrig. Wer sich vorher überlegt, was er sagt und welche Geste dazu passt, wirkt präsent.

Für einen gelungenen ersten Auftritt gilt es also, viel zu beachten. Wie schade daher, dass im Job kaum Zeit bleibt, jedes Gespräch gut vorzubereiten. Und überhaupt: Was, wenn alle guten Vorsätze plötzlich weg sind, sobald sich die Köpfe am Konferenztisch auf einen richten und man die Aufregung in sich hochsteigen fühlt?

Ein Teilnehmer von Neumanns Seminar berichtet von seiner Tätigkeit als Sachbearbeiter bei einem Versicherungsunternehmen. Ein Job mit viel Routine, aber wenig Kundenkontakt. Künftig soll er öfter interne Meetings leiten und will daher lernen, souverän und selbstbewusster aufzutreten. „Ich mag es überhaupt nicht, im Mittelpunkt zu stehen“, sagt der gelernte Bürokaufmann. „Das ist für mich ein ganz unangenehmes Gefühl.“

Wie Introvertierte knifflige Situationen meistern
Bewerbungsgespräche„Warum sollten wir Sie einstellen?“ Diese Frage macht alle Introvertierten nervös. Wem Eigenwerbung zuwider ist, der sollte schnell auf die Sachebene zurückkehren. Die beste Antwort lautet deshalb: „Ich kann Ihre Probleme lösen.“ Dieser Satz ermöglicht es dem Bewerber, die Herausforderungen zu erläutern und seine Lösungen zu präsentieren, ohne Ich-bin-so-toll Floskeln. Damit zeigt er Expertise und eine strukturierte Herangehensweise. Eine ausgiebige Vorbereitung ist besonders wichtig, weil Introvertierte ihre Argumentation vor allem auf Fakten stützen – und sich durch überraschende Fragen verunsichern lassen. Quelle: Fotolia
NetzwerkveranstaltungenWährend Extrovertierte Meister des Small Talks sind und auf Veranstaltungen leicht neue Menschen kennenlernen, müssen Introvertierte andere Strategien entwickeln. Aber das muss kein Nachteil sein, im Gegenteil. Kontakte, die im ausführlichen Dialog entstehen, sind meist wertvoller als reihenweise Small Talk-Bekanntschaften. Tipp: Verabreden Sie schon vor solchen Terminen Gespräche via E-Mail. Zurückhaltenden fällt es leichter, schriftlich Interesse zu bekunden, als spontan auf jemanden zuzugehen. Lassen Sie sich außerdem von gemeinsamen Bekannten vorstellen, das reduziert die Hemmschwelle. Quelle: Fotolia
VerhandlungenSchlagfertigkeit und spontane Einfälle zählen nicht zu den Stärken der Introvertierten. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, sich vom Gesprächspartner nicht überrumpeln zu lassen. Macht dieser zum Beispiel einen konkreten Vorschlag, sollten zurückhaltende Menschen versuchen, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Das gelingt am besten, indem sie einige sachliche Nachfragen stellen. Dadurch nehmen Introvertierte nicht nur das Tempo aus dem Gespräch. Gleichzeitig strahlen sie Souveränität aus, weil sie sich von ihrem Gegenüber nicht treiben lassen. Frei nach dem Motto: Wer fragt, der führt. Quelle: Fotolia
BesprechungenIntrovertierte bereiten sich auf Sitzungen meistens gut vor – und kommen währenddessen häufig trotzdem nicht zu Wort. Je größer die Runde, desto unsichtbarer werden Zurückhaltende. Zwei Methoden können helfen: Zum einen sollte sich der Introvertierte vorab überlegen, welche Aspekte ihm am wichtigsten sind, und sich fest vornehmen, dazu etwas zu sagen. Zum anderen kann er schon vor dem Treffen Allianzen schmieden. Wer könnte an der Idee interessiert sein? Wer kann die Argumentation stützen? Besonders hilfreich ist es, aus dem Kollegenkreis einen guten Verkäufer zu identifizieren – und ihn vorher auf die eigene Seite ziehen. Quelle: Fotolia

Eines sollten Schüchterne unbedingt vermeiden: eine Rolle spielen, der sie nicht gerecht werden können. Der Kölner Showmaster Linus hat oft beobachtet, dass die Kluft zwischen Können und Wollen besonders unangenehm auffällt: „Wer im Glitzeroutfit auf die Bühne tritt, aber dabei wirkt, als würde er sich am liebsten hinter dem Schlagzeug verstecken“, so Linus, der „wäre in einem schlichten Kostüm ganz sicher besser aufgehoben“.

Im Job gilt dieselbe Regel. Das konnten Forscher der Bocconi-Universität in Mailand und des University College London kürzlich beobachteten. Ein Team um Celia Moore prüfte in Interviews mit rund 2000 Personen, wie selbstreflektiert sie waren. Dann verglichen sie deren Resultate bei Bewerbungsgesprächen. Und siehe da: Jene, die offen über ihre Stärken und Schwächen sprachen, sich natürlich verhielten und ohne zu zögern Antworten gaben, schnitten am besten ab.

Coach Neumann rät, sich Schritt für Schritt an den perfekten Auftritt heranzutasten: „Zuerst gilt es, sich bewusst zu machen, wo man mit seinen Fähigkeiten steht. Dann kann man ein oder zwei Punkte herausgreifen, an denen man als Erstes arbeiten will.“

So gelingt Ihre nächste Präsentation
Gründe zeigenDer Autor Simon Sinek hat untersucht, wie es Ikonen wie Martin Luther King oder dem Apple-Gründer Steve Jobs gelang, Massen von Menschen von ihren Ideen zu überzeugen. In seinem Buch „Start with Why“ kommt Sinek zu dem Schluss, dass sie ähnlich dachten - und sprachen. In großen Reden ging es ihnen vor allem um das "Warum", nicht das übliche "Was?". Der Grund: Menschen lassen sich viel eher auf einer emotionalen Ebene mitreißen - etwa dann, wenn sie das Ziel und den Grund eines Projekts kennen. Quelle: dpa
Beispiele nutzenBrillante Rhetorik, geschliffene Sätze: Niemandem nutzt die beste Rede, wenn sich kein Zuhörer den Inhalt merken kann. Aber auch dafür gibt es die richtigen Mittel: Beispiele. Lebhafte Beispiele sind häufig nicht schwer zu finden, insbesondere alltägliche Phänomene bieten sich an. Auch die beiden Wissenschaftler und Autoren Chip und Dan Heath sehen darin einen Schlüssel für eine gelungene Präsentation. In ihrem Buch „Made to Stick: Why Some Ideas Survive and Others Die“ beschäftigen sie sich mit der Kommunikation von Ideen. Ein Ergebnis: Erst mit anschaulichen, bildlichen Beispielen lassen sich Menschen überzeugen. Eine Studie ergab: Nur fünf Prozent einer Studentengruppe konnte sich an den Inhalt eines Vortrags erinnern - aber knapp zwei Drittel der Studenten konnten die Beispiele wiedergeben.
Gesten sparsam einsetzenBeim Gestikulieren gilt es, einen gesunden Mittelweg zu finden. Eine Studie der Psychologin Susan Wagner Cook von der Universität von Iowa ergab, dass gestikulierende Studenten Matheaufgaben effektiver erklären und sich zeitgleich auch eine Buchstabenfolge besser merken konnten als nicht-gestikulierende Kommilitonen. Die Psychologin vermutet, dass die Studenten durch das Gestikulieren mehr „Speicherplatz“ zur Verfügung hatten, mit dem sie sich – neben dem Erklären – noch auf eine andere Aufgabe konzentrieren konnten. Gerade bei Vorträgen ist das ein doppelter Vorteil, denn eine gute Präsentation erfordert wahre Multitasking-Fähigkeiten: Zum einen sollen die Informationen sicher vermittelt werden, andererseits muss der Redner auch die Bildschirmpräsentation bedienen oder auf Stimmungen im Publikum eingehen. Aber Vorsicht: Wer zu viel mit den Armen fuchtelt, der verliert seine Glaubwürdigkeit.
Zielgruppe beachtenNicht nur Inhalt und Wortwahl beeinflussen den Erfolg der Rede, sondern auch das Verhältnis zwischen Redner und Zuhörern. Der Rhetoriktrainer und Autor Ingo Vogel („So reden Sie sich an die Spitze“) rät, jede Rede und jeden Vortrag genau auf das Publikum abzustimmen. Denn ob die Familie, ob Kollegen oder sogar die Chefetage im Publikum sitzt, macht einen gewaltigen Unterschied. In allen Fällen gilt aber: Verbindungen aufbauen und von Gemeinsamkeiten ausgehen. In Familienkreisen können das längst vergangene Erfahrungen sein, in formaleren Situationen aber auch geteilte Sorgen oder Unternehmenserfolge.
Kurz fassen60 Sekunden - dann schweifen die Zuhörer ab. Laut Darlene Price, Autorin des Buches "Well Said! Presentations and Conversations That get Results", bleibt in der Regel nicht mehr Zeit, um das Interesse der Zuhörer zu wecken. Umso wichtiger ist es, einen interessanten und lebhaften Einstieg in das Thema zu schaffen. Price warnt davor, die Zeit mit halbherzigen Witzen, Danksagungen oder verwirrenden Details zu verschwenden. Besser: eine kurze, packende Geschichte zum Einstieg, die den Zuhörern die Relevanz und die Kernaussage der Rede deutlich macht.
Klar ausdrückenIm Mittelpunkt der Rede muss die Information stehen, nicht der Sprecher. In dem Artikel “The New Articulate Executive : Look, Act and Sound Like a Leader “ verrät der Berater Granville Toogood Tricks für gelungene Präsentationen. Ein Tipp: Immer verständlich reden - so wie in einem Dialog. Eine Studie konnte zeigen, dass Redner sich gerne mit Fremdwörtern und Fachbegriffen schmücken um intelligent zu wirken – aber bei ihrem Publikum genau das Gegenteil erreichen.
PowerPoint ignorierenVisuelle Unterstützungen sind aus den meisten Präsentationen nicht mehr wegzudenken. Was früher das Flip-Chart war, heißt heute PowerPoint oder Prezi – und überfordert die Zuhörer. In einer Studie der australischen Universität New South Wales bewiesen Forscher um den Professor John Sweller den negativen Einfluss von zusätzlichen Präsentationsanreizen. Professor Sweller ging sogar so weit, die Nutzung von PowerPoint als „Desaster“ zu bezeichnen und lautstark ein „Verbot“ des Programms zu fordern. Ein Problem von PowerPoint sehen Wissenschaftler vor allem dann, wenn sich Vortrag und Bildschirm-Präsentation nicht ergänzen - sondern den gleichen Inhalt doppelt transportieren.

Der Sachbearbeiter etwa hat sich vorgenommen, künftig bei Präsentationen mehr Blickkontakt zu halten und in Konferenzen aufrechter zu sitzen. Danach will er den nächsten Schritt angehen. Für Neumann ein guter Plan: „So verhindert man, dass Mimik und Gestik aufgesetzt wirken.“ Zudem sei es sinnvoller, in manchen Punkten zu brillieren, als alles mittelmäßig zu machen: „Wer weiß, dass ihm große Gesten nicht liegen, aber eine angenehme Stimme hat, konzentriert sich auf Klang und Rhetorik.“

Denn trotz aller Studien gibt es für den erfolgreichen ersten Eindruck keine Blaupause. Bei Linus’ Talentprobe haben in den vergangenen 25 Jahren schon Hausfrauen im Kittel gewonnen, Rapperinnen mit Dreadlocks und Rocker mit langer Mähne. Eines aber hatten alle gemeinsam: eine realistische Einschätzung davon, was sie können – und was nicht.

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