Meeting-Wahnsinn Ritter der Schwafel-Runde

Viele Konferenzen sind ineffizient und langweilig. Dabei lässt sich viel frischer Schwung in Besprechungen bringen: Zum Beispiel Meetings beim Spazieren, Ideen sammeln im World Café oder hierarchiefreie Diskussionen.

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So überstehen Sie jedes Meeting
Sie haben so überhaupt keine Ahnung, was Ihnen Ihr Chef gerade erzählt? Dann geben Sie das mehr oder weniger ehrlich zu, in dem Sie sagen "Sie wollen also sagen dass..." Dann wiederholen Sie das Gesagte möglichst in eigenen Worten. Oder Sie wiederholen etwas besonders Kluges, dass einer der Kollegen in der Runde gesagt hat. Danach können Sie weiter schlafen. Quelle: Fotolia
Stellen Sie kluge Zwischenfragen oder machen Sie scheinbar kluge Bemerkungen. Wenn Sie beispielsweise während eines Tagtraums hören, wie Ihr Kollege sagt, dass 25 Prozent der Kunden das neue Produkt lieben, sagen Sie: "Wir reden hier also über einen von vier" und machen sich eine Notiz. Quelle: Fotolia
Notizen sind das A und O. Machen Sie sich am besten dauernd Notizen, das macht einen guten Eindruck. Natürlich schreiben Sie nicht wirklich mit, sondern schreiben Ihre Einkaufsliste auf oder woran Sie gerade denken. Hauptsache, das Blatt füllt sich. Quelle: Fotolia
Sollte der Redner eine dieser unsäglichen PowerPoint-Präsentationen vorführen, bitten Sie ihn an irgendeinem Punkt des Vortrages (wenn Sie grade wieder wach geworden sind zum Beispiel), noch einmal zur vorherigen Folie zurückzukehren. Picken Sie sich dann einen beliebigen Aspekt oder eine Zahl heraus und bitten den Redner, diese noch einmal zu erläutern. "Ich verstehe es nicht, wie wollen wir diese sieben Prozent erreichen?" Quelle: Fotolia
Wenn Sie klug erscheinen und sich eine Stunde Ruhe verschaffen wollen, stehen Sie auf, gehen Sie an das Flipchart und zeichnen ein einfaches Diagramm. Dann stellen Sie eine Frage wie: "Okay, das in dem kleinen Kreis ist, was wir haben, das im großen Kreis das, was wir wollen. Wie erreichen wir das?" Dann lehnen Sie sich zurück und lassen den Rest diskutieren. Quelle: Fotolia
Wenn dann alle anderen durcheinander rufen und ein furchtbares Chaos herrscht, lehnen Sie sich zurück und bitten alle darum, einmal tief durchzuatmen. Wenn Sie die Aufmerksamkeit der Kollegen haben, sagen Sie etwas wie: "Wir sollten einmal darüber nachdenken, um welches Problem es uns wirklich geht." Quelle: Fotolia
Falls mitten im Meeting Ihr Handy klingeln sollte, gehen Sie ran. Sagen Sie den Kollegen, dass es Ihnen furchtbar leid tut, aber dass es sich hierbei um einen sehr wichtigen Anruf handelt, auf den Sie seit Tagen warten. Dann gehen Sie raus, beantworten den vermutlich unwichtigen Anruf und holen sich einen Kaffee. Quelle: dpa

Nach dem Meeting ist vor dem Meeting. Rund 7.000 Stunden verbringt die Führungsriege eines durchschnittlichen Konzerns pro Jahr in Konferenzen. Von 40 Wochenstunden hingen die Mitarbeiter im Schnitt 21 Stunden in Sitzungen fest - davon acht Stunden in solchen, die sich problemlos streichen ließen. Das zeigt eine Untersuchung der Unternehmensberatung Bain, die das Zeitmanagement von 17 amerikanischen Unternehmen analysiert hat. In Deutschland sieht die Lage kaum anders aus. „Wäre Zeit tatsächlich Geld, hätten viele Unternehmen mit riesigen Verlusten zu kämpfen“, sagt Bain-Partner Imeyen Ebong.

Denn unstrukturiert, ausufernd und langweilig, wie das Durchschnittsmeeting ist, bei dem einer referiert und die anderen zuhören, bleiben die Treffen allzu häufig ohne nennenswertes Ergebnis. Viele Meetings fänden aus reiner Gewohnheit statt, urteilen die Berater.

Kein Wunder, dass sich inzwischen immer mehr Chefs überlegen, wie sie dem Konferenzwahnsinn ein Ende bereiten. Google-Gründer Larry Page gehört zu denen, die sich darüber ärgern, wenn kostbare Zeit vertrödelt wird. Er führte daher strikte Regeln ein: Kein Meeting soll länger als 50 Minuten dauern, nicht mehr als zehn Personen sollen daran teilnehmen dürfen.

Die Teilnehmerzahl und Dauer zu beschränken, da sind sich Experten einig, ist sinnvoll. Rüdiger Trimpop, Leiter des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Jena, sagt: „Wir können uns nur etwa zwanzig Minuten am Stück konzentrieren, danach schweifen die Gedanken ab, oder man beschäftigt sich anderweitig.“ Dann wird auf dem Smartphone getippt, mit dem Nachbarn geflüstert oder gar ein Nickerchen gemacht – und so werden unter Umständen relevante Informationen verpasst.

Was Meeting-Floskeln wirklich bedeuten

Um die Aufmerksamkeit zu erhalten – damit alle schneller auf den Punkt kommen – halten die Mitarbeiter der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt ihre Besprechungen im Stehen ab. Schwafler, Selbstdarsteller und Co. haben so keine Chance. Und auch die inhaltliche Qualität lässt sich offenbar dadurch steigern: Einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität in München zufolge entwickeln Konferenzteilnehmer im Stehen mehr Ideen als im Sitzen. In der Erhebung sollten sich Studenten 45 Minuten lang Gedanken machen über die wichtigsten Gestaltungsmerkmale einer Powerpoint-Präsentation. Die Testgruppe, die im Stehen überlegte, entwickelte fast ein Viertel mehr konkrete Ansätze als die im Sitzen arbeitende Vergleichsgruppe.

Walking-Meetings und Sieben-Minuten-Infusion

Außerdem haben die Hamburger Werber die „Sieben-Minuten-Infusion“ eingeführt: Einmal pro Woche werden den Mitarbeitern kurz und knapp wichtige Informationen rund ums Geschäft verkündet. Keine Fragen, keine Kommentare, nur Zuhören und anschließend zurück an den Arbeitsplatz.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg dagegen verfolgt eine etwas andere Strategie: Ihn kann man des Öfteren auf dem weitläufigen Dachgarten der neuen Firmenzentrale zwischen Bäumen und Blumen im kalifornischen Menlo Park entdecken. Denn die Grünanlage dient nicht nur der Erholung, sondern sie ist auch für die in den USA immer beliebteren „Walking Meetings“ da. Von Mark Zuckerberg und Twitter-Chef Jack Dorsey ist bekannt, dass sie manche Besprechungen lieber beim Spaziergang als am Konferenztisch durchführen, weil sie glauben, dass der Mix aus körperlicher Bewegung und Gespräch die Kreativität fördert.

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Während Zuckerberg für seine Walking Meetings nicht mal das Firmengelände verlassen muss, geht Linked-In-Mitbegründer Konstantin Guericke, der sich inzwischen in Kalifornien als Mentor für junge Gründer betätigt, regelmäßig auf Wanderschaft. Auf seinen 90-minütigen Ausflügen mit meist drei Begleitern durch die hügelige Landschaft in der Nähe von Palo Alto nimmt er immer den gleichen Weg und verbindet so das Angenehme mit dem Nützlichen: „Ich bewege mich lieber in der Natur als in einem Fitnessstudio.“

Strategiefragen oder Geschäftsideen ließen sich gut im Gehen diskutiere. Es klappe sogar besser, sich mit simplen Gedächtnistricks im Anschluss zu erinnern, verrät Guericke: „Ich verfolge später gedanklich die Route noch einmal und rufe Gesprächsinhalte oder Informationen ab, die ich mit Wegmarken oder meinen Erlebnissen dort verknüpft habe.“

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Egal, ob er mit Nachwuchschefs oder Investoren unterwegs ist, Guericke schätzt besonders, dass sich bei einer gemeinsamen Wanderung eine engere Beziehung aufbaue als am Konferenztisch. „Über Sorgen und Träume lässt sich einfacher sprechen, da die Natur auch etwas Meditatives hat.“ Emotionen - für weitreichende Entscheidungen im Geschäftsleben durchaus ein wichtiger Aspekt - kommen im Sitzungssaal häufig zu kurz. Besonders dann, wenn eine nicht enden wollende Folienflut das Publikum narkotisiert.

Langweilen verboten!

„Die Pause ist an klassischen Vortragsveranstaltungen oft das Beste, hören wir daher von Managern immer wieder. Denn dann endlich kommen sie miteinander ins Gespräch“, schildert Günther Grassmann den Frust vieler Führungskräfte. Er ist Senior Partner der Organisationsberatung Initio, die für Unternehmen alternative Veranstaltungskonzepte realisiert. Grassmanns Erfolgsformel lautet dementsprechend: „Wir machen die Pause zum Hauptformat.“

Heißt konkret, dass der erfahrene Moderator und seine Kollegen mit besonders kommunikativen Ideen wie der Kleingruppenarbeit im „World-Café“ oder der „Fish Bowel“-Diskussion dafür sorgt, dass Teilnehmer nicht nur Smalltalk machen, sondern so miteinander reden, dass Konkretes herauskommt. Dauerbrenner unter den von Profis moderierten Themen sind „Veränderung“ und „Innovation“ oder auch die Frage, wie sich Geschäftsprozesse optimieren lassen. Doch egal, wie sperrig sich ein Thema anhören mag, die oberste Maxime lautet: Langweilen verboten!

Kollegen am Findungsprozess beteiligen

Um beim alljährlichen Strategiemeeting an die besten Ideen der 35 Spitzenmanager ihres Unternehmens zu kommen, setzte auch Maria Knill, Personalchefin bei Solarworld in Bonn, auf Abwechslung. „Es geht mir darum, mit dem Veranstaltungskonzept die Kreativität der Kollegen zu wecken und sie nicht nur über fertige Lösungen zu informieren, sondern sie am Findungsprozess zu beteiligen.“

Die Managerin kennt die Schwächen klassischer Konferenzen nur zu gut: „Die Konzentration aufrechtzuhalten, wenn die Teilnehmer mit Vorträgen berieselt werden, ist schwer. Gleichzeitig ist die Bereitschaft des Einzelnen, selbst etwas beizutragen, sehr gering.“

Im Gegensatz dazu gelang es der Führungsriege mit dem von den Initio-Moderatoren durchgeführten World-Café, gemeinsam neue Ideen zu erarbeiten: Zunächst sammelten sie in Gruppen von je fünf Teilnehmern an sieben Tischen sämtliche Ideen zum Thema. In der folgenden gezielten Fragerunde an den von den Moderationsprofis betreuten Tischen und in wechselnder Gruppenbesetzung entwickelten die Manager dann konkrete Vorschläge. Wobei die Moderatoren als „Gastgeber“ dafür sorgten, dass die Folgegruppen stets über die von den Vorgängern entworfenen und auf der „Tischdecke“ notierten Ideen im Bilde waren - und sie weiterentwickeln konnten.

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Abschließend wurden alle Vorschläge gemeinsam diskutiert und die vielversprechendsten ausgewählt. So konnte das Solarworld-Management am Ende der eintägigen Veranstaltung konkrete Projekte mit Zeitrahmen und Zuständigkeit beschließen. Maria Knill ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Mit dem World-Café lässt sich ein großer Konsens und ein belastbares Ergebnis erzielen - auch mit einer größeren Gruppe von Teilnehmern.“

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