Nach dem Meeting ist vor dem Meeting. Rund 7.000 Stunden verbringt die Führungsriege eines durchschnittlichen Konzerns pro Jahr in Konferenzen. Von 40 Wochenstunden hingen die Mitarbeiter im Schnitt 21 Stunden in Sitzungen fest - davon acht Stunden in solchen, die sich problemlos streichen ließen. Das zeigt eine Untersuchung der Unternehmensberatung Bain, die das Zeitmanagement von 17 amerikanischen Unternehmen analysiert hat. In Deutschland sieht die Lage kaum anders aus. „Wäre Zeit tatsächlich Geld, hätten viele Unternehmen mit riesigen Verlusten zu kämpfen“, sagt Bain-Partner Imeyen Ebong.
Denn unstrukturiert, ausufernd und langweilig, wie das Durchschnittsmeeting ist, bei dem einer referiert und die anderen zuhören, bleiben die Treffen allzu häufig ohne nennenswertes Ergebnis. Viele Meetings fänden aus reiner Gewohnheit statt, urteilen die Berater.
Kein Wunder, dass sich inzwischen immer mehr Chefs überlegen, wie sie dem Konferenzwahnsinn ein Ende bereiten. Google-Gründer Larry Page gehört zu denen, die sich darüber ärgern, wenn kostbare Zeit vertrödelt wird. Er führte daher strikte Regeln ein: Kein Meeting soll länger als 50 Minuten dauern, nicht mehr als zehn Personen sollen daran teilnehmen dürfen.
Die Teilnehmerzahl und Dauer zu beschränken, da sind sich Experten einig, ist sinnvoll. Rüdiger Trimpop, Leiter des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Jena, sagt: „Wir können uns nur etwa zwanzig Minuten am Stück konzentrieren, danach schweifen die Gedanken ab, oder man beschäftigt sich anderweitig.“ Dann wird auf dem Smartphone getippt, mit dem Nachbarn geflüstert oder gar ein Nickerchen gemacht – und so werden unter Umständen relevante Informationen verpasst.
Was Meeting-Floskeln wirklich bedeuten
Klingt nett und ist es auch – aber nur dann, wenn das Lob vom Chef kommt und ehrlich gemeint ist. Kommt es jedoch vom Kollegen, ist Vorsicht geboten. Wer lobt, stellt sich über den Gelobten, er besitzt offenbar Beurteilungshoheit. Womöglich will sich der Huldiger also nur profilieren.
Wer so beginnt, impliziert, dass sich das Folgende auf harte, nachprüfbare Tatsachen stützt. Damit sagt derjenige auch: Der Käse davor war allenfalls eine Vermutung, ein Eindruck, eine Fabel. Also nicht der Rede wert.
Ein Klassiker. Der Fragende offenbart einen wunden Punkt, aber statt die Lösung mitzuliefern, gibt er den schwarzen Peter direkt an Krause weiter. Der kann dabei nur verlieren: Weiß er nichts, ist er blamiert. Glänzt er durch eine gute Idee, war es der andere, der ihm das Wort erteilt hat. Welch Weitblick! Richtig gemein wird die Taktik, wenn so jemand schon vorher weiß, dass Krause davon keine Ahnung hat oder seinen üblichen Vorschlag machen wird, der – wie ebenfalls bekannt – völlig unreif ist.
Bravo! Hier geriert sich einer nicht nur als empathischer, hilfsbereiter Kollege, sondern auch noch als begnadeter Zuhörer. Obendrein bereichert er die Runde mit den klaren Worten, um die der simple Herr Krause leider verlegen war. Ziemlich link.
Wer so fragt, degradiert den anderen zum technikverliebten Kleingeist. Nur er hat den Überblick über das große Ganze – oder ist zumindest daran interessiert. Eine noble Geste, die den Kollegen ziemlich winzig aussehen lässt.
Eine fiese Attacke. Natürlich glaubt so jemand nicht eine Sekunde daran, dass der andere Recht hat. Aber er signalisiert Toleranz und Offenheit, während er gleichzeitig die Glaubwürdigkeit und Reputation des anderen subtil untergräbt.
Der erste Satzteil klingt nur verständnisvoll. Tatsächlich geht es darum, den anderen alt und ewiggestrig aussehen zu lassen. Denn die unausgesprochene Fortsetzung lautet: „...aber intellektuell habe ich mich längst weiterentwickelt."
Um die Aufmerksamkeit zu erhalten – damit alle schneller auf den Punkt kommen – halten die Mitarbeiter der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt ihre Besprechungen im Stehen ab. Schwafler, Selbstdarsteller und Co. haben so keine Chance. Und auch die inhaltliche Qualität lässt sich offenbar dadurch steigern: Einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität in München zufolge entwickeln Konferenzteilnehmer im Stehen mehr Ideen als im Sitzen. In der Erhebung sollten sich Studenten 45 Minuten lang Gedanken machen über die wichtigsten Gestaltungsmerkmale einer Powerpoint-Präsentation. Die Testgruppe, die im Stehen überlegte, entwickelte fast ein Viertel mehr konkrete Ansätze als die im Sitzen arbeitende Vergleichsgruppe.
Walking-Meetings und Sieben-Minuten-Infusion
Außerdem haben die Hamburger Werber die „Sieben-Minuten-Infusion“ eingeführt: Einmal pro Woche werden den Mitarbeitern kurz und knapp wichtige Informationen rund ums Geschäft verkündet. Keine Fragen, keine Kommentare, nur Zuhören und anschließend zurück an den Arbeitsplatz.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg dagegen verfolgt eine etwas andere Strategie: Ihn kann man des Öfteren auf dem weitläufigen Dachgarten der neuen Firmenzentrale zwischen Bäumen und Blumen im kalifornischen Menlo Park entdecken. Denn die Grünanlage dient nicht nur der Erholung, sondern sie ist auch für die in den USA immer beliebteren „Walking Meetings“ da. Von Mark Zuckerberg und Twitter-Chef Jack Dorsey ist bekannt, dass sie manche Besprechungen lieber beim Spaziergang als am Konferenztisch durchführen, weil sie glauben, dass der Mix aus körperlicher Bewegung und Gespräch die Kreativität fördert.
6 goldene Tipps für bessere Meetings
Wer ein Meeting einberuft, muss vorher allen klarmachen, warum. Treffen ohne klare Zielsetzung kann man gleich bleiben lassen, dabei kommt selten etwas Vernünftiges heraus.
Steht das Ziel einmal fest, sollte vor jedem Meeting beschrieben werden, worüber gesprochen werden soll. Das ist vergleichbar mit Tagesordnungspunkten - die sollten aber immer Streng am Thema orientiert bleiben. Und vor allem jedem vorher bekannt sein. Eine gute Möglichkeit ist ein Dokument, auf das alle zugreifen können, und das am Abend vor der Konferenz geschlossen wird. Was dann nicht auf dem Papier steht, wird auch nicht besprochen.
Meetings sind vor allem für jene Teilnehmer furchtbar, die nichts mit dem Thema anfangen können. Laden Sie immer nur die Kollegen ein, die die richtigen Befugnisse haben, mit den Themen vertraut sind oder wegen ihrer Fachkompetenz gute Beiträge leisten können. Von unbedarften Teilnehmern ist nichts zu erwarten, also vergeuden Sie nicht deren Zeit.
Stellen Sie gute Fragen, die ihre Teilnehmer zum Nachdenken anregen. Wecken Sie Interesse, indem Sie Leute gezielt ansprechen. So vermeiden Sie die notorisch Meeting-Langeweile und keiner gerät ins Dösen. Vielredner können Sie so zwingen, Dinge auf den Punkt zu bringen. Das Wichtigste: Schreiben Sie die Antworten und Ideen auf.
Erstellen Sie nach dem Treffen ein Ergebnisprotokoll oder visualisieren Sie die Ergebnisse. Entscheiden Sie über die Darstellungsform je nach Inhalt der Konferenz: War es ein Kick-Off-Meeting oder eine abschließende Strategiebesprechung? Verschicken Sie das Ergebnisprotokoll an alle Teilnehmer und ermuntern Sie sie, es zu ergänzen.
Niemand sollte sich nach dem Meeting fragen müssen, wie es jetzt weitergeht. Formulieren Sie, bis wann Sie die Ziele erreichen wollen und wann sich ein weiteres Treffen lohnt. Was bei der Vorbereitung gilt, zählt auch bei der Nachbereitung. Sonst vergessen Ihre Kollegen schnell, worum es ging.
Während Zuckerberg für seine Walking Meetings nicht mal das Firmengelände verlassen muss, geht Linked-In-Mitbegründer Konstantin Guericke, der sich inzwischen in Kalifornien als Mentor für junge Gründer betätigt, regelmäßig auf Wanderschaft. Auf seinen 90-minütigen Ausflügen mit meist drei Begleitern durch die hügelige Landschaft in der Nähe von Palo Alto nimmt er immer den gleichen Weg und verbindet so das Angenehme mit dem Nützlichen: „Ich bewege mich lieber in der Natur als in einem Fitnessstudio.“
Strategiefragen oder Geschäftsideen ließen sich gut im Gehen diskutiere. Es klappe sogar besser, sich mit simplen Gedächtnistricks im Anschluss zu erinnern, verrät Guericke: „Ich verfolge später gedanklich die Route noch einmal und rufe Gesprächsinhalte oder Informationen ab, die ich mit Wegmarken oder meinen Erlebnissen dort verknüpft habe.“
Egal, ob er mit Nachwuchschefs oder Investoren unterwegs ist, Guericke schätzt besonders, dass sich bei einer gemeinsamen Wanderung eine engere Beziehung aufbaue als am Konferenztisch. „Über Sorgen und Träume lässt sich einfacher sprechen, da die Natur auch etwas Meditatives hat.“ Emotionen - für weitreichende Entscheidungen im Geschäftsleben durchaus ein wichtiger Aspekt - kommen im Sitzungssaal häufig zu kurz. Besonders dann, wenn eine nicht enden wollende Folienflut das Publikum narkotisiert.
Langweilen verboten!
„Die Pause ist an klassischen Vortragsveranstaltungen oft das Beste, hören wir daher von Managern immer wieder. Denn dann endlich kommen sie miteinander ins Gespräch“, schildert Günther Grassmann den Frust vieler Führungskräfte. Er ist Senior Partner der Organisationsberatung Initio, die für Unternehmen alternative Veranstaltungskonzepte realisiert. Grassmanns Erfolgsformel lautet dementsprechend: „Wir machen die Pause zum Hauptformat.“
Heißt konkret, dass der erfahrene Moderator und seine Kollegen mit besonders kommunikativen Ideen wie der Kleingruppenarbeit im „World-Café“ oder der „Fish Bowel“-Diskussion dafür sorgt, dass Teilnehmer nicht nur Smalltalk machen, sondern so miteinander reden, dass Konkretes herauskommt. Dauerbrenner unter den von Profis moderierten Themen sind „Veränderung“ und „Innovation“ oder auch die Frage, wie sich Geschäftsprozesse optimieren lassen. Doch egal, wie sperrig sich ein Thema anhören mag, die oberste Maxime lautet: Langweilen verboten!
Kollegen am Findungsprozess beteiligen
Um beim alljährlichen Strategiemeeting an die besten Ideen der 35 Spitzenmanager ihres Unternehmens zu kommen, setzte auch Maria Knill, Personalchefin bei Solarworld in Bonn, auf Abwechslung. „Es geht mir darum, mit dem Veranstaltungskonzept die Kreativität der Kollegen zu wecken und sie nicht nur über fertige Lösungen zu informieren, sondern sie am Findungsprozess zu beteiligen.“
Die Managerin kennt die Schwächen klassischer Konferenzen nur zu gut: „Die Konzentration aufrechtzuhalten, wenn die Teilnehmer mit Vorträgen berieselt werden, ist schwer. Gleichzeitig ist die Bereitschaft des Einzelnen, selbst etwas beizutragen, sehr gering.“
Im Gegensatz dazu gelang es der Führungsriege mit dem von den Initio-Moderatoren durchgeführten World-Café, gemeinsam neue Ideen zu erarbeiten: Zunächst sammelten sie in Gruppen von je fünf Teilnehmern an sieben Tischen sämtliche Ideen zum Thema. In der folgenden gezielten Fragerunde an den von den Moderationsprofis betreuten Tischen und in wechselnder Gruppenbesetzung entwickelten die Manager dann konkrete Vorschläge. Wobei die Moderatoren als „Gastgeber“ dafür sorgten, dass die Folgegruppen stets über die von den Vorgängern entworfenen und auf der „Tischdecke“ notierten Ideen im Bilde waren - und sie weiterentwickeln konnten.
4 Tipps für Meetings im Ausland
Bei allem Verständnis für die Gewohnheiten internationaler Geschäftspartner: Biedern Sie sich nicht an. Amerikaner erwarten von Deutschen keine Witze, Asiaten keine krampfige Verbeugung, sondern starke Geschäftspartner.
Bei Verhandlungen zu sehr aufs Tempo zu drücken schadet besonders in Asien und arabischen Ländern. Besser: Zeit nehmen, zuhören, Essen gehen – dann klappt’s auch mit dem Vertrag.
Geschäftsleute außerhalb Deutschlands sind irritiert, wenn Deutsche nach einem lockeren Essen bierernst ins Meeting gehen. Sie plaudern auch bei offiziellen Besprechungen gern über Privates – stellen Sie sich darauf ein.
Sätze wie „Das ist falsch!“ stoßen nicht nur Asiaten vor den Kopf – besonders wenn sie vor Kollegen fallen. Kontroverses besser in höfliche Fragen verpacken: „Können wir das bitte noch mal detailliert besprechen, ich glaube, wir haben unterschiedliche Ansätze.“
Abschließend wurden alle Vorschläge gemeinsam diskutiert und die vielversprechendsten ausgewählt. So konnte das Solarworld-Management am Ende der eintägigen Veranstaltung konkrete Projekte mit Zeitrahmen und Zuständigkeit beschließen. Maria Knill ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Mit dem World-Café lässt sich ein großer Konsens und ein belastbares Ergebnis erzielen - auch mit einer größeren Gruppe von Teilnehmern.“