Mobbing Wenn im Büro Krieg herrscht

Mit kleinen Sticheleien fängt es an. Oft wächst es sich zu bösartigen Attacken aus, die den Opfern das Leben zur Hölle machen. Mobbing ist Alltag in deutschen Unternehmen. Wie man sich gegen die Angriffe verteidigt.

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In der Rubrik „Karriere Tipp“ widmet sich Handelsblatt Online wöchentlich Themen rund um Beruf, Büro und Bewerbung. Quelle: CAEPSELE

Köln Auf den ersten Blick wirkt Stephanie wie eine selbstbewusste Frau. Sie ist Mitte 30, attraktiv, gut gekleidet, lacht viel und erzählt offen über sich und ihr Leben. Dann aber bemerkt man, dass sie auch traurig ist. Sie denkt nach, nickt sich irgendwann aufmunternd zu. Sie weiß, dass es irgendwie weitergehen muss. Auch wenn sie im Moment noch nicht genau sagen kann, wie.

Stephanie ist Opfer von Mobbing-Angriffen geworden. Dass irgendwas nicht stimmte zwischen ihr und den anderen im Team, hat sie sofort gemerkt, als sie die neue Stelle als Verwaltungsangestellte in einem Institut angenommen hat: „Das fing schon auf der ersten Betriebsfeier an“, sagt Stephanie, „da wurde ich quasi ignoriert.“

In den ersten Tagen im Job wurde es nicht besser: Aufgaben stapelten sich auf ihrem Schreibtisch. „Hochkomplexe Vorgänge, bei denen man viele Feinheiten beachten musste“, erinnert sie sich. Sie nahm die Herausforderungen an, bearbeitete alles so gut es ging. Doch sie machte Fehler. „Damit habe ich meinen Kollegen noch mehr Zündstoff gegeben.“

In ihrer Not wandte sie sich an den Betriebsrat, sprach mit ihrem Chef – doch Hilfe leisten konnten auch sie nicht. Zu allem Überfluss kam noch hinzu: Die Kollegen bekamen Wind vom Gespräch mit dem Vorgesetzten. „Da wurde die Situation unerträglich.“ Nach und nach sei sie zum Enfant terrible der ganzen Abteilung mutiert. Gut drei Jahre hielt sie durch, dann lief die Stelle regulär aus. Kontakt zu ihren Ex-Kollegen hat sie heute keinen mehr.

Die Geschichte von Stephanie ist eine, die sich tagtäglich in zahlreichen Unternehmen abspielt. Gründe für Streitigkeiten zwischen Kollegen gibt es zuhauf. Manche haben das Gefühl, dass sie die Arbeit für andere mit erledigen müssen. Ein neuer Mitarbeiter passt nicht ins Team. Oder jemand macht seinen Job so gut, dass die anderen eifersüchtig sind. Und dann können sie beginnen, die kleinen Sticheleien, die das Leben zur Hölle machen.

Das Problem beim Mobbing ist, dass sich die genaue Ursache oft nur schwer rekonstruieren lässt. Und dass jeder anders mit Konflikten am Arbeitsplatz umgeht. „Manche reagieren schon empfindlich, wenn sie für ihre Arbeit nicht gelobt werden“, sagt Hildegard Belardi, Psychotherapeutin aus Bergisch Gladbach, „andere können keine Kritik vertragen.“ Und dann gebe es diese Mobbing-Fälle, in denen Mitarbeiter, die sich in einem Team immer wohl gefühlt haben, plötzlich von neuen Kollegen oder Chefs geschnitten werden. Doch auch da lassen sich die Übergriffe kaum in Worte fassen. „Es geht oft um subtile Kleinigkeiten“, sagt Belardi, „handfeste Beweise gibt es nur selten.“

Das sieht auch der Leverkusener Rechtsanwalt Stephan Dreismann so. In der Theorie gebe es zwar viele Möglichkeiten, sich gegen Mobbing zu wehren: Mitarbeiter hätten ein Beschwerderecht beim Arbeitgeber, der wiederum müsse seiner Fürsorgepflicht nachkommen und den Arbeitnehmer vor persönlichen Angriffen schützen. Doch den Mandanten falle es oft schon schwer, das Problem genau zu beschreiben. Und während man sich gegen eine Abmahnung oder Kündigung wehren könne, sei das bei zwischenmenschlichen Verhaltensweisen schwierig: „Wie sollen sich jemand dagegen wehren, wenn er von den anderen nicht gegrüßt wird?“


Mobbing beginnt oft schleichend

Von einem Prozess würde er Mitarbeitern, die sich am Arbeitsplatz gemobbt fühlen, deshalb auch abraten. Die Chancen auf Erfolg seien gering – und insgesamt mache das die Situation nicht besser: „Wie soll das Arbeitsverhältnis aussehen, wenn man zwei Jahre gegen Kollegen oder den eigenen Chef einen Prozess geführt hat?“

Er empfiehlt deshalb, nach anderen Lösungen zu suchen. Etwa über einen Neustart in einem anderen Unternehmen nachzudenken oder einen Wechsel in eine andere Abteilung anzugehen. „Das Problem ist aber, dass die Mitarbeiter oft sehr lange warten, bis sie handeln“, sagt Stephan Dreismann. Die Situation sei dann oft schon sehr verfahren, weil sich alle Betroffenen so in den Konflikt hereingesteigert haben, dass der Blick für alternative Lösungen fehlt.

Verwunderlich ist das kaum – denn Mobbing beginnt oft schleichend, mit kleinen Gemeinheiten. Man wird bei einem Geschenk vergessen, das einem Kollegen überreicht wird. Man bekommt nicht die Informationen, die man für die Bearbeitung eines Auftrags benötigt. Oder man wird in Konferenzen nicht mehr richtig angehört. Für die Betroffenen ist es dann sehr schwer, mit dem Problem umzugehen. Viele taumeln hin und her zwischen Ohnmacht und Unsicherheit – und zermürben sich auch selbst mit quälenden Fragen: Mache ich vielleicht wirklich etwas falsch? Bin ich einfach nur zu sensibel? Bin ich nicht geeignet für die Stelle? Löse ich die Angriffe selbst aus? Muss ich mich komplett verändern?

Wenn es gar nicht mehr weitergeht, können Betroffene in einer Therapie lernen, ihre Gefühle und Gedanken ernst zu nehmen und auch zu verstehen: Was genau sind die Situationen, in denen ich mich von meinem Chef gemobbt fühle? Gibt es vielleicht sogar Anlass zur Kritik von oben? Und gibt es Möglichkeiten, mit schwierigen Situationen anders umzugehen?

„Manchmal hilft schon ein lockerer Spruch zur richtigen Zeit, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen“, sagt Hildegard Belardi. So wie der eines Mitarbeiters, der nicht wusste, wie er den Berg an Aufgaben bewältigen soll. Und zu seinem Chef sagte: „Inzwischen müssten Sie doch wissen, dass ich nicht multitaskingfähig bin.“

Auch Stephanie kämpft heute noch mit den Nachwirkungen ihrer Mobbing-Erfahrung – obwohl der Job für sie schon mehrere Monate beendet ist. Seit einiger Zeit ist sie in therapeutischer Behandlung: „Ich muss erstmal lernen, wieder an mich und meine Fähigkeiten zu glauben.“ In der Psychotherapie übt sie, das Erlebte zu verarbeiten und auch die Angst vor neuen Konflikten in den Griff zu bekommen. Inzwischen klingt sie sogar recht zuversichtlich.

Im Moment arbeitet sie freiberuflich für eine neue Internetseite – und gewinnt täglich an Selbstvertrauen: „Mich begleitet zwar die Angst, dass neue Anfeindungen passieren könnten“, sagt die junge Frau. Doch dann erinnert sie sich daran, wie stark sie vorher war: „Diese Leichtigkeit, die ich mal im Job hatte, die wünsche ich mir zurück.“

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