Ein Problem gerade auch im Mittelstand, vor allem unter Führungskräften. Denn Pendler leiden nicht nur unter dem höllischen Stress. Sie senden auch negative Signale an Kollegen und Mitarbeiter. Die entwickeln nämlich ein gutes Gespür dafür, wo ihr Chef am Samstagmittag ist. „Wenn Sie im Schwarzwald arbeiten, aber in jeder freien Minute nach Hamburg düsen, drücken Sie damit aus: Bei euch gefällt es mir nicht“, sagt Kienbaum-Personalberater Busold.
Viele seiner Kandidaten wollen erst mal pendeln, solange sie in der Probezeit sind. Dabei wäre es umgekehrt viel sinnvoller, findet der Headhunter. „Am Anfang müssen Sie sich in der Firma verwurzeln. Nach drei Jahren sind die Meriten verdient – dann können Sie am Wochenende auch mal verschwinden.“
Gerade Familienunternehmer legen Wert darauf, dass sich ihre Chefs mit der Region identifizieren. Mitunter scheitern Kandidaten auf der Zielgeraden, nur weil sie nicht bereit sind, umzuziehen.
So wie bei einem Maschinenbauzulieferer aus Ostwestfalen. Der Inhaber ist im Ort verwurzelt, fördert Kindergarten und Kultur. Nach mehr als 30 Jahren in der Firma sucht er einen Nachfolger. Bald begeistert ihn ein aufstrebender Manager aus Düsseldorf, mit perfektem Lebenslauf und tollen Ideen. Bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Ehefrauen soll feierlich der Vertrag unterschrieben werden. Doch am festlich gedeckten Tisch kippt plötzlich die Stimmung: Die Gattin des Kandidaten will ihre Zahnarztpraxis nicht aufgeben, ein Umzug von der Landeshauptstadt in die Provinz kommt für sie nicht infrage. „Nach Ostwestfalen ziehen wir nicht!“, raunzt sie den Patriarchen an. Die Übergabe platzt.
So wird Pendeln erträglicher
Regeln Sie den Umgang mit Verspätungen, fragen Sie nach Heimarbeit und Gleitzeit.
Klären Sie familiäre Probleme am Feierabend. Genießen Sie das Wochenende.
Nicht am Wochenende nachholen, was unter der Woche wegen des Pendelns liegen geblieben ist. Erholen Sie sich lieber.
Schalten Sie ab – vor allem Laptop und Smartphone. Hören Sie Musik.
Dass es auch anders laufen kann, zeigt Michael Dittrich. Der Hamburger passt auf den ersten Blick so gar nicht nach Muggensturm, einem 6000-Seelen-Dorf im badischen Landkreis Rastatt. Vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren hat der 51-Jährige dort seinen Vorstandsvertrag beim europaweit tätigen Reifenhändler Ihle AG unterschrieben. Um mit der Region warm zu werden, blieb er anfangs jedes vierte Wochenende in Baden. „Meine Frau ist auch Unternehmerin“, sagt Dittrich, „sie hatte dafür Verständnis.“
Der Manager aus dem hohen Norden hat sich längst eingelebt im Südwesten, spielt jeden Donnerstag Saxofon im Musikverein einer Nachbargemeinde. „Wenn die anderen badisch sprechen, verstehe ich zwar noch immer kein Wort“, sagt er. „Aber es macht Spaß. Manchmal trete ich sogar bei Konzerten auf.“